Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.daß aber diese mit der Zeit ihre vortrefflichen Fol- *) Ich glaube, daß der Hauptmann Landrin sehr Recht hatte,
die Freyheit einer kultivirten Nation von der Freyheit, oder vielmehr von der Zügellosigkeit einer rohen Horde wilder Men- schen zu unterscheiden. Jene verdient erst mit Grund den Na- men Freyheit, da hingegen diese so ziemlich an die Freyheit gränzt, wovon die Lehrer des Naturrechts in ihren Büchern reden, wenn sie behaupten: Jeder Mensch sey von Natur frey geboren. Die ächte Freyheit kann nur vernünftig und social seyn, und blos der ist vernunftig und social, der im gleichen Schritte mit dem höchsten Grade der Kultur seines Jahrhun- derts fortschreitet. Folglich ist auch sogar der Begriff der Frey- heit relativ. Ich mag diesen Gedanken hier nicht verfolgen: in dem Kapitel aber, worin ich meinen Lesern die wahren französischen Begriffe von Freyheit mittheilen werde, sollen sie auch die Folgerungen dieser Grundsätze finden. daß aber dieſe mit der Zeit ihre vortrefflichen Fol- *) Ich glaube, daß der Hauptmann Landrin ſehr Recht hatte,
die Freyheit einer kultivirten Nation von der Freyheit, oder vielmehr von der Zügelloſigkeit einer rohen Horde wilder Men- ſchen zu unterſcheiden. Jene verdient erſt mit Grund den Na- men Freyheit, da hingegen dieſe ſo ziemlich an die Freyheit gränzt, wovon die Lehrer des Naturrechts in ihren Büchern reden, wenn ſie behaupten: Jeder Menſch ſey von Natur frey geboren. Die ächte Freyheit kann nur vernünftig und ſocial ſeyn, und blos der iſt vernunftig und ſocial, der im gleichen Schritte mit dem höchſten Grade der Kultur ſeines Jahrhun- derts fortſchreitet. Folglich iſt auch ſogar der Begriff der Frey- heit relativ. Ich mag dieſen Gedanken hier nicht verfolgen: in dem Kapitel aber, worin ich meinen Leſern die wahren franzöſiſchen Begriffe von Freyheit mittheilen werde, ſollen ſie auch die Folgerungen dieſer Grundſätze finden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0328" n="324"/> daß aber dieſe mit der Zeit ihre vortrefflichen Fol-<lb/> gen ſo allgemein in der franzoͤſiſchen Republik, und<lb/> bey allen kuͤnftighin freywerdenden Voͤlkern bewei-<lb/> ſen wuͤrde, daß ſelbſt alle buͤrgerlichen Poͤnalgeſetze<lb/> uͤberfluͤßig ſeyn wuͤrden. Ich widerſprach ihm im-<lb/> mer, und berief mich auf die Schwachheit der<lb/> menſchlichen Natur, und auf die Geſchichte aller<lb/> Voͤlker und aller Zeiten. Was willſt Du? — ſo<lb/> antwortete er mir immer mit Feuer — du berufeſt<lb/> dich auf die Geſchichte aller Zeiten, und du haſt<lb/> Recht: denn bisher iſt auf der weiten Erde noch<lb/> kein freyes Volk geweſen, wenigſtes iſt noch kein<lb/><hi rendition="#g">kultivirtes</hi> <note place="foot" n="*)">Ich glaube, daß der Hauptmann <hi rendition="#g">Landrin</hi> ſehr Recht hatte,<lb/> die Freyheit einer kultivirten Nation von der Freyheit, oder<lb/> vielmehr von der Zügelloſigkeit einer rohen Horde wilder Men-<lb/> ſchen zu unterſcheiden. Jene verdient erſt mit Grund den Na-<lb/> men Freyheit, da hingegen dieſe ſo ziemlich an <hi rendition="#g">die</hi> Freyheit<lb/> gränzt, wovon die Lehrer des Naturrechts in ihren Büchern<lb/> reden, wenn ſie behaupten: Jeder Menſch ſey von Natur frey<lb/> geboren. Die ächte Freyheit kann nur vernünftig und ſocial<lb/> ſeyn, und blos der iſt vernunftig und ſocial, der im gleichen<lb/> Schritte mit dem höchſten Grade der Kultur ſeines Jahrhun-<lb/> derts fortſchreitet. Folglich iſt auch ſogar der Begriff der Frey-<lb/> heit relativ. Ich mag dieſen Gedanken hier nicht verfolgen:<lb/> in dem Kapitel aber, worin ich meinen Leſern die wahren<lb/> franzöſiſchen Begriffe von Freyheit mittheilen werde, ſollen ſie<lb/> auch die Folgerungen dieſer Grundſätze finden.</note> Volk ſo lange frey geblieben,<lb/> daß es ſich haͤtte moraliſch beſſern koͤnnen. Aller<lb/> deſpotiſche Zwang macht die Menſchen boͤſe: denn<lb/> er macht ſie zu Heuchlern, und zerſtoͤrt in ihnen jene<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [324/0328]
daß aber dieſe mit der Zeit ihre vortrefflichen Fol-
gen ſo allgemein in der franzoͤſiſchen Republik, und
bey allen kuͤnftighin freywerdenden Voͤlkern bewei-
ſen wuͤrde, daß ſelbſt alle buͤrgerlichen Poͤnalgeſetze
uͤberfluͤßig ſeyn wuͤrden. Ich widerſprach ihm im-
mer, und berief mich auf die Schwachheit der
menſchlichen Natur, und auf die Geſchichte aller
Voͤlker und aller Zeiten. Was willſt Du? — ſo
antwortete er mir immer mit Feuer — du berufeſt
dich auf die Geſchichte aller Zeiten, und du haſt
Recht: denn bisher iſt auf der weiten Erde noch
kein freyes Volk geweſen, wenigſtes iſt noch kein
kultivirtes *) Volk ſo lange frey geblieben,
daß es ſich haͤtte moraliſch beſſern koͤnnen. Aller
deſpotiſche Zwang macht die Menſchen boͤſe: denn
er macht ſie zu Heuchlern, und zerſtoͤrt in ihnen jene
*) Ich glaube, daß der Hauptmann Landrin ſehr Recht hatte,
die Freyheit einer kultivirten Nation von der Freyheit, oder
vielmehr von der Zügelloſigkeit einer rohen Horde wilder Men-
ſchen zu unterſcheiden. Jene verdient erſt mit Grund den Na-
men Freyheit, da hingegen dieſe ſo ziemlich an die Freyheit
gränzt, wovon die Lehrer des Naturrechts in ihren Büchern
reden, wenn ſie behaupten: Jeder Menſch ſey von Natur frey
geboren. Die ächte Freyheit kann nur vernünftig und ſocial
ſeyn, und blos der iſt vernunftig und ſocial, der im gleichen
Schritte mit dem höchſten Grade der Kultur ſeines Jahrhun-
derts fortſchreitet. Folglich iſt auch ſogar der Begriff der Frey-
heit relativ. Ich mag dieſen Gedanken hier nicht verfolgen:
in dem Kapitel aber, worin ich meinen Leſern die wahren
franzöſiſchen Begriffe von Freyheit mittheilen werde, ſollen ſie
auch die Folgerungen dieſer Grundſätze finden.
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