Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.bleibt aber immer Staude: einen Rosmarin-Baum Das ganze Land des Comtats war vor der Re- *) Wunder sind denn wohl nicht von Gott: sonst wäre Gott
hier w[id]er sich selbst gewesen. Wunder sind ein Product der Unwissenheit des trägen Glaubens und des politischen und re- ligiösen Dunstmachens. -- Aber wen macht es nicht lachen, wenn eben die Maria, die ihre und andere Klotzbilder in Frank- reich ungestöhrt zernichten ließ, in Oestreich jezt weinet, um den Pöbel gegen Frankreich erst hintendrein aufzubringen! -- Kurz, wie der Glaube selig macht, so macht auch nur der Glaube Wunder; denn wo dieser verschwindet, verschwinden auch jene; und Gott bleibt Gott. Ganz Frankreich hält sich fest am Irrdischen, und befindet sich wohl; und was das Ueber- irrdische betrifft, so ist jezt jedes hellen Franzosen Frage und Antwort kurz diese: De Iove quid sentis? -- Minimum est, quod scire laboro: Iupiter est, quodcunque vides, quocunque moveris. Und damit ist seine Theologie zu Ende. Und doch, wer über- windet ihn! bleibt aber immer Staude: einen Rosmarin-Baum Das ganze Land des Comtats war vor der Re- *) Wunder ſind denn wohl nicht von Gott: ſonſt wäre Gott
hier w[id]er ſich ſelbſt geweſen. Wunder ſind ein Product der Unwiſſenheit des trägen Glaubens und des politiſchen und re- ligiöſen Dunſtmachens. — Aber wen macht es nicht lachen, wenn eben die Maria, die ihre und andere Klotzbilder in Frank- reich ungeſtöhrt zernichten ließ, in Oeſtreich jezt weinet, um den Pöbel gegen Frankreich erſt hintendrein aufzubringen! — Kurz, wie der Glaube ſelig macht, ſo macht auch nur der Glaube Wunder; denn wo dieſer verſchwindet, verſchwinden auch jene; und Gott bleibt Gott. Ganz Frankreich hält ſich feſt am Irrdiſchen, und befindet ſich wohl; und was das Ueber- irrdiſche betrifft, ſo iſt jezt jedes hellen Franzoſen Frage und Antwort kurz dieſe: De Iove quid ſentis? — Minimum eſt, quod ſcire laboro: Iupiter eſt, quodcunque vides, quocunque moveris. Und damit iſt ſeine Theologie zu Ende. Und doch, wer über- windet ihn! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0393" n="389"/> bleibt aber immer Staude: einen Rosmarin-Baum<lb/> habe ich nicht geſehen. Hat alſo ein gewiſſer Hal-<lb/> liſcher Naturforſcher im Kollegio geſagt: in der<lb/> Provence gaͤbe es Rosmarinbaͤume ſo groß wie die<lb/> hoͤchſten Fichten — <hi rendition="#aq">ſit fides penes auctorem.</hi></p><lb/> <p>Das ganze Land des Comtats war vor der Re-<lb/> volution voll Kloͤſter, heiliger Kapellen, Kruzi-<lb/> fixe und anderer Inſignien des Katholicismus. Al-<lb/> les dieſes iſt jezt zerſtoͤhrt. — Faſt in jeder Kirche<lb/> war ein Gnadenbild, und man fand haͤufig wun-<lb/> derthaͤtige Reliquien. Aber alle Wunderkraft war<lb/> nicht im Stande, den reißenden Strohm einer Re-<lb/> volution zu hemmen, die ſie zernichtete. Hier,<lb/> wo der Aberglaube gleichſam ſein Hauptweſen ſo<lb/> lange gehabt hatte, iſt er endlich auch gefallen. <note place="foot" n="*)">Wunder ſind denn wohl nicht von Gott: ſonſt wäre Gott<lb/> hier w<supplied>id</supplied>er ſich ſelbſt geweſen. Wunder ſind ein Product der<lb/> Unwiſſenheit des trägen Glaubens und des politiſchen und re-<lb/> ligiöſen Dunſtmachens. — Aber wen macht es nicht lachen,<lb/> wenn eben die Maria, die ihre und andere Klotzbilder in Frank-<lb/> reich ungeſtöhrt zernichten ließ, in Oeſtreich jezt weinet, um den<lb/> Pöbel gegen Frankreich erſt hintendrein aufzubringen! —<lb/> Kurz, wie der Glaube ſelig macht, ſo macht auch nur der<lb/> Glaube Wunder; denn wo dieſer verſchwindet, verſchwinden<lb/> auch jene; und Gott bleibt Gott. Ganz Frankreich hält ſich<lb/> feſt am Irrdiſchen, und befindet ſich wohl; und was das Ueber-<lb/> irrdiſche betrifft, ſo iſt jezt jedes hellen Franzoſen Frage und<lb/> Antwort kurz dieſe:<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">De Iove quid ſentis? — Minimum eſt, quod ſcire<lb/> laboro:<lb/> Iupiter eſt, quodcunque vides, quocunque moveris.</hi></hi><lb/> Und damit iſt ſeine Theologie zu Ende. Und doch, wer über-<lb/> windet ihn!</note></p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [389/0393]
bleibt aber immer Staude: einen Rosmarin-Baum
habe ich nicht geſehen. Hat alſo ein gewiſſer Hal-
liſcher Naturforſcher im Kollegio geſagt: in der
Provence gaͤbe es Rosmarinbaͤume ſo groß wie die
hoͤchſten Fichten — ſit fides penes auctorem.
Das ganze Land des Comtats war vor der Re-
volution voll Kloͤſter, heiliger Kapellen, Kruzi-
fixe und anderer Inſignien des Katholicismus. Al-
les dieſes iſt jezt zerſtoͤhrt. — Faſt in jeder Kirche
war ein Gnadenbild, und man fand haͤufig wun-
derthaͤtige Reliquien. Aber alle Wunderkraft war
nicht im Stande, den reißenden Strohm einer Re-
volution zu hemmen, die ſie zernichtete. Hier,
wo der Aberglaube gleichſam ſein Hauptweſen ſo
lange gehabt hatte, iſt er endlich auch gefallen. *)
*) Wunder ſind denn wohl nicht von Gott: ſonſt wäre Gott
hier wider ſich ſelbſt geweſen. Wunder ſind ein Product der
Unwiſſenheit des trägen Glaubens und des politiſchen und re-
ligiöſen Dunſtmachens. — Aber wen macht es nicht lachen,
wenn eben die Maria, die ihre und andere Klotzbilder in Frank-
reich ungeſtöhrt zernichten ließ, in Oeſtreich jezt weinet, um den
Pöbel gegen Frankreich erſt hintendrein aufzubringen! —
Kurz, wie der Glaube ſelig macht, ſo macht auch nur der
Glaube Wunder; denn wo dieſer verſchwindet, verſchwinden
auch jene; und Gott bleibt Gott. Ganz Frankreich hält ſich
feſt am Irrdiſchen, und befindet ſich wohl; und was das Ueber-
irrdiſche betrifft, ſo iſt jezt jedes hellen Franzoſen Frage und
Antwort kurz dieſe:
De Iove quid ſentis? — Minimum eſt, quod ſcire
laboro:
Iupiter eſt, quodcunque vides, quocunque moveris.
Und damit iſt ſeine Theologie zu Ende. Und doch, wer über-
windet ihn!
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Zitationshilfe: | Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/393>, abgerufen am 22.07.2024. |