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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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sagte er, "wird aus dir nichts, hier verdirbst du an
Leib und Seele, und ärgerst mich noch zu Tode!" --
Ich stellte ihm vor, daß noch lange nicht Ostern wä-
ren, daß es Aufsehn erregen würde, ausser der An-
trittszeit sich zur Universität zu begeben, u. s. w.
Aber alle meine Vorstellungen waren vergebens: es
blieb bei seinem Entschluß: kaum konnte ich noch acht
Tage Aufschub erhalten, um von meinen nächsten
Bekannten Abschied zu nehmen; - meine Therese
sollt' ich durchaus nicht weiter besuchen. -- Das
that mir freilich sehr wehe; aber die Erwartung der
Dinge, welche ich nun bald auf der Universität erle-
ben sollte, milderte meinen Schmerz, erheiterte
meine Mine.

Mein Vater wollte mich selbst nach Gießen --
denn dahin sollte ich -- begleiten, damit ich unter-
wegs keine dummen Händel vornehmen möchte.
Trotz aller dieser Strenge schrieb ich aber doch einige
Tage vor meinem Abzug noch an meine Therese, und
erhielt eine recht zärtliche Antwort. Von Frankfurt
am Main hab ich noch einmal an sie geschrieben.

Unterwegs gab mir mein Vater viele vortreffli-
che Lehren; und ich würde gut gefahren seyn, wenn
ich sie befolgt hätte: aber leider schon in Frankfurt
vernachlässigte ich eine seiner Hauptvorschriften. In
dieser Stadt diente ein Barbiergeselle aus meiner
Gegend, den ich aufsuchte, weil mir seine Anver-

ſagte er, „wird aus dir nichts, hier verdirbſt du an
Leib und Seele, und aͤrgerſt mich noch zu Tode!“ —
Ich ſtellte ihm vor, daß noch lange nicht Oſtern waͤ-
ren, daß es Aufſehn erregen wuͤrde, auſſer der An-
trittszeit ſich zur Univerſitaͤt zu begeben, u. ſ. w.
Aber alle meine Vorſtellungen waren vergebens: es
blieb bei ſeinem Entſchluß: kaum konnte ich noch acht
Tage Aufſchub erhalten, um von meinen naͤchſten
Bekannten Abſchied zu nehmen; – meine Thereſe
ſollt' ich durchaus nicht weiter beſuchen. — Das
that mir freilich ſehr wehe; aber die Erwartung der
Dinge, welche ich nun bald auf der Univerſitaͤt erle-
ben ſollte, milderte meinen Schmerz, erheiterte
meine Mine.

Mein Vater wollte mich ſelbſt nach Gießen —
denn dahin ſollte ich — begleiten, damit ich unter-
wegs keine dummen Haͤndel vornehmen moͤchte.
Trotz aller dieſer Strenge ſchrieb ich aber doch einige
Tage vor meinem Abzug noch an meine Thereſe, und
erhielt eine recht zaͤrtliche Antwort. Von Frankfurt
am Main hab ich noch einmal an ſie geſchrieben.

Unterwegs gab mir mein Vater viele vortreffli-
che Lehren; und ich wuͤrde gut gefahren ſeyn, wenn
ich ſie befolgt haͤtte: aber leider ſchon in Frankfurt
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dieſer Stadt diente ein Barbiergeſelle aus meiner
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[63/0077] ſagte er, „wird aus dir nichts, hier verdirbſt du an Leib und Seele, und aͤrgerſt mich noch zu Tode!“ — Ich ſtellte ihm vor, daß noch lange nicht Oſtern waͤ- ren, daß es Aufſehn erregen wuͤrde, auſſer der An- trittszeit ſich zur Univerſitaͤt zu begeben, u. ſ. w. Aber alle meine Vorſtellungen waren vergebens: es blieb bei ſeinem Entſchluß: kaum konnte ich noch acht Tage Aufſchub erhalten, um von meinen naͤchſten Bekannten Abſchied zu nehmen; – meine Thereſe ſollt' ich durchaus nicht weiter beſuchen. — Das that mir freilich ſehr wehe; aber die Erwartung der Dinge, welche ich nun bald auf der Univerſitaͤt erle- ben ſollte, milderte meinen Schmerz, erheiterte meine Mine. Mein Vater wollte mich ſelbſt nach Gießen — denn dahin ſollte ich — begleiten, damit ich unter- wegs keine dummen Haͤndel vornehmen moͤchte. Trotz aller dieſer Strenge ſchrieb ich aber doch einige Tage vor meinem Abzug noch an meine Thereſe, und erhielt eine recht zaͤrtliche Antwort. Von Frankfurt am Main hab ich noch einmal an ſie geſchrieben. Unterwegs gab mir mein Vater viele vortreffli- che Lehren; und ich wuͤrde gut gefahren ſeyn, wenn ich ſie befolgt haͤtte: aber leider ſchon in Frankfurt vernachlaͤſſigte ich eine ſeiner Hauptvorſchriften. In dieſer Stadt diente ein Barbiergeſelle aus meiner Gegend, den ich aufſuchte, weil mir ſeine Anver-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/77>, abgerufen am 03.05.2024.