Ohngefähr im November -- ja, es war gera- de der 1ste November 1781, denn da ist der Jahr- markt in Flonheim -- wollte ich dem Pfarrer Stu- ber von Flonheim meine Aufwartung machen. Ich ging dahin, und hörte, daß des katholischen Pfar- rers Hochgesand Vetter, Herr Advokat Schott, der von Jugend auf mein Freund und Duzbruder gewesen war, auch da sey. Ich lief also hin, um ihn zu besuchen: aber wie erschrack ich, als ich mei- ne Therese erblickte! Kaum konnte ich sprechen: doch endlich ward mirs wieder etwas leichter. The- resens Vater, ein vertrauter Freund des Pastors, verwieß mir ganz höflich meine wenige Aufmerksam- keit, und wunderte sich, daß ich in so langer Zeit ihn nicht besucht hätte. Ich entschuldigte mich, so gut ich konnte, versprach auf der Rückreise zu ihm zu kommen, und machte, daß ich zu meinem Stu- ber zurückkam: hier -- konnte ich es nicht mehr ausdauern! Ein böses Gewissen ist wahrlich die heißeste Hölle!
Drei Tage brachte ich in Flonheim zu, und dann nahm ich meinen Wanderstab wieder zur Hand. Ich ging durch Thereschens Dorf; aber erst ins Wirthshaus, wo ich mir in einigen Schoppen Wein Muth eintrank: und so -- schlich ich, unter großem Herzpochen, nach Theresens Wohnung. Der Alte empfing mich freundlich, und gleichsam
Ohngefaͤhr im November — ja, es war gera- de der 1ſte November 1781, denn da iſt der Jahr- markt in Flonheim — wollte ich dem Pfarrer Stu- ber von Flonheim meine Aufwartung machen. Ich ging dahin, und hoͤrte, daß des katholiſchen Pfar- rers Hochgeſand Vetter, Herr Advokat Schott, der von Jugend auf mein Freund und Duzbruder geweſen war, auch da ſey. Ich lief alſo hin, um ihn zu beſuchen: aber wie erſchrack ich, als ich mei- ne Thereſe erblickte! Kaum konnte ich ſprechen: doch endlich ward mirs wieder etwas leichter. The- reſens Vater, ein vertrauter Freund des Paſtors, verwieß mir ganz hoͤflich meine wenige Aufmerkſam- keit, und wunderte ſich, daß ich in ſo langer Zeit ihn nicht beſucht haͤtte. Ich entſchuldigte mich, ſo gut ich konnte, verſprach auf der Ruͤckreiſe zu ihm zu kommen, und machte, daß ich zu meinem Stu- ber zuruͤckkam: hier — konnte ich es nicht mehr ausdauern! Ein boͤſes Gewiſſen iſt wahrlich die heißeſte Hoͤlle!
Drei Tage brachte ich in Flonheim zu, und dann nahm ich meinen Wanderſtab wieder zur Hand. Ich ging durch Thereschens Dorf; aber erſt ins Wirthshaus, wo ich mir in einigen Schoppen Wein Muth eintrank: und ſo — ſchlich ich, unter großem Herzpochen, nach Thereſens Wohnung. Der Alte empfing mich freundlich, und gleichſam
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Ohngefaͤhr im November — ja, es war gera-
de der 1ſte November 1781, denn da iſt der Jahr-
markt in Flonheim — wollte ich dem Pfarrer Stu-
ber von Flonheim meine Aufwartung machen. Ich
ging dahin, und hoͤrte, daß des katholiſchen Pfar-
rers Hochgeſand Vetter, Herr Advokat Schott,
der von Jugend auf mein Freund und Duzbruder
geweſen war, auch da ſey. Ich lief alſo hin, um
ihn zu beſuchen: aber wie erſchrack ich, als ich mei-
ne Thereſe erblickte! Kaum konnte ich ſprechen:
doch endlich ward mirs wieder etwas leichter. The-
reſens Vater, ein vertrauter Freund des Paſtors,
verwieß mir ganz hoͤflich meine wenige Aufmerkſam-
keit, und wunderte ſich, daß ich in ſo langer Zeit
ihn nicht beſucht haͤtte. Ich entſchuldigte mich, ſo
gut ich konnte, verſprach auf der Ruͤckreiſe zu ihm
zu kommen, und machte, daß ich zu meinem Stu-
ber zuruͤckkam: hier — konnte ich es nicht mehr
ausdauern! Ein boͤſes Gewiſſen iſt wahrlich die
heißeſte Hoͤlle!
Drei Tage brachte ich in Flonheim zu, und
dann nahm ich meinen Wanderſtab wieder zur Hand.
Ich ging durch Thereschens Dorf; aber erſt ins
Wirthshaus, wo ich mir in einigen Schoppen
Wein Muth eintrank: und ſo — ſchlich ich, unter
großem Herzpochen, nach Thereſens Wohnung.
Der Alte empfing mich freundlich, und gleichſam
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/18>, abgerufen am 21.11.2024.
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