Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Behauptung wird denen gewiß sehr paradox vor-
kommen, welche sich haben weiß machen lassen,
daß man da auseinander laufen könne, wie's ei-
nem beliebt, und daß der geringste Unwillen oder
Ueberdruß schon hinlänglich sey, sich zu trennen.

Der Bürger Senard, erst öffentlicher An-
kläger zu Dijon, hernach Procurator am tribunal
criminel
, war ehedem Advokat am Parlement zu
Dijon. Dieser versicherte mich, daß sonst vierzig
seines Gleichen am Parlemente gewesen wären,
deren jeder das Jahr über wenigstens 20 Eheschei-
dungen in der Provinz oder dem Gouvernement
Burgund zu Stande gebracht hätte. Das mach-
te also das Jahr hindurch über 800 Ehescheidun-
gen in Einer Provinz. Diese Scheidungen wa-
ren freilich, nach dem katholischen Kirchen-Rechte,
nur von Tisch und Bette; aber desto schädlicher
waren sie, indem sie nun eine anderweitige Ehe-
verbindung verhinderten, und so alle Unordnungen
und Ausschweifungen gleichsam nothwendig mach-
ten, und den Wohlstand sehr vieler Familien un-
tergruben. Wir haben ja in Deutschland derglei-
chen auch, und es wäre zu wünschen, daß man
die Leute bey Ehescheidungen, wenn doch geschie-
den werden soll, so auseinander sezte, daß sie von
beyden Seiten wieder heurathen könnten.


Behauptung wird denen gewiß ſehr paradox vor-
kommen, welche ſich haben weiß machen laſſen,
daß man da auseinander laufen koͤnne, wie's ei-
nem beliebt, und daß der geringſte Unwillen oder
Ueberdruß ſchon hinlaͤnglich ſey, ſich zu trennen.

Der Buͤrger Sénard, erſt oͤffentlicher An-
klaͤger zu Dijon, hernach Procurator am tribunal
criminel
, war ehedem Advokat am Parlement zu
Dijon. Dieſer verſicherte mich, daß ſonſt vierzig
ſeines Gleichen am Parlemente geweſen waͤren,
deren jeder das Jahr uͤber wenigſtens 20 Eheſchei-
dungen in der Provinz oder dem Gouvernement
Burgund zu Stande gebracht haͤtte. Das mach-
te alſo das Jahr hindurch uͤber 800 Eheſcheidun-
gen in Einer Provinz. Dieſe Scheidungen wa-
ren freilich, nach dem katholiſchen Kirchen-Rechte,
nur von Tiſch und Bette; aber deſto ſchaͤdlicher
waren ſie, indem ſie nun eine anderweitige Ehe-
verbindung verhinderten, und ſo alle Unordnungen
und Ausſchweifungen gleichſam nothwendig mach-
ten, und den Wohlſtand ſehr vieler Familien un-
tergruben. Wir haben ja in Deutſchland derglei-
chen auch, und es waͤre zu wuͤnſchen, daß man
die Leute bey Eheſcheidungen, wenn doch geſchie-
den werden ſoll, ſo auseinander ſezte, daß ſie von
beyden Seiten wieder heurathen koͤnnten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="139"/>
Behauptung wird denen gewiß &#x017F;ehr paradox vor-<lb/>
kommen, welche &#x017F;ich haben weiß machen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß man da auseinander laufen ko&#x0364;nne, wie's ei-<lb/>
nem beliebt, und daß der gering&#x017F;te Unwillen oder<lb/>
Ueberdruß &#x017F;chon hinla&#x0364;nglich &#x017F;ey, &#x017F;ich zu trennen.</p><lb/>
        <p>Der Bu&#x0364;rger <hi rendition="#g">S<hi rendition="#aq">é</hi>nard</hi>, er&#x017F;t o&#x0364;ffentlicher An-<lb/>
kla&#x0364;ger zu <hi rendition="#g">Dijon</hi>, hernach Procurator am <hi rendition="#aq">tribunal<lb/>
criminel</hi>, war ehedem Advokat am Parlement zu<lb/>
Dijon. Die&#x017F;er ver&#x017F;icherte mich, daß &#x017F;on&#x017F;t vierzig<lb/>
&#x017F;eines Gleichen am Parlemente gewe&#x017F;en wa&#x0364;ren,<lb/>
deren jeder das Jahr u&#x0364;ber wenig&#x017F;tens 20 Ehe&#x017F;chei-<lb/>
dungen in der Provinz oder dem Gouvernement<lb/><hi rendition="#g">Burgund</hi> zu Stande gebracht ha&#x0364;tte. Das mach-<lb/>
te al&#x017F;o das Jahr hindurch u&#x0364;ber 800 Ehe&#x017F;cheidun-<lb/>
gen in <hi rendition="#g">Einer</hi> Provinz. Die&#x017F;e Scheidungen wa-<lb/>
ren freilich, nach dem katholi&#x017F;chen Kirchen-Rechte,<lb/>
nur von Ti&#x017F;ch und Bette; aber de&#x017F;to &#x017F;cha&#x0364;dlicher<lb/>
waren &#x017F;ie, indem &#x017F;ie nun eine anderweitige Ehe-<lb/>
verbindung verhinderten, und &#x017F;o alle Unordnungen<lb/>
und Aus&#x017F;chweifungen gleich&#x017F;am nothwendig mach-<lb/>
ten, und den Wohl&#x017F;tand &#x017F;ehr vieler Familien un-<lb/>
tergruben. Wir haben ja in Deut&#x017F;chland derglei-<lb/>
chen auch, und es wa&#x0364;re zu wu&#x0364;n&#x017F;chen, daß man<lb/>
die Leute bey Ehe&#x017F;cheidungen, wenn doch ge&#x017F;chie-<lb/>
den werden &#x017F;oll, &#x017F;o auseinander &#x017F;ezte, daß &#x017F;ie von<lb/>
beyden Seiten wieder heurathen ko&#x0364;nnten.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0143] Behauptung wird denen gewiß ſehr paradox vor- kommen, welche ſich haben weiß machen laſſen, daß man da auseinander laufen koͤnne, wie's ei- nem beliebt, und daß der geringſte Unwillen oder Ueberdruß ſchon hinlaͤnglich ſey, ſich zu trennen. Der Buͤrger Sénard, erſt oͤffentlicher An- klaͤger zu Dijon, hernach Procurator am tribunal criminel, war ehedem Advokat am Parlement zu Dijon. Dieſer verſicherte mich, daß ſonſt vierzig ſeines Gleichen am Parlemente geweſen waͤren, deren jeder das Jahr uͤber wenigſtens 20 Eheſchei- dungen in der Provinz oder dem Gouvernement Burgund zu Stande gebracht haͤtte. Das mach- te alſo das Jahr hindurch uͤber 800 Eheſcheidun- gen in Einer Provinz. Dieſe Scheidungen wa- ren freilich, nach dem katholiſchen Kirchen-Rechte, nur von Tiſch und Bette; aber deſto ſchaͤdlicher waren ſie, indem ſie nun eine anderweitige Ehe- verbindung verhinderten, und ſo alle Unordnungen und Ausſchweifungen gleichſam nothwendig mach- ten, und den Wohlſtand ſehr vieler Familien un- tergruben. Wir haben ja in Deutſchland derglei- chen auch, und es waͤre zu wuͤnſchen, daß man die Leute bey Eheſcheidungen, wenn doch geſchie- den werden ſoll, ſo auseinander ſezte, daß ſie von beyden Seiten wieder heurathen koͤnnten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/143
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/143>, abgerufen am 21.11.2024.