der Adel schon an sich ein Verbrechen sey, und ob man jeden, der adelich sey, für einen Feind der Re- publik halten könne? Mein Gegner behauptete die- sen Satz gerade hin, ich aber beschränkte denselben sehr. Als wir nicht einig werden konnten, stand er endlich auf und ging mit den Worten: Citoyen, es scheint, daß auch du ein -- Edelmann bist! In Deutschland soll so unter jedem Strohdach ein sol- ches Insekt hausen; du bist also wohl auch einer von diesen sacres matins. Und dahin ging er.
Wir blieben, und es entstand eine interessante Unterredung über die relativen Maßstäbe, wonach einzelne Menschen und ganze Völker Ehre und Schande, und Verdienst und Verbrechen abmessen. In Frankreich ist Adel jezt Schande und Verbre- chen, und war sonst hohe Ehre, hohes Verdienst, ärger als in Deutschland. -- Ob übrigens ein Sou- verän berechtigt sey, einen Adelstand, als einen erblichen Mittelstand, zwischen sich und den übrigen Staatsbürgern zu gründen, dieß untersu- chet Kant, und betrachtet den angeerbten Adel (nach Art einer angeerbten Professur) als ein Ge- dankending, ohne alle Realität, und sagt: "Was das Volk (die ganze Masse der Unterthanen) nicht über sich selbst und seine Genossen beschließen kann, das kann auch der Souverän nicht über das Volk
der Adel ſchon an ſich ein Verbrechen ſey, und ob man jeden, der adelich ſey, fuͤr einen Feind der Re- publik halten koͤnne? Mein Gegner behauptete die- ſen Satz gerade hin, ich aber beſchraͤnkte denſelben ſehr. Als wir nicht einig werden konnten, ſtand er endlich auf und ging mit den Worten: Citoyen, es ſcheint, daß auch du ein — Edelmann biſt! In Deutſchland ſoll ſo unter jedem Strohdach ein ſol- ches Inſekt hauſen; du biſt alſo wohl auch einer von dieſen ſacrès mâtins. Und dahin ging er.
Wir blieben, und es entſtand eine intereſſante Unterredung uͤber die relativen Maßſtaͤbe, wonach einzelne Menſchen und ganze Voͤlker Ehre und Schande, und Verdienſt und Verbrechen abmeſſen. In Frankreich iſt Adel jezt Schande und Verbre- chen, und war ſonſt hohe Ehre, hohes Verdienſt, aͤrger als in Deutſchland. — Ob uͤbrigens ein Sou- veraͤn berechtigt ſey, einen Adelſtand, als einen erblichen Mittelſtand, zwiſchen ſich und den uͤbrigen Staatsbuͤrgern zu gruͤnden, dieß unterſu- chet Kant, und betrachtet den angeerbten Adel (nach Art einer angeerbten Profeſſur) als ein Ge- dankending, ohne alle Realitaͤt, und ſagt: „Was das Volk (die ganze Maſſe der Unterthanen) nicht uͤber ſich ſelbſt und ſeine Genoſſen beſchließen kann, das kann auch der Souveraͤn nicht uͤber das Volk
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der Adel ſchon an ſich ein Verbrechen ſey, und ob
man jeden, der adelich ſey, fuͤr einen Feind der Re-
publik halten koͤnne? Mein Gegner behauptete die-
ſen Satz gerade hin, ich aber beſchraͤnkte denſelben
ſehr. Als wir nicht einig werden konnten, ſtand
er endlich auf und ging mit den Worten: Citoyen,
es ſcheint, daß auch du ein — Edelmann biſt! In
Deutſchland ſoll ſo unter jedem Strohdach ein ſol-
ches Inſekt hauſen; du biſt alſo wohl auch einer
von dieſen ſacrès mâtins. Und dahin ging er.
Wir blieben, und es entſtand eine intereſſante
Unterredung uͤber die relativen Maßſtaͤbe, wonach
einzelne Menſchen und ganze Voͤlker Ehre und
Schande, und Verdienſt und Verbrechen abmeſſen.
In Frankreich iſt Adel jezt Schande und Verbre-
chen, und war ſonſt hohe Ehre, hohes Verdienſt,
aͤrger als in Deutſchland. — Ob uͤbrigens ein Sou-
veraͤn berechtigt ſey, einen Adelſtand, als einen
erblichen Mittelſtand, zwiſchen ſich und den
uͤbrigen Staatsbuͤrgern zu gruͤnden, dieß unterſu-
chet Kant, und betrachtet den angeerbten Adel
(nach Art einer angeerbten Profeſſur) als ein Ge-
dankending, ohne alle Realitaͤt, und ſagt: „Was
das Volk (die ganze Maſſe der Unterthanen) nicht
uͤber ſich ſelbſt und ſeine Genoſſen beſchließen kann,
das kann auch der Souveraͤn nicht uͤber das Volk
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/408>, abgerufen am 22.11.2024.
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