Hier wurden auch die Soldaten wieder munter: denn nun hieß es: noch einen Marsch, und wir sind aus Frankreich! Die guten Leute bildeten sich ein, daß, wenn sie nur aus Frankreich wären, alles Elend gleich ein Ende haben würde, und bedach- ten nicht, daß der Same zu unbeschreiblichem Un- glück, welches in der Folge auf unser liebes Va- terland fallen mußte, schon ausgestreut war, und schon Keime gewonnen hatte.
Mein Hauptmann schickte mich nach Longwy, um einiges für ihn bey einem Tischer machen zu lassen. Ich suchte in dem dort angelegten Preu- ßischen Lazarethe einen meiner Freunde, fand ihn aber nicht, aber das Lazareth hatte ich Gelegen- heit genauer zu beobachten. Ich werde in einem eig- nen Kapitel von dem unbeschreiblichen Elende reden, das in den Preußischen Lazarethen damals herrschte, und laße also hier weg, was ich in der Mörder- grube zu Longwy gesehn habe.
Der Tischer war ein gescheider Mann, und sprach von den Angelegenheitn der Zeit recht artig und bescheiden; aber sein Schwager, ein Gerber, welchem die Preußen sein Leder genommen und nicht bezahlt hatten, räsonnirte bitter und schalt auf die Preußen derb, noch derber aber auf die Oest- reicher. Ich remonstrirte dem Menschenkinde, daß es unklug sey auf die Preußen zu schimpfen,
Hier wurden auch die Soldaten wieder munter: denn nun hieß es: noch einen Marſch, und wir ſind aus Frankreich! Die guten Leute bildeten ſich ein, daß, wenn ſie nur aus Frankreich waͤren, alles Elend gleich ein Ende haben wuͤrde, und bedach- ten nicht, daß der Same zu unbeſchreiblichem Un- gluͤck, welches in der Folge auf unſer liebes Va- terland fallen mußte, ſchon ausgeſtreut war, und ſchon Keime gewonnen hatte.
Mein Hauptmann ſchickte mich nach Longwy, um einiges fuͤr ihn bey einem Tiſcher machen zu laſſen. Ich ſuchte in dem dort angelegten Preu- ßiſchen Lazarethe einen meiner Freunde, fand ihn aber nicht, aber das Lazareth hatte ich Gelegen- heit genauer zu beobachten. Ich werde in einem eig- nen Kapitel von dem unbeſchreiblichen Elende reden, das in den Preußiſchen Lazarethen damals herrſchte, und laße alſo hier weg, was ich in der Moͤrder- grube zu Longwy geſehn habe.
Der Tiſcher war ein geſcheider Mann, und ſprach von den Angelegenheitn der Zeit recht artig und beſcheiden; aber ſein Schwager, ein Gerber, welchem die Preußen ſein Leder genommen und nicht bezahlt hatten, raͤſonnirte bitter und ſchalt auf die Preußen derb, noch derber aber auf die Oeſt- reicher. Ich remonſtrirte dem Menſchenkinde, daß es unklug ſey auf die Preußen zu ſchimpfen,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0232"n="220"/><p>Hier wurden auch die Soldaten wieder munter:<lb/>
denn nun hieß es: noch einen Marſch, und wir ſind<lb/>
aus Frankreich! Die guten Leute bildeten ſich ein,<lb/>
daß, wenn ſie nur aus Frankreich waͤren, alles<lb/>
Elend gleich ein Ende haben wuͤrde, und bedach-<lb/>
ten nicht, daß der Same zu unbeſchreiblichem Un-<lb/>
gluͤck, welches in der Folge auf unſer liebes Va-<lb/>
terland fallen mußte, ſchon ausgeſtreut war, und<lb/>ſchon Keime gewonnen hatte.</p><lb/><p>Mein Hauptmann ſchickte mich nach <hirendition="#g">Longwy</hi>,<lb/>
um einiges fuͤr ihn bey einem Tiſcher machen zu<lb/>
laſſen. Ich ſuchte in dem dort angelegten Preu-<lb/>
ßiſchen Lazarethe einen meiner Freunde, fand ihn<lb/>
aber nicht, aber das Lazareth hatte ich Gelegen-<lb/>
heit genauer zu beobachten. Ich werde in einem eig-<lb/>
nen Kapitel von dem unbeſchreiblichen Elende reden,<lb/>
das in den Preußiſchen Lazarethen damals herrſchte,<lb/>
und laße alſo hier weg, was ich in der Moͤrder-<lb/>
grube zu <hirendition="#g">Longwy</hi> geſehn habe.</p><lb/><p>Der Tiſcher war ein geſcheider Mann, und<lb/>ſprach von den Angelegenheitn der Zeit recht artig<lb/>
und beſcheiden; aber ſein Schwager, ein Gerber,<lb/>
welchem die Preußen ſein Leder genommen und<lb/>
nicht bezahlt hatten, raͤſonnirte bitter und ſchalt<lb/>
auf die Preußen derb, noch derber aber auf die Oeſt-<lb/>
reicher. Ich remonſtrirte dem Menſchenkinde,<lb/>
daß es unklug ſey auf die Preußen zu ſchimpfen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[220/0232]
Hier wurden auch die Soldaten wieder munter:
denn nun hieß es: noch einen Marſch, und wir ſind
aus Frankreich! Die guten Leute bildeten ſich ein,
daß, wenn ſie nur aus Frankreich waͤren, alles
Elend gleich ein Ende haben wuͤrde, und bedach-
ten nicht, daß der Same zu unbeſchreiblichem Un-
gluͤck, welches in der Folge auf unſer liebes Va-
terland fallen mußte, ſchon ausgeſtreut war, und
ſchon Keime gewonnen hatte.
Mein Hauptmann ſchickte mich nach Longwy,
um einiges fuͤr ihn bey einem Tiſcher machen zu
laſſen. Ich ſuchte in dem dort angelegten Preu-
ßiſchen Lazarethe einen meiner Freunde, fand ihn
aber nicht, aber das Lazareth hatte ich Gelegen-
heit genauer zu beobachten. Ich werde in einem eig-
nen Kapitel von dem unbeſchreiblichen Elende reden,
das in den Preußiſchen Lazarethen damals herrſchte,
und laße alſo hier weg, was ich in der Moͤrder-
grube zu Longwy geſehn habe.
Der Tiſcher war ein geſcheider Mann, und
ſprach von den Angelegenheitn der Zeit recht artig
und beſcheiden; aber ſein Schwager, ein Gerber,
welchem die Preußen ſein Leder genommen und
nicht bezahlt hatten, raͤſonnirte bitter und ſchalt
auf die Preußen derb, noch derber aber auf die Oeſt-
reicher. Ich remonſtrirte dem Menſchenkinde,
daß es unklug ſey auf die Preußen zu ſchimpfen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/232>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.