Verrätherey von Innen gewachsen war, jezt brachte man sie weg und stellte sie in Kirchen oder Klöstern hin, holte sie bey jedesmaligem Nothfall nur her- vor, und schaffte sie gleich nach dem Gebrauch wie- der weg.
Die Franzosen hatten eine fast kindische Freude, da sie das Mordmesser nicht mehr vor Augen hatten. Ihre Freude wurde noch vermehrt, da sie in dem Bulletin lasen, daß, wenn einmal die allgemeine Ruhe hergestellt seyn würde, alle Arten von Todesstrafen abgestellt werden sollten. -- Ich habe durchaus bemerkt, daß, obgleich Ströhme Bluts in Frankreich geflossen sind, das französische Volk das Blutvergießen doch nicht liebt. Die ab- scheulichen Scenen waren eine nothwendige Folge der Revolution: das Volk sah dieß ein und ließ sie zu.
Bey dem Siegesfest, das in Dijon gefeiert wurde, hatten wir eine Schnurre, die uns vielen Spaß machte. Ein hübsches Mädchen, als Göttin des Sieges gekleidet, wurde auf einem Triumph- wagen herumgefahren, und die ganze Bürgerschaft ging in Procession vor und hinten nach, und sang republikanische Lieder. Einige zwanzig östreichi- sche Kriegsgefangne standen da, und gafften den Zug an. Einer von ihnen fragte: was das für eine Procession sey? Was wird es seyn, antwor-
Verraͤtherey von Innen gewachſen war, jezt brachte man ſie weg und ſtellte ſie in Kirchen oder Kloͤſtern hin, holte ſie bey jedesmaligem Nothfall nur her- vor, und ſchaffte ſie gleich nach dem Gebrauch wie- der weg.
Die Franzoſen hatten eine faſt kindiſche Freude, da ſie das Mordmeſſer nicht mehr vor Augen hatten. Ihre Freude wurde noch vermehrt, da ſie in dem Bulletin laſen, daß, wenn einmal die allgemeine Ruhe hergeſtellt ſeyn wuͤrde, alle Arten von Todesſtrafen abgeſtellt werden ſollten. — Ich habe durchaus bemerkt, daß, obgleich Stroͤhme Bluts in Frankreich gefloſſen ſind, das franzoͤſiſche Volk das Blutvergießen doch nicht liebt. Die ab- ſcheulichen Scenen waren eine nothwendige Folge der Revolution: das Volk ſah dieß ein und ließ ſie zu.
Bey dem Siegesfeſt, das in Dijon gefeiert wurde, hatten wir eine Schnurre, die uns vielen Spaß machte. Ein huͤbſches Maͤdchen, als Goͤttin des Sieges gekleidet, wurde auf einem Triumph- wagen herumgefahren, und die ganze Buͤrgerſchaft ging in Proceſſion vor und hinten nach, und ſang republikaniſche Lieder. Einige zwanzig oͤſtreichi- ſche Kriegsgefangne ſtanden da, und gafften den Zug an. Einer von ihnen fragte: was das fuͤr eine Proceſſion ſey? Was wird es ſeyn, antwor-
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Verraͤtherey von Innen gewachſen war, jezt brachte
man ſie weg und ſtellte ſie in Kirchen oder Kloͤſtern
hin, holte ſie bey jedesmaligem Nothfall nur her-
vor, und ſchaffte ſie gleich nach dem Gebrauch wie-
der weg.
Die Franzoſen hatten eine faſt kindiſche Freude,
da ſie das Mordmeſſer nicht mehr vor Augen
hatten. Ihre Freude wurde noch vermehrt, da
ſie in dem Bulletin laſen, daß, wenn einmal die
allgemeine Ruhe hergeſtellt ſeyn wuͤrde, alle Arten
von Todesſtrafen abgeſtellt werden ſollten. — Ich
habe durchaus bemerkt, daß, obgleich Stroͤhme
Bluts in Frankreich gefloſſen ſind, das franzoͤſiſche
Volk das Blutvergießen doch nicht liebt. Die ab-
ſcheulichen Scenen waren eine nothwendige Folge
der Revolution: das Volk ſah dieß ein und ließ ſie
zu.
Bey dem Siegesfeſt, das in Dijon gefeiert
wurde, hatten wir eine Schnurre, die uns vielen
Spaß machte. Ein huͤbſches Maͤdchen, als Goͤttin
des Sieges gekleidet, wurde auf einem Triumph-
wagen herumgefahren, und die ganze Buͤrgerſchaft
ging in Proceſſion vor und hinten nach, und ſang
republikaniſche Lieder. Einige zwanzig oͤſtreichi-
ſche Kriegsgefangne ſtanden da, und gafften den
Zug an. Einer von ihnen fragte: was das fuͤr
eine Proceſſion ſey? Was wird es ſeyn, antwor-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/497>, abgerufen am 25.11.2024.
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