stille, und ging alle Sonntage regelmäßig zur Kirche. Er ist, wie er mir selbst oft gesagt hat, recht froh gewesen, als man ihn zum Abend- und Früh-Visi- tiren ernannt hat -- blos weil er dadurch vom Wachtthun befreit wurde, und also jeden Sonntag die Kirche besuchen konnte, welches bei den Dienst- thuenden den Monat zweimal wegfällt. Vom lieben allmächtigen Gott wußte Zutzel sehr viel zu reden, wie auch vom frommen Könige und Propheten Da- vid, vom lieben Gebet und andern dergleichen Din- gen. Bei jeder Gelegenheit kam so was Gesalbtes vor: aber man denke ja nicht, daß dieser Mensch nicht auch geflucht habe. Es giebt wohl keinen Boots- knecht bei der ostindischen Kompagnie, der besser flu- chen und schwören könnte, als Freund Zutzel: beten und fluchen war bei ihm in einem Oden. Bei diesen Tugenden besaß er, wie manche seines Gleichen, eine große Fertigkeit im Branteweinsaufen, den er sich jedesmal selbst holte, und mit seiner Eheliebsten -- welche ein ganzes Nößel doch immer noch ein Tröpf- chen nannte -- in bona pace verzehrte. Nichts war possirlicher anzusehen, als wenn Freund Zutzel da saß mit dem Seitengewähr, und einen blauen Mantel um hatte, eine schwarze Pudelmütze auf dem Kopf, die Brille auf der Nase, die Schnappspulle vor sich, und so -- Strümpfe stopfte, oder strickte, welches beides er aus dem Fundament verstand.
ſtille, und ging alle Sonntage regelmaͤßig zur Kirche. Er iſt, wie er mir ſelbſt oft geſagt hat, recht froh geweſen, als man ihn zum Abend- und Fruͤh-Viſi- tiren ernannt hat — blos weil er dadurch vom Wachtthun befreit wurde, und alſo jeden Sonntag die Kirche beſuchen konnte, welches bei den Dienſt- thuenden den Monat zweimal wegfaͤllt. Vom lieben allmaͤchtigen Gott wußte Zutzel ſehr viel zu reden, wie auch vom frommen Koͤnige und Propheten Da- vid, vom lieben Gebet und andern dergleichen Din- gen. Bei jeder Gelegenheit kam ſo was Geſalbtes vor: aber man denke ja nicht, daß dieſer Menſch nicht auch geflucht habe. Es giebt wohl keinen Boots- knecht bei der oſtindiſchen Kompagnie, der beſſer flu- chen und ſchwoͤren koͤnnte, als Freund Zutzel: beten und fluchen war bei ihm in einem Oden. Bei dieſen Tugenden beſaß er, wie manche ſeines Gleichen, eine große Fertigkeit im Branteweinſaufen, den er ſich jedesmal ſelbſt holte, und mit ſeiner Eheliebſten — welche ein ganzes Noͤßel doch immer noch ein Troͤpf- chen nannte — in bona pace verzehrte. Nichts war poſſirlicher anzuſehen, als wenn Freund Zutzel da ſaß mit dem Seitengewaͤhr, und einen blauen Mantel um hatte, eine ſchwarze Pudelmuͤtze auf dem Kopf, die Brille auf der Naſe, die Schnappspulle vor ſich, und ſo — Struͤmpfe ſtopfte, oder ſtrickte, welches beides er aus dem Fundament verſtand.
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ſtille, und ging alle Sonntage regelmaͤßig zur Kirche.
Er iſt, wie er mir ſelbſt oft geſagt hat, recht froh
geweſen, als man ihn zum Abend- und Fruͤh-Viſi-
tiren ernannt hat — blos weil er dadurch vom
Wachtthun befreit wurde, und alſo jeden Sonntag
die Kirche beſuchen konnte, welches bei den Dienſt-
thuenden den Monat zweimal wegfaͤllt. Vom lieben
allmaͤchtigen Gott wußte Zutzel ſehr viel zu reden,
wie auch vom frommen Koͤnige und Propheten Da-
vid, vom lieben Gebet und andern dergleichen Din-
gen. Bei jeder Gelegenheit kam ſo was Geſalbtes
vor: aber man denke ja nicht, daß dieſer Menſch
nicht auch geflucht habe. Es giebt wohl keinen Boots-
knecht bei der oſtindiſchen Kompagnie, der beſſer flu-
chen und ſchwoͤren koͤnnte, als Freund Zutzel: beten
und fluchen war bei ihm in einem Oden. Bei dieſen
Tugenden beſaß er, wie manche ſeines Gleichen, eine
große Fertigkeit im Branteweinſaufen, den er ſich
jedesmal ſelbſt holte, und mit ſeiner Eheliebſten —
welche ein ganzes Noͤßel doch immer noch ein Troͤpf-
chen nannte — in bona pace verzehrte. Nichts
war poſſirlicher anzuſehen, als wenn Freund Zutzel
da ſaß mit dem Seitengewaͤhr, und einen blauen
Mantel um hatte, eine ſchwarze Pudelmuͤtze auf dem
Kopf, die Brille auf der Naſe, die Schnappspulle
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 250[260]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/262>, abgerufen am 24.11.2024.
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