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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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werden. Schwer ist es, wider Leidenschaften zu pre-
digen, und die Regeln der Vernunft da gelten zu
machen, wo das Blut in Gährung ist; aber noch
schwerer ist dieses da, wo der Mangel zu schlechten
Handlungen antreibt.

Ich schrieb meinem lieben Baron meine neue
Station, welcher sehr unzufrieden damit war, und
mich blos unter der Bedingung da bleiben ließ, daß
ich ihn wöchentlich einmal besuchen sollte. Mein
Vater gab seine Einwilligung leicht, und ermahnte
mich im flüchtigsten Ton von der Welt, eine ordent-
lichere Lebensart anzufangen. Ich denke, der gute
Mann that das nur so zum Scheine, weil er glaub-
te, es sey doch jede ernsthafte Ermahnung an mir
verlohren. Wie wehe das einem Vater thun muß!

Meine Geschäfte betrieb ich Anfangs sehr ämsig.
Ich ließ mir einen grünlichen Ueberrock machen,
den ich noch in Halle getragen habe, und den der
Aufwärter in D. Semlers Haus erst vor zwei Jah-
ren völlig aufgerieben hat: kaufte mir einen runden
Hut, welchen ich mit einer goldnen Borde auszieren
ließ: und in diesem Ornate ging ich tagtäglich auf
die Jagd. Die Titulaturen Vikarius und Kan-
didat verbat ich mir überall, indem sie mich alle-
mal an meine Fatalitäten erinnerten. Ich kann eben
darum noch nicht begreifen, wie manche abgedankte
Officire und Beamte ihre Titulaturen so eifrig suchen

werden. Schwer iſt es, wider Leidenſchaften zu pre-
digen, und die Regeln der Vernunft da gelten zu
machen, wo das Blut in Gaͤhrung iſt; aber noch
ſchwerer iſt dieſes da, wo der Mangel zu ſchlechten
Handlungen antreibt.

Ich ſchrieb meinem lieben Baron meine neue
Station, welcher ſehr unzufrieden damit war, und
mich blos unter der Bedingung da bleiben ließ, daß
ich ihn woͤchentlich einmal beſuchen ſollte. Mein
Vater gab ſeine Einwilligung leicht, und ermahnte
mich im fluͤchtigſten Ton von der Welt, eine ordent-
lichere Lebensart anzufangen. Ich denke, der gute
Mann that das nur ſo zum Scheine, weil er glaub-
te, es ſey doch jede ernſthafte Ermahnung an mir
verlohren. Wie wehe das einem Vater thun muß!

Meine Geſchaͤfte betrieb ich Anfangs ſehr aͤmſig.
Ich ließ mir einen gruͤnlichen Ueberrock machen,
den ich noch in Halle getragen habe, und den der
Aufwaͤrter in D. Semlers Haus erſt vor zwei Jah-
ren voͤllig aufgerieben hat: kaufte mir einen runden
Hut, welchen ich mit einer goldnen Borde auszieren
ließ: und in dieſem Ornate ging ich tagtaͤglich auf
die Jagd. Die Titulaturen Vikarius und Kan-
didat verbat ich mir uͤberall, indem ſie mich alle-
mal an meine Fatalitaͤten erinnerten. Ich kann eben
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[7/0009] werden. Schwer iſt es, wider Leidenſchaften zu pre- digen, und die Regeln der Vernunft da gelten zu machen, wo das Blut in Gaͤhrung iſt; aber noch ſchwerer iſt dieſes da, wo der Mangel zu ſchlechten Handlungen antreibt. Ich ſchrieb meinem lieben Baron meine neue Station, welcher ſehr unzufrieden damit war, und mich blos unter der Bedingung da bleiben ließ, daß ich ihn woͤchentlich einmal beſuchen ſollte. Mein Vater gab ſeine Einwilligung leicht, und ermahnte mich im fluͤchtigſten Ton von der Welt, eine ordent- lichere Lebensart anzufangen. Ich denke, der gute Mann that das nur ſo zum Scheine, weil er glaub- te, es ſey doch jede ernſthafte Ermahnung an mir verlohren. Wie wehe das einem Vater thun muß! Meine Geſchaͤfte betrieb ich Anfangs ſehr aͤmſig. Ich ließ mir einen gruͤnlichen Ueberrock machen, den ich noch in Halle getragen habe, und den der Aufwaͤrter in D. Semlers Haus erſt vor zwei Jah- ren voͤllig aufgerieben hat: kaufte mir einen runden Hut, welchen ich mit einer goldnen Borde auszieren ließ: und in dieſem Ornate ging ich tagtaͤglich auf die Jagd. Die Titulaturen Vikarius und Kan- didat verbat ich mir uͤberall, indem ſie mich alle- mal an meine Fatalitaͤten erinnerten. Ich kann eben darum noch nicht begreifen, wie manche abgedankte Officire und Beamte ihre Titulaturen ſo eifrig ſuchen

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/9>, abgerufen am 21.11.2024.