Kenntnisse und deren Anwendung durch wohlfeilen Umlauf gemeiner zu machen; aber wer in einer sol- chen Bibliothek nichts sucht oder aufstellt, als Ro- mane, verfehlt diesen Zweck sehr: ja, Bibliotheken, die weiter nichts enthalten, als Romane, sind von keinem Nutzen, sind sogar offenbar schädlich. Sie verwöhnen die Seele zu einem unverhältnißmäßigen Gebrauch ihrer Kräfte, sie bringen ihr einen ent- scheidenden Hang bei, sich mehr mit Vorstellungen von bestimmter als unbestimmter Art abzugeben, und erhöhen dadurch die Empfindungs- und Einbildungs- kraft auf Kosten der Denkkraft oft ungeheuer. Da überdies die Gegenstände, oder die Bearbeitung der meisten Romane über das Gebiet der wirklichen Welt hinausschwärmen, so flößen sie jungen Köpfen idealische Maaßstäbe ein, die, gegen die wirkliche Welt gehalten, nie und nirgend passen, und bilden
gefunden, sie in seine Schrift über die Rechte und Obliegenheiten der Regenten und Unter- thanen -- von S. 273-299 aufzunehmen. Man schreibt sie dem Herrn Bispink zu. Merkwürdig und historisch wahr ist -- beiläufig zu sagen -- der Gedanke darin: "Daß gerade die schwächsten Regen- ten die Religion und die Priester am meisten als eine Stütze ihrer Regierung gebraucht haben; und daß eine Nation um desto unreifer, kurzsichtiger, unmoralischer und ärmer sey, jemehr Kirchenreligion und Prie- ster-Ansehn man bei ihr antrift: und umgekehrt. (Zuschauer -- S. 229.)
Kenntniſſe und deren Anwendung durch wohlfeilen Umlauf gemeiner zu machen; aber wer in einer ſol- chen Bibliothek nichts ſucht oder aufſtellt, als Ro- mane, verfehlt dieſen Zweck ſehr: ja, Bibliotheken, die weiter nichts enthalten, als Romane, ſind von keinem Nutzen, ſind ſogar offenbar ſchaͤdlich. Sie verwoͤhnen die Seele zu einem unverhaͤltnißmaͤßigen Gebrauch ihrer Kraͤfte, ſie bringen ihr einen ent- ſcheidenden Hang bei, ſich mehr mit Vorſtellungen von beſtimmter als unbeſtimmter Art abzugeben, und erhoͤhen dadurch die Empfindungs- und Einbildungs- kraft auf Koſten der Denkkraft oft ungeheuer. Da uͤberdies die Gegenſtaͤnde, oder die Bearbeitung der meiſten Romane uͤber das Gebiet der wirklichen Welt hinausſchwaͤrmen, ſo floͤßen ſie jungen Koͤpfen idealiſche Maaßſtaͤbe ein, die, gegen die wirkliche Welt gehalten, nie und nirgend paſſen, und bilden
gefunden, ſie in ſeine Schrift uͤber die Rechte und Obliegenheiten der Regenten und Unter- thanen — von S. 273-299 aufzunehmen. Man ſchreibt ſie dem Herrn Bispink zu. Merkwuͤrdig und hiſtoriſch wahr iſt — beilaͤufig zu ſagen — der Gedanke darin: „Daß gerade die ſchwaͤchſten Regen- ten die Religion und die Prieſter am meiſten als eine Stuͤtze ihrer Regierung gebraucht haben; und daß eine Nation um deſto unreifer, kurzſichtiger, unmoraliſcher und aͤrmer ſey, jemehr Kirchenreligion und Prie- ſter-Anſehn man bei ihr antrift: und umgekehrt. (Zuſchauer — S. 229.)
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0298"n="286[296]"/>
Kenntniſſe und deren Anwendung durch wohlfeilen<lb/>
Umlauf gemeiner zu machen; aber wer in einer ſol-<lb/>
chen Bibliothek nichts ſucht oder aufſtellt, als Ro-<lb/>
mane, verfehlt dieſen Zweck ſehr: ja, Bibliotheken,<lb/>
die weiter nichts enthalten, als Romane, ſind von<lb/>
keinem Nutzen, ſind ſogar offenbar ſchaͤdlich. Sie<lb/>
verwoͤhnen die Seele zu einem unverhaͤltnißmaͤßigen<lb/>
Gebrauch ihrer Kraͤfte, ſie bringen ihr einen ent-<lb/>ſcheidenden Hang bei, ſich mehr mit Vorſtellungen<lb/>
von beſtimmter als unbeſtimmter Art abzugeben, und<lb/>
erhoͤhen dadurch die Empfindungs- und Einbildungs-<lb/>
kraft auf Koſten der Denkkraft oft ungeheuer. Da<lb/>
uͤberdies die Gegenſtaͤnde, oder die Bearbeitung<lb/>
der meiſten Romane uͤber das Gebiet der wirklichen<lb/>
Welt hinausſchwaͤrmen, ſo floͤßen ſie jungen Koͤpfen<lb/>
idealiſche Maaßſtaͤbe ein, die, gegen die wirkliche<lb/>
Welt gehalten, nie und nirgend paſſen, und bilden<lb/><notexml:id="note-0298"prev="#note-0297"place="foot"n="c)">gefunden, ſie in ſeine Schrift uͤber die <hirendition="#g">Rechte und<lb/>
Obliegenheiten der Regenten und Unter</hi>-<lb/><hirendition="#g">thanen</hi>— von S. 273-299 aufzunehmen. Man<lb/>ſchreibt ſie dem Herrn <hirendition="#g">Bispink</hi> zu. Merkwuͤrdig<lb/>
und hiſtoriſch wahr iſt — beilaͤufig zu ſagen — der<lb/>
Gedanke darin: „Daß gerade die ſchwaͤchſten Regen-<lb/>
ten die Religion und die Prieſter am meiſten als eine<lb/>
Stuͤtze ihrer Regierung gebraucht haben; und daß eine<lb/>
Nation um deſto unreifer, kurzſichtiger, unmoraliſcher<lb/>
und aͤrmer ſey, jemehr Kirchenreligion und Prie-<lb/>ſter-Anſehn man bei ihr antrift: und umgekehrt.<lb/>
(<hirendition="#g">Zuſchauer</hi>— S. 229.)</note><lb/></p></div></body></text></TEI>
[286[296]/0298]
Kenntniſſe und deren Anwendung durch wohlfeilen
Umlauf gemeiner zu machen; aber wer in einer ſol-
chen Bibliothek nichts ſucht oder aufſtellt, als Ro-
mane, verfehlt dieſen Zweck ſehr: ja, Bibliotheken,
die weiter nichts enthalten, als Romane, ſind von
keinem Nutzen, ſind ſogar offenbar ſchaͤdlich. Sie
verwoͤhnen die Seele zu einem unverhaͤltnißmaͤßigen
Gebrauch ihrer Kraͤfte, ſie bringen ihr einen ent-
ſcheidenden Hang bei, ſich mehr mit Vorſtellungen
von beſtimmter als unbeſtimmter Art abzugeben, und
erhoͤhen dadurch die Empfindungs- und Einbildungs-
kraft auf Koſten der Denkkraft oft ungeheuer. Da
uͤberdies die Gegenſtaͤnde, oder die Bearbeitung
der meiſten Romane uͤber das Gebiet der wirklichen
Welt hinausſchwaͤrmen, ſo floͤßen ſie jungen Koͤpfen
idealiſche Maaßſtaͤbe ein, die, gegen die wirkliche
Welt gehalten, nie und nirgend paſſen, und bilden
c)
c) gefunden, ſie in ſeine Schrift uͤber die Rechte und
Obliegenheiten der Regenten und Unter-
thanen — von S. 273-299 aufzunehmen. Man
ſchreibt ſie dem Herrn Bispink zu. Merkwuͤrdig
und hiſtoriſch wahr iſt — beilaͤufig zu ſagen — der
Gedanke darin: „Daß gerade die ſchwaͤchſten Regen-
ten die Religion und die Prieſter am meiſten als eine
Stuͤtze ihrer Regierung gebraucht haben; und daß eine
Nation um deſto unreifer, kurzſichtiger, unmoraliſcher
und aͤrmer ſey, jemehr Kirchenreligion und Prie-
ſter-Anſehn man bei ihr antrift: und umgekehrt.
(Zuſchauer — S. 229.)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 286[296]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/298>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.