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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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erwähnte sie der Grausamkeit der alten Cheminon,
von der sie nicht nur verstoßen, sondern auch unter
dem Vorwande einer Schuldfoderung ihrer wenigen
Kleider wäre beraubt worden. Dieses Unrecht
brachte mich so auf, daß ich die Verlassene auf der
Stelle mitnahm, und ihr versprach, für sie zu sor-
gen -- und das, lieben Leser, aus der reinsten Ab-
sicht. Unglückliche gingen mir von jeher nahe, und
fremde Beleidigungen wieder ins Gerade bringen
helfen, war stäts meine Sache.

Meine Wirthin, die Müllern, welche viel auf
mich hielt, und mir in allem gern willfahrte, hätte
das arme Mädchen den Augenblick aufgenommen,
wenn sie nur Platz dazu gehabt hätte: -- doch be-
sorgte sie ihr ein wohlfeiles Obdach, und verköstigte
sie auf meine Kosten, bis das Mädchen wieder Geld
erhielt. Und dies erhielt sie, nachdem ich ihrem
Liebhaber so nach meiner Art sehr dringend einge-
schärft hatte, eine Unglückliche nicht zu verlassen, die
es doch durch ihn geworden wäre u. dgl.

Die Frau Cheminon erfuhr nicht sobald, wo
das Mädchen sich aufhielt, als sie sich hinter den
Feldwebel Wurm steckte, der mir es verbieten,
oder es doch beim Hauptmann dahin bringen sollte,
daß mirs verboten würde, sie zu näh[ - 1 Zeichen fehlt]en. Aber da
traf sie es gar schlecht! Wurm kam zwar, und
widerrieth mir den Umgang mit einem venerischen

erwaͤhnte ſie der Grauſamkeit der alten Cheminon,
von der ſie nicht nur verſtoßen, ſondern auch unter
dem Vorwande einer Schuldfoderung ihrer wenigen
Kleider waͤre beraubt worden. Dieſes Unrecht
brachte mich ſo auf, daß ich die Verlaſſene auf der
Stelle mitnahm, und ihr verſprach, fuͤr ſie zu ſor-
gen — und das, lieben Leſer, aus der reinſten Ab-
ſicht. Ungluͤckliche gingen mir von jeher nahe, und
fremde Beleidigungen wieder ins Gerade bringen
helfen, war ſtaͤts meine Sache.

Meine Wirthin, die Muͤllern, welche viel auf
mich hielt, und mir in allem gern willfahrte, haͤtte
das arme Maͤdchen den Augenblick aufgenommen,
wenn ſie nur Platz dazu gehabt haͤtte: — doch be-
ſorgte ſie ihr ein wohlfeiles Obdach, und verkoͤſtigte
ſie auf meine Koſten, bis das Maͤdchen wieder Geld
erhielt. Und dies erhielt ſie, nachdem ich ihrem
Liebhaber ſo nach meiner Art ſehr dringend einge-
ſchaͤrft hatte, eine Ungluͤckliche nicht zu verlaſſen, die
es doch durch ihn geworden waͤre u. dgl.

Die Frau Cheminon erfuhr nicht ſobald, wo
das Maͤdchen ſich aufhielt, als ſie ſich hinter den
Feldwebel Wurm ſteckte, der mir es verbieten,
oder es doch beim Hauptmann dahin bringen ſollte,
daß mirs verboten wuͤrde, ſie zu naͤh[ – 1 Zeichen fehlt]en. Aber da
traf ſie es gar ſchlecht! Wurm kam zwar, und
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[269[279]/0281] erwaͤhnte ſie der Grauſamkeit der alten Cheminon, von der ſie nicht nur verſtoßen, ſondern auch unter dem Vorwande einer Schuldfoderung ihrer wenigen Kleider waͤre beraubt worden. Dieſes Unrecht brachte mich ſo auf, daß ich die Verlaſſene auf der Stelle mitnahm, und ihr verſprach, fuͤr ſie zu ſor- gen — und das, lieben Leſer, aus der reinſten Ab- ſicht. Ungluͤckliche gingen mir von jeher nahe, und fremde Beleidigungen wieder ins Gerade bringen helfen, war ſtaͤts meine Sache. Meine Wirthin, die Muͤllern, welche viel auf mich hielt, und mir in allem gern willfahrte, haͤtte das arme Maͤdchen den Augenblick aufgenommen, wenn ſie nur Platz dazu gehabt haͤtte: — doch be- ſorgte ſie ihr ein wohlfeiles Obdach, und verkoͤſtigte ſie auf meine Koſten, bis das Maͤdchen wieder Geld erhielt. Und dies erhielt ſie, nachdem ich ihrem Liebhaber ſo nach meiner Art ſehr dringend einge- ſchaͤrft hatte, eine Ungluͤckliche nicht zu verlaſſen, die es doch durch ihn geworden waͤre u. dgl. Die Frau Cheminon erfuhr nicht ſobald, wo das Maͤdchen ſich aufhielt, als ſie ſich hinter den Feldwebel Wurm ſteckte, der mir es verbieten, oder es doch beim Hauptmann dahin bringen ſollte, daß mirs verboten wuͤrde, ſie zu naͤh_en. Aber da traf ſie es gar ſchlecht! Wurm kam zwar, und widerrieth mir den Umgang mit einem veneriſchen

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 269[279]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/281>, abgerufen am 28.11.2024.