wanten einen Auftrag an ihn gegeben hatten. Der Mensch war froh, daß er mich sah, und both sich an, mich auf den Abend in die Komödie zu führen. Mein Vater erlaubte es. Da ich dergleichen schon mehr gesehen hatte, und ohnedies ein sehr bekanntes Stück gegeben wurde; so bath ich meinen Führer, mir lieber sonst etwas Merkwürdiges in dieser schönen Stadt zu zeigen. Um meinen Vater hernach zu be- ruhigen, verabredeten wir, ihm zu sagen, daß wir in der Komödie gewesen wären. Gesagt, gethan! Mein Landsmann nahm mich mit, und führte mich -- ins Bordell, zur Madame Agricola. In mei- nem Leben war ich noch in keinem Hause gewesen, welches der Venus geweiht war: ich erstaunte also nicht wenig, als ich die zügelloseste Wollust sich hier in ihrer abscheulichsten Reizbarkeit entwickeln sah. Mein Kamerad machte sich mit den Mädchen viel zu schaffen; mich aber hinderte meine Blötigkeit, zu machen, wie man vielleicht erwartet.
Ohngefähr um eilf Uhr verließen wir dieses lü- sterne Haus q). Ich machte meinem Vater eine
q) Zu Frankfurt am Main sind viele Bordelle; aber keins ist öffentlich privilegirt. Der Magistrat schickt eben darum zuweilen die Häscher hin, welche visitiren, und die Mädchen wegbringen müssen: die Visitationen bleiben aber ohne Folgen, die zweibeinigen ausgenom- men: denn wie Juvenal sagt:
- - Quis custodiet ipsos Custodes? -
wanten einen Auftrag an ihn gegeben hatten. Der Menſch war froh, daß er mich ſah, und both ſich an, mich auf den Abend in die Komoͤdie zu fuͤhren. Mein Vater erlaubte es. Da ich dergleichen ſchon mehr geſehen hatte, und ohnedies ein ſehr bekanntes Stuͤck gegeben wurde; ſo bath ich meinen Fuͤhrer, mir lieber ſonſt etwas Merkwuͤrdiges in dieſer ſchoͤnen Stadt zu zeigen. Um meinen Vater hernach zu be- ruhigen, verabredeten wir, ihm zu ſagen, daß wir in der Komoͤdie geweſen waͤren. Geſagt, gethan! Mein Landsmann nahm mich mit, und fuͤhrte mich — ins Bordell, zur Madame Agricola. In mei- nem Leben war ich noch in keinem Hauſe geweſen, welches der Venus geweiht war: ich erſtaunte alſo nicht wenig, als ich die zuͤgelloſeſte Wolluſt ſich hier in ihrer abſcheulichſten Reizbarkeit entwickeln ſah. Mein Kamerad machte ſich mit den Maͤdchen viel zu ſchaffen; mich aber hinderte meine Bloͤtigkeit, zu machen, wie man vielleicht erwartet.
Ohngefaͤhr um eilf Uhr verließen wir dieſes luͤ- ſterne Haus q). Ich machte meinem Vater eine
q) Zu Frankfurt am Main ſind viele Bordelle; aber keins iſt oͤffentlich privilegirt. Der Magiſtrat ſchickt eben darum zuweilen die Haͤſcher hin, welche viſitiren, und die Maͤdchen wegbringen muͤſſen: die Viſitationen bleiben aber ohne Folgen, die zweibeinigen ausgenom- men: denn wie Juvenal ſagt:
– – Quis cuſtodiet ipſos Cuſtodes? –
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wanten einen Auftrag an ihn gegeben hatten. Der
Menſch war froh, daß er mich ſah, und both ſich
an, mich auf den Abend in die Komoͤdie zu fuͤhren.
Mein Vater erlaubte es. Da ich dergleichen ſchon
mehr geſehen hatte, und ohnedies ein ſehr bekanntes
Stuͤck gegeben wurde; ſo bath ich meinen Fuͤhrer,
mir lieber ſonſt etwas Merkwuͤrdiges in dieſer ſchoͤnen
Stadt zu zeigen. Um meinen Vater hernach zu be-
ruhigen, verabredeten wir, ihm zu ſagen, daß wir
in der Komoͤdie geweſen waͤren. Geſagt, gethan!
Mein Landsmann nahm mich mit, und fuͤhrte mich —
ins Bordell, zur Madame Agricola. In mei-
nem Leben war ich noch in keinem Hauſe geweſen,
welches der Venus geweiht war: ich erſtaunte alſo
nicht wenig, als ich die zuͤgelloſeſte Wolluſt ſich hier
in ihrer abſcheulichſten Reizbarkeit entwickeln ſah.
Mein Kamerad machte ſich mit den Maͤdchen viel zu
ſchaffen; mich aber hinderte meine Bloͤtigkeit, zu
machen, wie man vielleicht erwartet.
Ohngefaͤhr um eilf Uhr verließen wir dieſes luͤ-
ſterne Haus q). Ich machte meinem Vater eine
q) Zu Frankfurt am Main ſind viele Bordelle; aber
keins iſt oͤffentlich privilegirt. Der Magiſtrat ſchickt
eben darum zuweilen die Haͤſcher hin, welche viſitiren,
und die Maͤdchen wegbringen muͤſſen: die Viſitationen
bleiben aber ohne Folgen, die zweibeinigen ausgenom-
men: denn wie Juvenal ſagt:
– – Quis cuſtodiet ipſos
Cuſtodes? –
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/78>, abgerufen am 16.02.2025.
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