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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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die Ohnehosen von einem Orte zum andern wan-
dern; aber a[u]ch blos nur, was die Unordnung an-
belangt: denn wir waren alle nicht so siech und krank,
nicht so hungrig und nicht so abgerissen, als die
Preußen damals, ob wir gleich, wegen der sehr
verschiednen Kleidung, buntschäckig genug aus-
sahen.

Ehe man nach Vienue kömmt, muß man eine
kleine Stadt passiren, deren Namen ich vergessen
bin, wo gerade, als wir am andern Tage früh hin-
kamen, mehrere Bauren vom Lande waren, um ge-
dörrtes Obst zu verkaufen. Die Ohnehosen, mit
welchen ich war, -- es war aber nur ein kleiner
Trupp, von ohngefähr 20 Mann, da die andern
von unserm Haufen schon voraus, viele aber noch
zurück waren -- bemerkten, daß einige dieser Bau-
ern keine Nationalkokarden trugen. Fluchs nah-
men sie selbige beym Bündel, führten sie mit Ge-
walt in einen Kramladen, und zwangen sie, Kokar-
den zu kaufen, und an ihre Mützen von Schafwolle
fest zu machen: darauf ließen sie die Leute wieder
gehen.

Als wir näher an Vienne kamen, erzählte ich
meiner Kameradschaft, daß ehemals hier der Ort
gewesen sey, wohin die alten Kaiser zu Rom die
Staatsverbrecher verwiesen hätten: auch, daß unter
diesen Pontius Pilatus gewesen sey, der den

die Ohnehoſen von einem Orte zum andern wan-
dern; aber a[u]ch blos nur, was die Unordnung an-
belangt: denn wir waren alle nicht ſo ſiech und krank,
nicht ſo hungrig und nicht ſo abgeriſſen, als die
Preußen damals, ob wir gleich, wegen der ſehr
verſchiednen Kleidung, buntſchaͤckig genug aus-
ſahen.

Ehe man nach Vienue koͤmmt, muß man eine
kleine Stadt paſſiren, deren Namen ich vergeſſen
bin, wo gerade, als wir am andern Tage fruͤh hin-
kamen, mehrere Bauren vom Lande waren, um ge-
doͤrrtes Obſt zu verkaufen. Die Ohnehoſen, mit
welchen ich war, — es war aber nur ein kleiner
Trupp, von ohngefaͤhr 20 Mann, da die andern
von unſerm Haufen ſchon voraus, viele aber noch
zuruͤck waren — bemerkten, daß einige dieſer Bau-
ern keine Nationalkokarden trugen. Fluchs nah-
men ſie ſelbige beym Buͤndel, fuͤhrten ſie mit Ge-
walt in einen Kramladen, und zwangen ſie, Kokar-
den zu kaufen, und an ihre Muͤtzen von Schafwolle
feſt zu machen: darauf ließen ſie die Leute wieder
gehen.

Als wir naͤher an Vienne kamen, erzaͤhlte ich
meiner Kameradſchaft, daß ehemals hier der Ort
geweſen ſey, wohin die alten Kaiſer zu Rom die
Staatsverbrecher verwieſen haͤtten: auch, daß unter
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[371/0375] die Ohnehoſen von einem Orte zum andern wan- dern; aber auch blos nur, was die Unordnung an- belangt: denn wir waren alle nicht ſo ſiech und krank, nicht ſo hungrig und nicht ſo abgeriſſen, als die Preußen damals, ob wir gleich, wegen der ſehr verſchiednen Kleidung, buntſchaͤckig genug aus- ſahen. Ehe man nach Vienue koͤmmt, muß man eine kleine Stadt paſſiren, deren Namen ich vergeſſen bin, wo gerade, als wir am andern Tage fruͤh hin- kamen, mehrere Bauren vom Lande waren, um ge- doͤrrtes Obſt zu verkaufen. Die Ohnehoſen, mit welchen ich war, — es war aber nur ein kleiner Trupp, von ohngefaͤhr 20 Mann, da die andern von unſerm Haufen ſchon voraus, viele aber noch zuruͤck waren — bemerkten, daß einige dieſer Bau- ern keine Nationalkokarden trugen. Fluchs nah- men ſie ſelbige beym Buͤndel, fuͤhrten ſie mit Ge- walt in einen Kramladen, und zwangen ſie, Kokar- den zu kaufen, und an ihre Muͤtzen von Schafwolle feſt zu machen: darauf ließen ſie die Leute wieder gehen. Als wir naͤher an Vienne kamen, erzaͤhlte ich meiner Kameradſchaft, daß ehemals hier der Ort geweſen ſey, wohin die alten Kaiſer zu Rom die Staatsverbrecher verwieſen haͤtten: auch, daß unter dieſen Pontius Pilatus geweſen ſey, der den

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/375>, abgerufen am 25.11.2024.