laufen, wo sie sichs wohl seyn ließen. Landrin gerieth natürlich in Hitze, fluchte aber mehr auf die Volontärs, welche die Leute durchgelassen hat- ten, als auf die Deserteurs. Ich mußte in der Schenke, in seinem Beyseyn, den Burschen eine derbe Strafpredigt halten, und sie bedrohen, daß er sie zu Besancon als Meutmacher angeben würde, wenn so was noch einmal geschähe. Hierauf muß- ten sie wieder in den Schafstall.
Der kaiserliche Leutnant Zimmer gab dem Hauptmann durch Zeichen zu verstehen, daß man die Kerls tüchtig durchprügeln sollte, und ich er- klärte ihm dieses näher. Aber Landrin verwarf den Wink mit Unwillen. Die Hunde schlägt man, sagte er, und nicht die Menschen: diese straft man nach den Gesetzen, oder geht das nicht an, so wehrt man sich gegen sie, und sticht sie im Fall der Noth wohl auch auf der Stelle nieder. Einen Menschen zu ermorden, der mich gröblich beleidigt, wäre mir eine Kleinigkeit; aber einen Menschen mit Stockprügeln zu strafen, würde ich mich ewig schämen.
Ueberhaupt hatte der Hauptmann Landrin seltsame Begriffe, worüber wir auf dem Marsche oft disputirten, und wobey er recht in Feuer kam. Er meynte nämlich, daß persönliche und gesetzliche Freyheit die einzige Quelle aller Moralität sey,
laufen, wo ſie ſichs wohl ſeyn ließen. Landrin gerieth natuͤrlich in Hitze, fluchte aber mehr auf die Volontaͤrs, welche die Leute durchgelaſſen hat- ten, als auf die Deſerteurs. Ich mußte in der Schenke, in ſeinem Beyſeyn, den Burſchen eine derbe Strafpredigt halten, und ſie bedrohen, daß er ſie zu Beſançon als Meutmacher angeben wuͤrde, wenn ſo was noch einmal geſchaͤhe. Hierauf muß- ten ſie wieder in den Schafſtall.
Der kaiſerliche Leutnant Zimmer gab dem Hauptmann durch Zeichen zu verſtehen, daß man die Kerls tuͤchtig durchpruͤgeln ſollte, und ich er- klaͤrte ihm dieſes naͤher. Aber Landrin verwarf den Wink mit Unwillen. Die Hunde ſchlaͤgt man, ſagte er, und nicht die Menſchen: dieſe ſtraft man nach den Geſetzen, oder geht das nicht an, ſo wehrt man ſich gegen ſie, und ſticht ſie im Fall der Noth wohl auch auf der Stelle nieder. Einen Menſchen zu ermorden, der mich groͤblich beleidigt, waͤre mir eine Kleinigkeit; aber einen Menſchen mit Stockpruͤgeln zu ſtrafen, wuͤrde ich mich ewig ſchaͤmen.
Ueberhaupt hatte der Hauptmann Landrin ſeltſame Begriffe, woruͤber wir auf dem Marſche oft diſputirten, und wobey er recht in Feuer kam. Er meynte naͤmlich, daß perſoͤnliche und geſetzliche Freyheit die einzige Quelle aller Moralitaͤt ſey,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0327"n="323"/>
laufen, wo ſie ſichs wohl ſeyn ließen. <hirendition="#g">Landrin</hi><lb/>
gerieth natuͤrlich in Hitze, fluchte aber mehr auf<lb/>
die Volontaͤrs, welche die Leute durchgelaſſen hat-<lb/>
ten, als auf die Deſerteurs. Ich mußte in der<lb/>
Schenke, in ſeinem Beyſeyn, den Burſchen eine<lb/>
derbe Strafpredigt halten, und ſie bedrohen, daß<lb/>
er ſie zu Beſançon als Meutmacher angeben wuͤrde,<lb/>
wenn ſo was noch einmal geſchaͤhe. Hierauf muß-<lb/>
ten ſie wieder in den Schafſtall.</p><lb/><p>Der kaiſerliche Leutnant <hirendition="#g">Zimmer</hi> gab dem<lb/>
Hauptmann durch Zeichen zu verſtehen, daß man<lb/>
die Kerls tuͤchtig durchpruͤgeln ſollte, und ich er-<lb/>
klaͤrte ihm dieſes naͤher. Aber <hirendition="#g">Landrin</hi> verwarf<lb/>
den Wink mit Unwillen. Die Hunde ſchlaͤgt man,<lb/>ſagte er, und nicht die Menſchen: dieſe ſtraft man<lb/>
nach den Geſetzen, oder geht das nicht an, ſo<lb/>
wehrt man ſich gegen ſie, und ſticht ſie im Fall der<lb/>
Noth wohl auch auf der Stelle nieder. Einen<lb/>
Menſchen zu ermorden, der mich groͤblich beleidigt,<lb/>
waͤre mir eine Kleinigkeit; aber einen Menſchen<lb/>
mit Stockpruͤgeln zu ſtrafen, wuͤrde ich mich ewig<lb/>ſchaͤmen.</p><lb/><p>Ueberhaupt hatte der Hauptmann <hirendition="#g">Landrin</hi><lb/>ſeltſame Begriffe, woruͤber wir auf dem Marſche<lb/>
oft diſputirten, und wobey er recht in Feuer kam.<lb/>
Er meynte naͤmlich, daß perſoͤnliche und geſetzliche<lb/>
Freyheit die einzige Quelle aller Moralitaͤt ſey,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[323/0327]
laufen, wo ſie ſichs wohl ſeyn ließen. Landrin
gerieth natuͤrlich in Hitze, fluchte aber mehr auf
die Volontaͤrs, welche die Leute durchgelaſſen hat-
ten, als auf die Deſerteurs. Ich mußte in der
Schenke, in ſeinem Beyſeyn, den Burſchen eine
derbe Strafpredigt halten, und ſie bedrohen, daß
er ſie zu Beſançon als Meutmacher angeben wuͤrde,
wenn ſo was noch einmal geſchaͤhe. Hierauf muß-
ten ſie wieder in den Schafſtall.
Der kaiſerliche Leutnant Zimmer gab dem
Hauptmann durch Zeichen zu verſtehen, daß man
die Kerls tuͤchtig durchpruͤgeln ſollte, und ich er-
klaͤrte ihm dieſes naͤher. Aber Landrin verwarf
den Wink mit Unwillen. Die Hunde ſchlaͤgt man,
ſagte er, und nicht die Menſchen: dieſe ſtraft man
nach den Geſetzen, oder geht das nicht an, ſo
wehrt man ſich gegen ſie, und ſticht ſie im Fall der
Noth wohl auch auf der Stelle nieder. Einen
Menſchen zu ermorden, der mich groͤblich beleidigt,
waͤre mir eine Kleinigkeit; aber einen Menſchen
mit Stockpruͤgeln zu ſtrafen, wuͤrde ich mich ewig
ſchaͤmen.
Ueberhaupt hatte der Hauptmann Landrin
ſeltſame Begriffe, woruͤber wir auf dem Marſche
oft diſputirten, und wobey er recht in Feuer kam.
Er meynte naͤmlich, daß perſoͤnliche und geſetzliche
Freyheit die einzige Quelle aller Moralitaͤt ſey,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/327>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.