warten. Aber wie entsezte ich mich, als ich gleich beym Eingange alles von Exkrementen blank sah, und nicht einmal ein Fleckchen finden konnte, um unbesudelt hinzutreten. Der gemeine Abtritt reichte für so viele ruhrhaften Kranken unmöglich zu, auch fehlte es den meisten an Kräften, ihn zu erreichen, und Nachtstühle sah ich beynahe gar nicht. Die Unglücklichen schlichen also nur bis vor die Stube, und machten dann alles hin, wo und wie sie konnten. Es ist abscheulich, daß ich sagen muß, daß ich so- gar todte Körper in diesem Unflate liegen sah.
Ich schlüpfte schnell durch ins erste beste Zim- mer, aber da drängte sich mir auch sogleich ein solch abscheulicher mephytischer Gestank entgegen, daß ich hätte mögen in Ohnmacht sinken. Es war der Duft viel ärger, als wenn man ein Privet aus- räumt, oder über einen vollen Schindanger des Sommers geht. An Räuchern dachte man gar nicht; auch wurden die Fenster niemals geöffnet, und wo hie und da eine Scheibe fehlte, da stopfte man die Oeffnung mit Stroh und Lumpen zu.
Das Lager der Kranken war dem Vorigen ganz angemessen: die meisten lagen auf bloßem Stroh, wenige auf Strohsäcken, und viele lagen gar auf dem harten Boden. An Decken und andere zur Reinlichkeit dienliche Dinge war vollends nicht zu denken. Die armen Leute mußten sich mit
warten. Aber wie entſezte ich mich, als ich gleich beym Eingange alles von Exkrementen blank ſah, und nicht einmal ein Fleckchen finden konnte, um unbeſudelt hinzutreten. Der gemeine Abtritt reichte fuͤr ſo viele ruhrhaften Kranken unmoͤglich zu, auch fehlte es den meiſten an Kraͤften, ihn zu erreichen, und Nachtſtuͤhle ſah ich beynahe gar nicht. Die Ungluͤcklichen ſchlichen alſo nur bis vor die Stube, und machten dann alles hin, wo und wie ſie konnten. Es iſt abſcheulich, daß ich ſagen muß, daß ich ſo- gar todte Koͤrper in dieſem Unflate liegen ſah.
Ich ſchluͤpfte ſchnell durch ins erſte beſte Zim- mer, aber da draͤngte ſich mir auch ſogleich ein ſolch abſcheulicher mephytiſcher Geſtank entgegen, daß ich haͤtte moͤgen in Ohnmacht ſinken. Es war der Duft viel aͤrger, als wenn man ein Privet aus- raͤumt, oder uͤber einen vollen Schindanger des Sommers geht. An Raͤuchern dachte man gar nicht; auch wurden die Fenſter niemals geoͤffnet, und wo hie und da eine Scheibe fehlte, da ſtopfte man die Oeffnung mit Stroh und Lumpen zu.
Das Lager der Kranken war dem Vorigen ganz angemeſſen: die meiſten lagen auf bloßem Stroh, wenige auf Strohſaͤcken, und viele lagen gar auf dem harten Boden. An Decken und andere zur Reinlichkeit dienliche Dinge war vollends nicht zu denken. Die armen Leute mußten ſich mit
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0257"n="245"/>
warten. Aber wie entſezte ich mich, als ich gleich<lb/>
beym Eingange alles von Exkrementen blank ſah,<lb/>
und nicht einmal ein Fleckchen finden konnte, um<lb/>
unbeſudelt hinzutreten. Der gemeine Abtritt reichte<lb/>
fuͤr ſo viele ruhrhaften Kranken unmoͤglich zu, auch<lb/>
fehlte es den meiſten an Kraͤften, ihn zu erreichen,<lb/>
und Nachtſtuͤhle ſah ich beynahe gar nicht. Die<lb/>
Ungluͤcklichen ſchlichen alſo nur bis vor die Stube,<lb/>
und machten dann alles hin, wo und wie ſie konnten.<lb/>
Es iſt abſcheulich, daß ich ſagen muß, daß ich ſo-<lb/>
gar todte Koͤrper in dieſem Unflate liegen ſah.</p><lb/><p>Ich ſchluͤpfte ſchnell durch ins erſte beſte Zim-<lb/>
mer, aber da draͤngte ſich mir auch ſogleich ein<lb/>ſolch abſcheulicher mephytiſcher Geſtank entgegen,<lb/>
daß ich haͤtte moͤgen in Ohnmacht ſinken. Es war<lb/>
der Duft viel aͤrger, als wenn man ein Privet aus-<lb/>
raͤumt, oder uͤber einen vollen Schindanger des<lb/>
Sommers geht. An Raͤuchern dachte man gar<lb/>
nicht; auch wurden die Fenſter niemals geoͤffnet,<lb/>
und wo hie und da eine Scheibe fehlte, da ſtopfte<lb/>
man die Oeffnung mit Stroh und Lumpen zu.</p><lb/><p>Das Lager der Kranken war dem Vorigen ganz<lb/>
angemeſſen: die meiſten lagen auf bloßem Stroh,<lb/>
wenige auf Strohſaͤcken, und viele lagen gar auf<lb/>
dem harten Boden. An Decken und andere zur<lb/>
Reinlichkeit dienliche Dinge war vollends nicht<lb/>
zu denken. Die armen Leute mußten ſich mit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[245/0257]
warten. Aber wie entſezte ich mich, als ich gleich
beym Eingange alles von Exkrementen blank ſah,
und nicht einmal ein Fleckchen finden konnte, um
unbeſudelt hinzutreten. Der gemeine Abtritt reichte
fuͤr ſo viele ruhrhaften Kranken unmoͤglich zu, auch
fehlte es den meiſten an Kraͤften, ihn zu erreichen,
und Nachtſtuͤhle ſah ich beynahe gar nicht. Die
Ungluͤcklichen ſchlichen alſo nur bis vor die Stube,
und machten dann alles hin, wo und wie ſie konnten.
Es iſt abſcheulich, daß ich ſagen muß, daß ich ſo-
gar todte Koͤrper in dieſem Unflate liegen ſah.
Ich ſchluͤpfte ſchnell durch ins erſte beſte Zim-
mer, aber da draͤngte ſich mir auch ſogleich ein
ſolch abſcheulicher mephytiſcher Geſtank entgegen,
daß ich haͤtte moͤgen in Ohnmacht ſinken. Es war
der Duft viel aͤrger, als wenn man ein Privet aus-
raͤumt, oder uͤber einen vollen Schindanger des
Sommers geht. An Raͤuchern dachte man gar
nicht; auch wurden die Fenſter niemals geoͤffnet,
und wo hie und da eine Scheibe fehlte, da ſtopfte
man die Oeffnung mit Stroh und Lumpen zu.
Das Lager der Kranken war dem Vorigen ganz
angemeſſen: die meiſten lagen auf bloßem Stroh,
wenige auf Strohſaͤcken, und viele lagen gar auf
dem harten Boden. An Decken und andere zur
Reinlichkeit dienliche Dinge war vollends nicht
zu denken. Die armen Leute mußten ſich mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/257>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.