dem mußten noch vom 30ten bis zum 31ten Okto- ber mehr als 280 Kranke in Trier unter freyem Himmel auf der Gasse liegen bleiben: in den Hospi- tälern war für sie kein Platz mehr, und niemand wollte sie in die Häuser aufnehmen, weil es allge- mein hieß: die Preußen hätten die Pest. Es kre- pirten, ja, es krepirten diese Nacht mehr als 30 auf der Gasse. Seht Menschen, soviel gelten Eu- res Gleichen im Kriege! --
Die andern Lazarethe, die ich weiter sah, wa- ren alle von dieser Art. -- Woher kömmt aber die- ses schreckliche Uebel, wodurch der König, oder vielmehr der Staat, so viel Leute verliert? Denn in diesem Feldzuge sind sehr wenig Preußen vor dem Feinde geblieben, aber mehrere Tausend sind in den Hospitälern verreckt, deren meiste man ge- wiß hätte retten können, wenn man ihnen gehörige Pflege hätte können oder wollen angedeihen lassen?
Der Hauptfehler der Preußischen Lazarethe ist, wie mich dünkt, in der Anlage selbst zu suchen. Die Aufseher sind lauter Leute vom Militär, ohne angemeßne Erfahrung und Kenntnisse, und meist lauter solche, die sich da bereichern wollen. Ihre Besoldung ist schlecht, und doch kommen sie, wenn sie auch nicht lange darin sind, und blutarm hin- einkamen, allemal mit vollem Beutel heraus. Es muß also an der Subsistenz der Kranken defrandirt
dem mußten noch vom 30ten bis zum 31ten Okto- ber mehr als 280 Kranke in Trier unter freyem Himmel auf der Gaſſe liegen bleiben: in den Hoſpi- taͤlern war fuͤr ſie kein Platz mehr, und niemand wollte ſie in die Haͤuſer aufnehmen, weil es allge- mein hieß: die Preußen haͤtten die Peſt. Es kre- pirten, ja, es krepirten dieſe Nacht mehr als 30 auf der Gaſſe. Seht Menſchen, ſoviel gelten Eu- res Gleichen im Kriege! —
Die andern Lazarethe, die ich weiter ſah, wa- ren alle von dieſer Art. — Woher koͤmmt aber die- ſes ſchreckliche Uebel, wodurch der Koͤnig, oder vielmehr der Staat, ſo viel Leute verliert? Denn in dieſem Feldzuge ſind ſehr wenig Preußen vor dem Feinde geblieben, aber mehrere Tauſend ſind in den Hoſpitaͤlern verreckt, deren meiſte man ge- wiß haͤtte retten koͤnnen, wenn man ihnen gehoͤrige Pflege haͤtte koͤnnen oder wollen angedeihen laſſen?
Der Hauptfehler der Preußiſchen Lazarethe iſt, wie mich duͤnkt, in der Anlage ſelbſt zu ſuchen. Die Aufſeher ſind lauter Leute vom Militaͤr, ohne angemeßne Erfahrung und Kenntniſſe, und meiſt lauter ſolche, die ſich da bereichern wollen. Ihre Beſoldung iſt ſchlecht, und doch kommen ſie, wenn ſie auch nicht lange darin ſind, und blutarm hin- einkamen, allemal mit vollem Beutel heraus. Es muß alſo an der Subſiſtenz der Kranken defrandirt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0260"n="248"/>
dem mußten noch vom 30ten bis zum 31ten Okto-<lb/>
ber mehr als 280 Kranke in Trier unter freyem<lb/>
Himmel auf der Gaſſe liegen bleiben: in den Hoſpi-<lb/>
taͤlern war fuͤr ſie kein Platz mehr, und niemand<lb/>
wollte ſie in die Haͤuſer aufnehmen, weil es allge-<lb/>
mein hieß: die Preußen haͤtten die Peſt. Es kre-<lb/>
pirten, ja, es krepirten dieſe Nacht mehr als 30<lb/>
auf der Gaſſe. Seht Menſchen, ſoviel gelten Eu-<lb/>
res Gleichen im Kriege! —</p><lb/><p>Die andern Lazarethe, die ich weiter ſah, wa-<lb/>
ren alle von dieſer Art. — Woher koͤmmt aber die-<lb/>ſes ſchreckliche Uebel, wodurch der Koͤnig, oder<lb/>
vielmehr der Staat, ſo viel Leute verliert? Denn<lb/>
in dieſem Feldzuge ſind ſehr wenig Preußen vor<lb/>
dem Feinde geblieben, aber mehrere Tauſend ſind<lb/>
in den Hoſpitaͤlern verreckt, deren meiſte man ge-<lb/>
wiß haͤtte retten koͤnnen, wenn man ihnen gehoͤrige<lb/>
Pflege haͤtte koͤnnen oder wollen angedeihen laſſen?</p><lb/><p>Der Hauptfehler der Preußiſchen Lazarethe iſt,<lb/>
wie mich duͤnkt, in der Anlage ſelbſt zu ſuchen.<lb/>
Die Aufſeher ſind lauter Leute vom Militaͤr, ohne<lb/>
angemeßne Erfahrung und Kenntniſſe, und meiſt<lb/>
lauter ſolche, die ſich da bereichern wollen. Ihre<lb/>
Beſoldung iſt ſchlecht, und doch kommen ſie, wenn<lb/>ſie auch nicht lange darin ſind, und blutarm hin-<lb/>
einkamen, allemal mit vollem Beutel heraus. Es<lb/>
muß alſo an der Subſiſtenz der Kranken defrandirt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[248/0260]
dem mußten noch vom 30ten bis zum 31ten Okto-
ber mehr als 280 Kranke in Trier unter freyem
Himmel auf der Gaſſe liegen bleiben: in den Hoſpi-
taͤlern war fuͤr ſie kein Platz mehr, und niemand
wollte ſie in die Haͤuſer aufnehmen, weil es allge-
mein hieß: die Preußen haͤtten die Peſt. Es kre-
pirten, ja, es krepirten dieſe Nacht mehr als 30
auf der Gaſſe. Seht Menſchen, ſoviel gelten Eu-
res Gleichen im Kriege! —
Die andern Lazarethe, die ich weiter ſah, wa-
ren alle von dieſer Art. — Woher koͤmmt aber die-
ſes ſchreckliche Uebel, wodurch der Koͤnig, oder
vielmehr der Staat, ſo viel Leute verliert? Denn
in dieſem Feldzuge ſind ſehr wenig Preußen vor
dem Feinde geblieben, aber mehrere Tauſend ſind
in den Hoſpitaͤlern verreckt, deren meiſte man ge-
wiß haͤtte retten koͤnnen, wenn man ihnen gehoͤrige
Pflege haͤtte koͤnnen oder wollen angedeihen laſſen?
Der Hauptfehler der Preußiſchen Lazarethe iſt,
wie mich duͤnkt, in der Anlage ſelbſt zu ſuchen.
Die Aufſeher ſind lauter Leute vom Militaͤr, ohne
angemeßne Erfahrung und Kenntniſſe, und meiſt
lauter ſolche, die ſich da bereichern wollen. Ihre
Beſoldung iſt ſchlecht, und doch kommen ſie, wenn
ſie auch nicht lange darin ſind, und blutarm hin-
einkamen, allemal mit vollem Beutel heraus. Es
muß alſo an der Subſiſtenz der Kranken defrandirt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/260>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.