Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

das Jahr vorher dazu ernannt war. "Ich will
nichts, sagte er in seiner Rede an die Volksgesell-
schaft, als eine einzige, unzertreunliche Republik:
weg mit Menschenwillkühr: das Gesetz al-
lein muß herrschen! Die Bosheit beuge ihr
Haupt vor dem Gesetze, oder stürze hin unter dem
Beile der Gerechtigkeit. Ich will nichts als Ge-
rechtigkeit. Dazu verpflichte ich mich feierlich.
Handle ich je dawider, so betrachtet mich als ei-
nen Verräther: so fliege mein Kopf hin aufs Blut-
gerüst!"

Die öffentlichen Angelegenheiten lagen ihm nä-
her am Herzen als seine eignen. Er wußte, daß
man recht darauf ausging, ihn durch die schänd-
lichsten Gerüchte zu stürzen, und doch gab er sich
nicht immer Mühe genug, sie zu entkräften. So
wurde unter andern einmal ausgesprengt: er wolle
in seiner nächsten Predigt darthun, es gäbe keinen
Gott. Einige Freywillige glaubten das, und
schwuren, den Vikar auf der Kanzel zu erschießen.
Schneiders Predigt hätte jezt gerade das Da-
seyn Gottes beweisen sollen; aber sie handelte von
der Rache des Weisen und des Christen, und em-
pfahl großmüthige Vergebung. Das Gerücht
blieb nun im Gange, faßte festen Fuß, und
Schneider ward, ob er gleich nichts weniger

Vierter Theil. P

das Jahr vorher dazu ernannt war. „Ich will
nichts, ſagte er in ſeiner Rede an die Volksgeſell-
ſchaft, als eine einzige, unzertreunliche Republik:
weg mit Menſchenwillkuͤhr: das Geſetz al-
lein muß herrſchen! Die Bosheit beuge ihr
Haupt vor dem Geſetze, oder ſtuͤrze hin unter dem
Beile der Gerechtigkeit. Ich will nichts als Ge-
rechtigkeit. Dazu verpflichte ich mich feierlich.
Handle ich je dawider, ſo betrachtet mich als ei-
nen Verraͤther: ſo fliege mein Kopf hin aufs Blut-
geruͤſt!“

Die oͤffentlichen Angelegenheiten lagen ihm naͤ-
her am Herzen als ſeine eignen. Er wußte, daß
man recht darauf ausging, ihn durch die ſchaͤnd-
lichſten Geruͤchte zu ſtuͤrzen, und doch gab er ſich
nicht immer Muͤhe genug, ſie zu entkraͤften. So
wurde unter andern einmal ausgeſprengt: er wolle
in ſeiner naͤchſten Predigt darthun, es gaͤbe keinen
Gott. Einige Freywillige glaubten das, und
ſchwuren, den Vikar auf der Kanzel zu erſchießen.
Schneiders Predigt haͤtte jezt gerade das Da-
ſeyn Gottes beweiſen ſollen; aber ſie handelte von
der Rache des Weiſen und des Chriſten, und em-
pfahl großmuͤthige Vergebung. Das Geruͤcht
blieb nun im Gange, faßte feſten Fuß, und
Schneider ward, ob er gleich nichts weniger

Vierter Theil. P
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0229" n="225"/>
das Jahr vorher dazu ernannt war. &#x201E;Ich will<lb/>
nichts, &#x017F;agte er in &#x017F;einer Rede an die Volksge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft, als eine einzige, unzertreunliche Republik:<lb/>
weg mit <hi rendition="#g">Men&#x017F;chenwillku&#x0364;hr</hi>: das <hi rendition="#g">Ge&#x017F;etz al</hi>-<lb/><hi rendition="#g">lein</hi> muß herr&#x017F;chen! Die Bosheit beuge ihr<lb/>
Haupt vor dem Ge&#x017F;etze, oder &#x017F;tu&#x0364;rze hin unter dem<lb/>
Beile der Gerechtigkeit. Ich will nichts als Ge-<lb/>
rechtigkeit. Dazu verpflichte ich mich feierlich.<lb/>
Handle ich je dawider, &#x017F;o betrachtet mich als ei-<lb/>
nen Verra&#x0364;ther: &#x017F;o fliege mein Kopf hin aufs Blut-<lb/>
geru&#x0364;&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die o&#x0364;ffentlichen Angelegenheiten lagen ihm na&#x0364;-<lb/>
her am Herzen als &#x017F;eine eignen. Er wußte, daß<lb/>
man recht darauf ausging, ihn durch die &#x017F;cha&#x0364;nd-<lb/>
lich&#x017F;ten Geru&#x0364;chte zu &#x017F;tu&#x0364;rzen, und doch gab er &#x017F;ich<lb/>
nicht immer Mu&#x0364;he genug, &#x017F;ie zu entkra&#x0364;ften. So<lb/>
wurde unter andern einmal ausge&#x017F;prengt: er wolle<lb/>
in &#x017F;einer na&#x0364;ch&#x017F;ten Predigt darthun, es ga&#x0364;be keinen<lb/>
Gott. Einige Freywillige glaubten das, und<lb/>
&#x017F;chwuren, den Vikar auf der Kanzel zu er&#x017F;chießen.<lb/><hi rendition="#g">Schneiders</hi> Predigt ha&#x0364;tte jezt gerade das Da-<lb/>
&#x017F;eyn Gottes bewei&#x017F;en &#x017F;ollen; aber &#x017F;ie handelte von<lb/>
der Rache des Wei&#x017F;en und des Chri&#x017F;ten, und em-<lb/>
pfahl großmu&#x0364;thige Vergebung. Das Geru&#x0364;cht<lb/>
blieb nun im Gange, faßte fe&#x017F;ten Fuß, und<lb/><hi rendition="#g">Schneider</hi> ward, ob er gleich nichts weniger<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Vierter Theil. P</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0229] das Jahr vorher dazu ernannt war. „Ich will nichts, ſagte er in ſeiner Rede an die Volksgeſell- ſchaft, als eine einzige, unzertreunliche Republik: weg mit Menſchenwillkuͤhr: das Geſetz al- lein muß herrſchen! Die Bosheit beuge ihr Haupt vor dem Geſetze, oder ſtuͤrze hin unter dem Beile der Gerechtigkeit. Ich will nichts als Ge- rechtigkeit. Dazu verpflichte ich mich feierlich. Handle ich je dawider, ſo betrachtet mich als ei- nen Verraͤther: ſo fliege mein Kopf hin aufs Blut- geruͤſt!“ Die oͤffentlichen Angelegenheiten lagen ihm naͤ- her am Herzen als ſeine eignen. Er wußte, daß man recht darauf ausging, ihn durch die ſchaͤnd- lichſten Geruͤchte zu ſtuͤrzen, und doch gab er ſich nicht immer Muͤhe genug, ſie zu entkraͤften. So wurde unter andern einmal ausgeſprengt: er wolle in ſeiner naͤchſten Predigt darthun, es gaͤbe keinen Gott. Einige Freywillige glaubten das, und ſchwuren, den Vikar auf der Kanzel zu erſchießen. Schneiders Predigt haͤtte jezt gerade das Da- ſeyn Gottes beweiſen ſollen; aber ſie handelte von der Rache des Weiſen und des Chriſten, und em- pfahl großmuͤthige Vergebung. Das Geruͤcht blieb nun im Gange, faßte feſten Fuß, und Schneider ward, ob er gleich nichts weniger Vierter Theil. P

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/229
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/229>, abgerufen am 09.05.2024.