da es Wein war, der an andern Orten kaum sechs Sols kostete. Ich bezahlte indeß. Jetzt begegnete mir der Baron von F.... Wo willst du hin? fragte er. Fort! sagte ich. Gymnich hat mich sitzen lassen und ist davon gegangen: weiß nicht, weshalb ers gethan hat! Das laß du gut seyn, antwortete er und zog mich zurück. Er forderte Wein. Ich stellte ihm vor, daß der hier nicht tauge und oben- drein weit theurer sey als anderwärts; aber er ließ sichs nicht anfechten. Nun kam Gymnich und brach- te drei Frauenzimmer mit, die er uns mit den Wor- ten vorstellte: Voila Mesrs. les demoiselles de la maison! Ich stand auf und machte meinen Lo- renz, worüber die Mädchen beinahe überlaut gelacht hätten. Sie sezten sich und waren so sittsam, daß ich gar nicht muthmaßte, wer sie eigentlich waren. Endlich redete Gymnich sie und mich in solchen Aus- drücken an, daß ich jezt begrif, was für ein Tölpel ich gewesen war, der anfänglich nichts gemerkt hat- ta. Aber wer hätte hier auch an ein solches Kreuz- erfindungsfest denken sollen! Alles so vornehm, so sittsam! Ich holte indessen meine Zotologie her- vor und benutzte sie so schön, daß die Frauenzimmer mir nicht ungeneigt zu werden schienen.
Gegen Abend wurde dieses lüsterne Haus ganz frequent. Personen aller Art versammelten sich in Menge, und das asotische Leben dauerte so fort
da es Wein war, der an andern Orten kaum ſechs Sols koſtete. Ich bezahlte indeß. Jetzt begegnete mir der Baron von F.... Wo willſt du hin? fragte er. Fort! ſagte ich. Gymnich hat mich ſitzen laſſen und iſt davon gegangen: weiß nicht, weshalb ers gethan hat! Das laß du gut ſeyn, antwortete er und zog mich zuruͤck. Er forderte Wein. Ich ſtellte ihm vor, daß der hier nicht tauge und oben- drein weit theurer ſey als anderwaͤrts; aber er ließ ſichs nicht anfechten. Nun kam Gymnich und brach- te drei Frauenzimmer mit, die er uns mit den Wor- ten vorſtellte: Voila Meſrs. les demoiſelles de la maiſon! Ich ſtand auf und machte meinen Lo- renz, woruͤber die Maͤdchen beinahe uͤberlaut gelacht haͤtten. Sie ſezten ſich und waren ſo ſittſam, daß ich gar nicht muthmaßte, wer ſie eigentlich waren. Endlich redete Gymnich ſie und mich in ſolchen Aus- druͤcken an, daß ich jezt begrif, was fuͤr ein Toͤlpel ich geweſen war, der anfaͤnglich nichts gemerkt hat- ta. Aber wer haͤtte hier auch an ein ſolches Kreuz- erfindungsfeſt denken ſollen! Alles ſo vornehm, ſo ſittſam! Ich holte indeſſen meine Zotologie her- vor und benutzte ſie ſo ſchoͤn, daß die Frauenzimmer mir nicht ungeneigt zu werden ſchienen.
Gegen Abend wurde dieſes luͤſterne Haus ganz frequent. Perſonen aller Art verſammelten ſich in Menge, und das aſotiſche Leben dauerte ſo fort
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[43/0045]
da es Wein war, der an andern Orten kaum ſechs
Sols koſtete. Ich bezahlte indeß. Jetzt begegnete
mir der Baron von F.... Wo willſt du hin?
fragte er. Fort! ſagte ich. Gymnich hat mich ſitzen
laſſen und iſt davon gegangen: weiß nicht, weshalb
ers gethan hat! Das laß du gut ſeyn, antwortete
er und zog mich zuruͤck. Er forderte Wein. Ich
ſtellte ihm vor, daß der hier nicht tauge und oben-
drein weit theurer ſey als anderwaͤrts; aber er ließ
ſichs nicht anfechten. Nun kam Gymnich und brach-
te drei Frauenzimmer mit, die er uns mit den Wor-
ten vorſtellte: Voila Meſrs. les demoiſelles de
la maiſon! Ich ſtand auf und machte meinen Lo-
renz, woruͤber die Maͤdchen beinahe uͤberlaut gelacht
haͤtten. Sie ſezten ſich und waren ſo ſittſam, daß
ich gar nicht muthmaßte, wer ſie eigentlich waren.
Endlich redete Gymnich ſie und mich in ſolchen Aus-
druͤcken an, daß ich jezt begrif, was fuͤr ein Toͤlpel
ich geweſen war, der anfaͤnglich nichts gemerkt hat-
ta. Aber wer haͤtte hier auch an ein ſolches Kreuz-
erfindungsfeſt denken ſollen! Alles ſo vornehm, ſo
ſittſam! Ich holte indeſſen meine Zotologie her-
vor und benutzte ſie ſo ſchoͤn, daß die Frauenzimmer
mir nicht ungeneigt zu werden ſchienen.
Gegen Abend wurde dieſes luͤſterne Haus ganz
frequent. Perſonen aller Art verſammelten ſich
in Menge, und das aſotiſche Leben dauerte ſo fort
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/45>, abgerufen am 24.11.2024.
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