Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

mal so schlecht, als anderswo; und doch noch ein-
mal so theuer. Nun kommt es darauf an, ob der
angehaltene Mosjeh so galant ist, daß er dem Nymph-
chen willfährt, oder nicht. Im erstern Falle bleibt
das Mädchen bei ihm, streichelt ihm die Backen,
nennt ihn allerliebst -- bis ihre Viktualien verzehrt
sind, oder jemand anders zu einem ernstlichern Ge-
schäft sie auffordert. Im andern Fall trollt sich das
Kreatürchen gleich, und sucht eine willfährigere Ge-
sellschaft. Und auf diese letztere Weise kann man
ganz ungestört in einem Bordelle sitzen, seine Pfeife
rauchen, und dem Spektakel zusehen, ohne daß man
nöthig habe, der niedern Wollust zu fröhnen, oder
etwas mehr, als das, was man selbst verzehrt, zu
bezahlen.

Es wird überhaupt in Berlin gar nicht für an-
stößig oder schändlich gehalten, in ein Bordel zu
gehen. Viele, selbst angesehene Ehemänner gehen
dahin; und kein Mensch, selbst ihre Weiber, nehmen
ihnen das nicht übel. Man weis, daß der Zehnte
blos aus Neugierde hingeht, oder zum Zeitver-
treib. -- Sonst rühmt man, daß wegen der stren-
gen Aufsicht niemand Gefahr laufe, in einem Berli-
nischen Bordel inficirt zu werden, oder doch nur
sehr selten. Allein welcher Arzt kann hierüber mit
Gewißheit entscheiden! wenigstens in den gemeinen
Bufkellern habe ich das Gegentheil bemerkt. Viele

mal ſo ſchlecht, als anderswo; und doch noch ein-
mal ſo theuer. Nun kommt es darauf an, ob der
angehaltene Mosjeh ſo galant iſt, daß er dem Nymph-
chen willfaͤhrt, oder nicht. Im erſtern Falle bleibt
das Maͤdchen bei ihm, ſtreichelt ihm die Backen,
nennt ihn allerliebſt — bis ihre Viktualien verzehrt
ſind, oder jemand anders zu einem ernſtlichern Ge-
ſchaͤft ſie auffordert. Im andern Fall trollt ſich das
Kreatuͤrchen gleich, und ſucht eine willfaͤhrigere Ge-
ſellſchaft. Und auf dieſe letztere Weiſe kann man
ganz ungeſtoͤrt in einem Bordelle ſitzen, ſeine Pfeife
rauchen, und dem Spektakel zuſehen, ohne daß man
noͤthig habe, der niedern Wolluſt zu froͤhnen, oder
etwas mehr, als das, was man ſelbſt verzehrt, zu
bezahlen.

Es wird uͤberhaupt in Berlin gar nicht fuͤr an-
ſtoͤßig oder ſchaͤndlich gehalten, in ein Bordel zu
gehen. Viele, ſelbſt angeſehene Ehemaͤnner gehen
dahin; und kein Menſch, ſelbſt ihre Weiber, nehmen
ihnen das nicht uͤbel. Man weis, daß der Zehnte
blos aus Neugierde hingeht, oder zum Zeitver-
treib. — Sonſt ruͤhmt man, daß wegen der ſtren-
gen Aufſicht niemand Gefahr laufe, in einem Berli-
niſchen Bordel inficirt zu werden, oder doch nur
ſehr ſelten. Allein welcher Arzt kann hieruͤber mit
Gewißheit entſcheiden! wenigſtens in den gemeinen
Bufkellern habe ich das Gegentheil bemerkt. Viele

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0426" n="422[424]"/>
mal &#x017F;o &#x017F;chlecht, als anderswo; und doch noch ein-<lb/>
mal &#x017F;o theuer. Nun kommt es darauf an, ob der<lb/>
angehaltene Mosjeh &#x017F;o galant i&#x017F;t, daß er dem Nymph-<lb/>
chen willfa&#x0364;hrt, oder nicht. Im er&#x017F;tern Falle bleibt<lb/>
das Ma&#x0364;dchen bei ihm, &#x017F;treichelt ihm die Backen,<lb/>
nennt ihn allerlieb&#x017F;t &#x2014; bis ihre Viktualien verzehrt<lb/>
&#x017F;ind, oder jemand anders zu einem ern&#x017F;tlichern Ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ft &#x017F;ie auffordert. Im andern Fall trollt &#x017F;ich das<lb/>
Kreatu&#x0364;rchen gleich, und &#x017F;ucht eine willfa&#x0364;hrigere Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft. Und auf die&#x017F;e letztere Wei&#x017F;e kann man<lb/>
ganz unge&#x017F;to&#x0364;rt in einem Bordelle &#x017F;itzen, &#x017F;eine Pfeife<lb/>
rauchen, und dem Spektakel zu&#x017F;ehen, ohne daß man<lb/>
no&#x0364;thig habe, der niedern Wollu&#x017F;t zu fro&#x0364;hnen, oder<lb/>
etwas mehr, als das, was man &#x017F;elb&#x017F;t verzehrt, zu<lb/>
bezahlen.</p><lb/>
        <p>Es wird u&#x0364;berhaupt in Berlin gar nicht fu&#x0364;r an-<lb/>
&#x017F;to&#x0364;ßig oder &#x017F;cha&#x0364;ndlich gehalten, in ein Bordel zu<lb/>
gehen. Viele, &#x017F;elb&#x017F;t ange&#x017F;ehene Ehema&#x0364;nner gehen<lb/>
dahin; und kein Men&#x017F;ch, &#x017F;elb&#x017F;t ihre Weiber, nehmen<lb/>
ihnen das nicht u&#x0364;bel. Man weis, daß der Zehnte<lb/>
blos aus Neugierde hingeht, oder zum Zeitver-<lb/>
treib. &#x2014; Son&#x017F;t ru&#x0364;hmt man, daß wegen der &#x017F;tren-<lb/>
gen Auf&#x017F;icht niemand Gefahr laufe, in einem Berli-<lb/>
ni&#x017F;chen Bordel inficirt zu werden, oder doch nur<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;elten. Allein welcher Arzt kann hieru&#x0364;ber mit<lb/>
Gewißheit ent&#x017F;cheiden! wenig&#x017F;tens in den gemeinen<lb/>
Bufkellern habe ich das Gegentheil bemerkt. Viele<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[422[424]/0426] mal ſo ſchlecht, als anderswo; und doch noch ein- mal ſo theuer. Nun kommt es darauf an, ob der angehaltene Mosjeh ſo galant iſt, daß er dem Nymph- chen willfaͤhrt, oder nicht. Im erſtern Falle bleibt das Maͤdchen bei ihm, ſtreichelt ihm die Backen, nennt ihn allerliebſt — bis ihre Viktualien verzehrt ſind, oder jemand anders zu einem ernſtlichern Ge- ſchaͤft ſie auffordert. Im andern Fall trollt ſich das Kreatuͤrchen gleich, und ſucht eine willfaͤhrigere Ge- ſellſchaft. Und auf dieſe letztere Weiſe kann man ganz ungeſtoͤrt in einem Bordelle ſitzen, ſeine Pfeife rauchen, und dem Spektakel zuſehen, ohne daß man noͤthig habe, der niedern Wolluſt zu froͤhnen, oder etwas mehr, als das, was man ſelbſt verzehrt, zu bezahlen. Es wird uͤberhaupt in Berlin gar nicht fuͤr an- ſtoͤßig oder ſchaͤndlich gehalten, in ein Bordel zu gehen. Viele, ſelbſt angeſehene Ehemaͤnner gehen dahin; und kein Menſch, ſelbſt ihre Weiber, nehmen ihnen das nicht uͤbel. Man weis, daß der Zehnte blos aus Neugierde hingeht, oder zum Zeitver- treib. — Sonſt ruͤhmt man, daß wegen der ſtren- gen Aufſicht niemand Gefahr laufe, in einem Berli- niſchen Bordel inficirt zu werden, oder doch nur ſehr ſelten. Allein welcher Arzt kann hieruͤber mit Gewißheit entſcheiden! wenigſtens in den gemeinen Bufkellern habe ich das Gegentheil bemerkt. Viele

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/426
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 422[424]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/426>, abgerufen am 19.05.2024.