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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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nur wenig Theologen. Diese sind lauter Schan-
zer, welche sich mit Informiren durchhelfen müs-
sen h). Diese theologischen Studenten sind das non
plus ultra
aller Schmutzerei. Sie sitzen Mittags
und Abends in den Schmudelbuden oder Garkü-
chen, verzehren da für einige Sous Gemüse und
Fleisch, und sind gekleidet, wie weiland Donkischots
Schildknappe.

Hier werden manche Leser stutzen und fragen:
wie es möglich sey, daß in einer Stadt, wo so viel
guter Ton, so viel Galanterie herrscht, die Studen-
ten doch so ein schmutziges Leben führen? -- Aber
Geduld! ich werde das Räthsel lösen. Der gute
Ton in Strasburg findet sich blos bei Katholiken
und solchen Lutheranern, die eigentlich zur Bürger-
schaft nicht gehören. Alle andern hängen an der al-
ten Mode, wovon sie nicht abweichen, aus Furcht,
alle ihre Privilegien zu verlieren, sobald sie sich nach
französischer Sitte gewöhnen würden. Daher spricht
auch ein Strasburger Philister selten französisch,
wenn er es auch noch so gut sprechen kann, und die
Bürgermädchen tragen noch ihre geflochtenen Zöpfe

h) Schanzen heißt auf gut Strasburgisch: Kinder infor-
miren; daher Schanzer ein Informator. Sonst be-
deutet schanzen in der Pfälzer Sprache -- Frohndien-
ste zur Strafe thun. -- Sehr bedeutend für die ar-
men Pädagogen!

nur wenig Theologen. Dieſe ſind lauter Schan-
zer, welche ſich mit Informiren durchhelfen muͤſ-
ſen h). Dieſe theologiſchen Studenten ſind das non
plus ultra
aller Schmutzerei. Sie ſitzen Mittags
und Abends in den Schmudelbuden oder Garkuͤ-
chen, verzehren da fuͤr einige Sous Gemuͤſe und
Fleiſch, und ſind gekleidet, wie weiland Donkiſchots
Schildknappe.

Hier werden manche Leſer ſtutzen und fragen:
wie es moͤglich ſey, daß in einer Stadt, wo ſo viel
guter Ton, ſo viel Galanterie herrſcht, die Studen-
ten doch ſo ein ſchmutziges Leben fuͤhren? — Aber
Geduld! ich werde das Raͤthſel loͤſen. Der gute
Ton in Strasburg findet ſich blos bei Katholiken
und ſolchen Lutheranern, die eigentlich zur Buͤrger-
ſchaft nicht gehoͤren. Alle andern haͤngen an der al-
ten Mode, wovon ſie nicht abweichen, aus Furcht,
alle ihre Privilegien zu verlieren, ſobald ſie ſich nach
franzoͤſiſcher Sitte gewoͤhnen wuͤrden. Daher ſpricht
auch ein Strasburger Philiſter ſelten franzoͤſiſch,
wenn er es auch noch ſo gut ſprechen kann, und die
Buͤrgermaͤdchen tragen noch ihre geflochtenen Zoͤpfe

h) Schanzen heißt auf gut Strasburgiſch: Kinder infor-
miren; daher Schanzer ein Informator. Sonſt be-
deutet ſchanzen in der Pfaͤlzer Sprache — Frohndien-
ſte zur Strafe thun. — Sehr bedeutend fuͤr die ar-
men Paͤdagogen!
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[37/0039] nur wenig Theologen. Dieſe ſind lauter Schan- zer, welche ſich mit Informiren durchhelfen muͤſ- ſen h). Dieſe theologiſchen Studenten ſind das non plus ultra aller Schmutzerei. Sie ſitzen Mittags und Abends in den Schmudelbuden oder Garkuͤ- chen, verzehren da fuͤr einige Sous Gemuͤſe und Fleiſch, und ſind gekleidet, wie weiland Donkiſchots Schildknappe. Hier werden manche Leſer ſtutzen und fragen: wie es moͤglich ſey, daß in einer Stadt, wo ſo viel guter Ton, ſo viel Galanterie herrſcht, die Studen- ten doch ſo ein ſchmutziges Leben fuͤhren? — Aber Geduld! ich werde das Raͤthſel loͤſen. Der gute Ton in Strasburg findet ſich blos bei Katholiken und ſolchen Lutheranern, die eigentlich zur Buͤrger- ſchaft nicht gehoͤren. Alle andern haͤngen an der al- ten Mode, wovon ſie nicht abweichen, aus Furcht, alle ihre Privilegien zu verlieren, ſobald ſie ſich nach franzoͤſiſcher Sitte gewoͤhnen wuͤrden. Daher ſpricht auch ein Strasburger Philiſter ſelten franzoͤſiſch, wenn er es auch noch ſo gut ſprechen kann, und die Buͤrgermaͤdchen tragen noch ihre geflochtenen Zoͤpfe h) Schanzen heißt auf gut Strasburgiſch: Kinder infor- miren; daher Schanzer ein Informator. Sonſt be- deutet ſchanzen in der Pfaͤlzer Sprache — Frohndien- ſte zur Strafe thun. — Sehr bedeutend fuͤr die ar- men Paͤdagogen!

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/39>, abgerufen am 26.04.2024.