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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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züglich von sonst angesehenen Männern, auf die
Seele derer macht, die mehr vom Ansehn und dem
Schlendrian, als von den Vorschriften einer unbe-
fangenen Vernunft abhängen. Billig hätte mich da-
mals das Beispiel dieser großentheils sonst verdien-
ter und wirklich gelehrter Männer von ähnlichen
Streichen abziehen sollen, um so mehr, da man mir
zugleich erzählte, daß sie durch ihre Possen allen Kre-
dit verlohren hätten, und sogar der Kinder Spott
geworden wären. Aber bei mir war gerade entge-
gengesetzte Wirkung: ich entschuldigte mich selbst bei
mir mit diesen Beispielen: haben es jene nicht besser
gemacht, sagte ich mir, je nun, so kann dir es auch
hingehen! Ein sehr schiefer, schädlicher, aber doch
sehr gewöhnlicher Syllogismus!

Mein Schmitz legte sich auch stark aufs Trin-
ken, und that es mir immer zuvor; wenigstens
konnte er noch einmal so viel saufen als ich, ohne
besoffen zu werden.

In unserm Hause wohnte ein gewisser Z***
aus Berlin, ein witziger, heller Kopf, aber ein
Hans ohne Sorgen, wie jener Ukalegon in der Ge-
schichte des Aesopus. Er ging beinahe in kein Kol-
legium, studirte aber doch fleißig für sich, und lernte
mehr als die Herren Heften-Schmierer: er war
vollkommen erfahren in der lateinischen, griechischen
und deutschen Sprache; denn sein Vetter, der ver-

zuͤglich von ſonſt angeſehenen Maͤnnern, auf die
Seele derer macht, die mehr vom Anſehn und dem
Schlendrian, als von den Vorſchriften einer unbe-
fangenen Vernunft abhaͤngen. Billig haͤtte mich da-
mals das Beiſpiel dieſer großentheils ſonſt verdien-
ter und wirklich gelehrter Maͤnner von aͤhnlichen
Streichen abziehen ſollen, um ſo mehr, da man mir
zugleich erzaͤhlte, daß ſie durch ihre Poſſen allen Kre-
dit verlohren haͤtten, und ſogar der Kinder Spott
geworden waͤren. Aber bei mir war gerade entge-
gengeſetzte Wirkung: ich entſchuldigte mich ſelbſt bei
mir mit dieſen Beiſpielen: haben es jene nicht beſſer
gemacht, ſagte ich mir, je nun, ſo kann dir es auch
hingehen! Ein ſehr ſchiefer, ſchaͤdlicher, aber doch
ſehr gewoͤhnlicher Syllogismus!

Mein Schmitz legte ſich auch ſtark aufs Trin-
ken, und that es mir immer zuvor; wenigſtens
konnte er noch einmal ſo viel ſaufen als ich, ohne
beſoffen zu werden.

In unſerm Hauſe wohnte ein gewiſſer Z***
aus Berlin, ein witziger, heller Kopf, aber ein
Hans ohne Sorgen, wie jener Ukalegon in der Ge-
ſchichte des Aeſopus. Er ging beinahe in kein Kol-
legium, ſtudirte aber doch fleißig fuͤr ſich, und lernte
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[188/0190] zuͤglich von ſonſt angeſehenen Maͤnnern, auf die Seele derer macht, die mehr vom Anſehn und dem Schlendrian, als von den Vorſchriften einer unbe- fangenen Vernunft abhaͤngen. Billig haͤtte mich da- mals das Beiſpiel dieſer großentheils ſonſt verdien- ter und wirklich gelehrter Maͤnner von aͤhnlichen Streichen abziehen ſollen, um ſo mehr, da man mir zugleich erzaͤhlte, daß ſie durch ihre Poſſen allen Kre- dit verlohren haͤtten, und ſogar der Kinder Spott geworden waͤren. Aber bei mir war gerade entge- gengeſetzte Wirkung: ich entſchuldigte mich ſelbſt bei mir mit dieſen Beiſpielen: haben es jene nicht beſſer gemacht, ſagte ich mir, je nun, ſo kann dir es auch hingehen! Ein ſehr ſchiefer, ſchaͤdlicher, aber doch ſehr gewoͤhnlicher Syllogismus! Mein Schmitz legte ſich auch ſtark aufs Trin- ken, und that es mir immer zuvor; wenigſtens konnte er noch einmal ſo viel ſaufen als ich, ohne beſoffen zu werden. In unſerm Hauſe wohnte ein gewiſſer Z*** aus Berlin, ein witziger, heller Kopf, aber ein Hans ohne Sorgen, wie jener Ukalegon in der Ge- ſchichte des Aeſopus. Er ging beinahe in kein Kol- legium, ſtudirte aber doch fleißig fuͤr ſich, und lernte mehr als die Herren Heften-Schmierer: er war vollkommen erfahren in der lateiniſchen, griechiſchen und deutſchen Sprache; denn ſein Vetter, der ver-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/190>, abgerufen am 30.04.2024.