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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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hätten diese Leute auch soviel Unterricht erhalten
sollen, um etwan aus zehn Predigten die eilfte zu-
sammen zu stoppeln! Die Schulen waren in so
schlechter Verfassung, als unwissend die Lehrer in
denselben waren. Das Non plus ultra alles Wis-
sens beschränkte sich höchstens auf etliche lateinische
Phrasen. -- Und fast auf die nämliche Art sah es
auch seit langer Zeit in allen französischen Schulen,
Gymnasien und Universitäten aus, so daß ich ge-
wiß nicht zuviel behaupte, wenn ich sage: die Wis-
senschaften seyen bey uns seit mehr als einem hal-
ben Jahrhunderte her gänzlich in Verfall gerathen.
Und dieß ist auch das Urtheil des großen Abbe
Raynal, das er schon vor mehreren Jahren ge-
äußert hat. Gewiß, unsere dermaligen Unruhen
haben wir der seit Jahren her so ganz vernachläs-
sigten Erziehung, der Verachtung der Wissenschaf-
ten, und der unverzeihlichen Trägheit der Seelsor-
ger, Bischöfe und anderer Aufseher über die Schu-
len zu verdanken."

Das Volk war nämlich äußerst kurzsichtig und
intolerant geblieben, und hing ganz ab von seinem
Leithammel, dem noch ärgern Priester. Es sah
also die Nothwendigkeit und die Wohlthat der Re-
volution für sich nicht ein, und blieb widersetzlich.
Diese Volksblindheit benuzte der verruchte und ver-
buhlte Kardinal Rohan, als Erzbischof zu Stras-

haͤtten dieſe Leute auch ſoviel Unterricht erhalten
ſollen, um etwan aus zehn Predigten die eilfte zu-
ſammen zu ſtoppeln! Die Schulen waren in ſo
ſchlechter Verfaſſung, als unwiſſend die Lehrer in
denſelben waren. Das Non plus ultra alles Wiſ-
ſens beſchraͤnkte ſich hoͤchſtens auf etliche lateiniſche
Phraſen. — Und faſt auf die naͤmliche Art ſah es
auch ſeit langer Zeit in allen franzoͤſiſchen Schulen,
Gymnaſien und Univerſitaͤten aus, ſo daß ich ge-
wiß nicht zuviel behaupte, wenn ich ſage: die Wiſ-
ſenſchaften ſeyen bey uns ſeit mehr als einem hal-
ben Jahrhunderte her gaͤnzlich in Verfall gerathen.
Und dieß iſt auch das Urtheil des großen Abbe
Raynal, das er ſchon vor mehreren Jahren ge-
aͤußert hat. Gewiß, unſere dermaligen Unruhen
haben wir der ſeit Jahren her ſo ganz vernachlaͤſ-
ſigten Erziehung, der Verachtung der Wiſſenſchaf-
ten, und der unverzeihlichen Traͤgheit der Seelſor-
ger, Biſchoͤfe und anderer Aufſeher uͤber die Schu-
len zu verdanken.“

Das Volk war naͤmlich aͤußerſt kurzſichtig und
intolerant geblieben, und hing ganz ab von ſeinem
Leithammel, dem noch aͤrgern Prieſter. Es ſah
alſo die Nothwendigkeit und die Wohlthat der Re-
volution fuͤr ſich nicht ein, und blieb widerſetzlich.
Dieſe Volksblindheit benuzte der verruchte und ver-
buhlte Kardinal Rohan, als Erzbiſchof zu Stras-

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[317/0321] haͤtten dieſe Leute auch ſoviel Unterricht erhalten ſollen, um etwan aus zehn Predigten die eilfte zu- ſammen zu ſtoppeln! Die Schulen waren in ſo ſchlechter Verfaſſung, als unwiſſend die Lehrer in denſelben waren. Das Non plus ultra alles Wiſ- ſens beſchraͤnkte ſich hoͤchſtens auf etliche lateiniſche Phraſen. — Und faſt auf die naͤmliche Art ſah es auch ſeit langer Zeit in allen franzoͤſiſchen Schulen, Gymnaſien und Univerſitaͤten aus, ſo daß ich ge- wiß nicht zuviel behaupte, wenn ich ſage: die Wiſ- ſenſchaften ſeyen bey uns ſeit mehr als einem hal- ben Jahrhunderte her gaͤnzlich in Verfall gerathen. Und dieß iſt auch das Urtheil des großen Abbe Raynal, das er ſchon vor mehreren Jahren ge- aͤußert hat. Gewiß, unſere dermaligen Unruhen haben wir der ſeit Jahren her ſo ganz vernachlaͤſ- ſigten Erziehung, der Verachtung der Wiſſenſchaf- ten, und der unverzeihlichen Traͤgheit der Seelſor- ger, Biſchoͤfe und anderer Aufſeher uͤber die Schu- len zu verdanken.“ Das Volk war naͤmlich aͤußerſt kurzſichtig und intolerant geblieben, und hing ganz ab von ſeinem Leithammel, dem noch aͤrgern Prieſter. Es ſah alſo die Nothwendigkeit und die Wohlthat der Re- volution fuͤr ſich nicht ein, und blieb widerſetzlich. Dieſe Volksblindheit benuzte der verruchte und ver- buhlte Kardinal Rohan, als Erzbiſchof zu Stras-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/321>, abgerufen am 18.05.2024.