Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

so ziemlich geschont, wie man in der Folge einige
auffallende Beispiele davon sehen wird, aber viel-
leicht, um mich noch einmal weit härter mitzuneh-
men. Indeß mori nolo, sagt ein Philosoph, [ - 1 Zeichen fehlt]ed
me mortuum esse, nihil curo;
und der Mann hatte
wohl recht. Warum sollte ich es denn für ein Glück
halten, daß ich in l'Entree den Hals nicht brach
-- in Landau oder Macon nicht guillotinirt wurde,
oder daß mich der Franzose in Lyon -- wie die Folge
lehren wird -- nicht niederstach? Ich sehe das noch
nicht recht ein: aber so viel ist gewiß, daß wenn
einer von diesen Fällen mich weggerafft hätte, ich
nachher mancher trüben und kummervollen Stunde
überhoben geblieben wäre. --

Ich habe in diesem Sumpflager öfters an einen
Vorfall gedacht, der mir in Gießen schon sechs-
zehn Jahre vorher begegnet war. Ich hatte näm-
lich einst den armen Eulerkapper mitperirt, und
war auf dem Rücksprung, weil Eulerkapper mich
verfolgte, in eine Mistgrube gefallen, und ab-
scheulich besudelt. Damals lachte ich recht sehr
über meinen komischen Zufall, und rühmte mich
desselben hernach mehrmals. Jezt aber war ich
mismuthig, da man mich zwang, in Champagne
im Kothe herum zu patschen! --

Die Bauren in l'Entree hatten ihre Kirche
abgetragen, und neues Holz zur Erbauung einer

ſo ziemlich geſchont, wie man in der Folge einige
auffallende Beiſpiele davon ſehen wird, aber viel-
leicht, um mich noch einmal weit haͤrter mitzuneh-
men. Indeß mori nolo, ſagt ein Philoſoph, [ – 1 Zeichen fehlt]ed
me mortuum eſſe, nihil curo;
und der Mann hatte
wohl recht. Warum ſollte ich es denn fuͤr ein Gluͤck
halten, daß ich in l'Entrée den Hals nicht brach
— in Landau oder Mâcon nicht guillotinirt wurde,
oder daß mich der Franzoſe in Lyon — wie die Folge
lehren wird — nicht niederſtach? Ich ſehe das noch
nicht recht ein: aber ſo viel iſt gewiß, daß wenn
einer von dieſen Faͤllen mich weggerafft haͤtte, ich
nachher mancher truͤben und kummervollen Stunde
uͤberhoben geblieben waͤre. —

Ich habe in dieſem Sumpflager oͤfters an einen
Vorfall gedacht, der mir in Gießen ſchon ſechs-
zehn Jahre vorher begegnet war. Ich hatte naͤm-
lich einſt den armen Eulerkapper mitperirt, und
war auf dem Ruͤckſprung, weil Eulerkapper mich
verfolgte, in eine Miſtgrube gefallen, und ab-
ſcheulich beſudelt. Damals lachte ich recht ſehr
uͤber meinen komiſchen Zufall, und ruͤhmte mich
deſſelben hernach mehrmals. Jezt aber war ich
mismuthig, da man mich zwang, in Champagne
im Kothe herum zu patſchen! —

Die Bauren in l'Entrée hatten ihre Kirche
abgetragen, und neues Holz zur Erbauung einer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0156" n="144"/>
&#x017F;o ziemlich ge&#x017F;chont, wie man in der Folge einige<lb/>
auffallende Bei&#x017F;piele davon &#x017F;ehen wird, aber viel-<lb/>
leicht, um mich noch einmal weit ha&#x0364;rter mitzuneh-<lb/>
men. Indeß <hi rendition="#aq">mori nolo,</hi> &#x017F;agt ein Philo&#x017F;oph, <hi rendition="#aq"><gap unit="chars" quantity="1"/>ed<lb/>
me mortuum e&#x017F;&#x017F;e, nihil curo;</hi> und der Mann hatte<lb/>
wohl recht. Warum &#x017F;ollte ich es denn fu&#x0364;r ein Glu&#x0364;ck<lb/>
halten, daß ich in l'<hi rendition="#g">Entr<hi rendition="#aq">é</hi>e</hi> den Hals nicht brach<lb/>
&#x2014; in Landau oder Mâcon nicht guillotinirt wurde,<lb/>
oder daß mich der Franzo&#x017F;e in Lyon &#x2014; wie die Folge<lb/>
lehren wird &#x2014; nicht nieder&#x017F;tach? Ich &#x017F;ehe das noch<lb/>
nicht recht ein: aber &#x017F;o viel i&#x017F;t gewiß, daß wenn<lb/>
einer von die&#x017F;en Fa&#x0364;llen mich weggerafft ha&#x0364;tte, ich<lb/>
nachher mancher tru&#x0364;ben und kummervollen Stunde<lb/>
u&#x0364;berhoben geblieben wa&#x0364;re. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich habe in die&#x017F;em Sumpflager o&#x0364;fters an einen<lb/>
Vorfall gedacht, der mir in Gießen &#x017F;chon &#x017F;echs-<lb/>
zehn Jahre vorher begegnet war. Ich hatte na&#x0364;m-<lb/>
lich ein&#x017F;t den armen Eulerkapper mitperirt, und<lb/>
war auf dem Ru&#x0364;ck&#x017F;prung, weil Eulerkapper mich<lb/>
verfolgte, in eine Mi&#x017F;tgrube gefallen, und ab-<lb/>
&#x017F;cheulich be&#x017F;udelt. Damals lachte ich recht &#x017F;ehr<lb/>
u&#x0364;ber meinen komi&#x017F;chen Zufall, und ru&#x0364;hmte mich<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben hernach mehrmals. Jezt aber war ich<lb/>
mismuthig, da man mich zwang, in Champagne<lb/>
im Kothe herum zu pat&#x017F;chen! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Die Bauren in l'<hi rendition="#g">Entr<hi rendition="#aq">é</hi>e</hi> hatten ihre Kirche<lb/>
abgetragen, und neues Holz zur Erbauung einer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0156] ſo ziemlich geſchont, wie man in der Folge einige auffallende Beiſpiele davon ſehen wird, aber viel- leicht, um mich noch einmal weit haͤrter mitzuneh- men. Indeß mori nolo, ſagt ein Philoſoph, _ed me mortuum eſſe, nihil curo; und der Mann hatte wohl recht. Warum ſollte ich es denn fuͤr ein Gluͤck halten, daß ich in l'Entrée den Hals nicht brach — in Landau oder Mâcon nicht guillotinirt wurde, oder daß mich der Franzoſe in Lyon — wie die Folge lehren wird — nicht niederſtach? Ich ſehe das noch nicht recht ein: aber ſo viel iſt gewiß, daß wenn einer von dieſen Faͤllen mich weggerafft haͤtte, ich nachher mancher truͤben und kummervollen Stunde uͤberhoben geblieben waͤre. — Ich habe in dieſem Sumpflager oͤfters an einen Vorfall gedacht, der mir in Gießen ſchon ſechs- zehn Jahre vorher begegnet war. Ich hatte naͤm- lich einſt den armen Eulerkapper mitperirt, und war auf dem Ruͤckſprung, weil Eulerkapper mich verfolgte, in eine Miſtgrube gefallen, und ab- ſcheulich beſudelt. Damals lachte ich recht ſehr uͤber meinen komiſchen Zufall, und ruͤhmte mich deſſelben hernach mehrmals. Jezt aber war ich mismuthig, da man mich zwang, in Champagne im Kothe herum zu patſchen! — Die Bauren in l'Entrée hatten ihre Kirche abgetragen, und neues Holz zur Erbauung einer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/156
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/156>, abgerufen am 24.11.2024.