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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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Herr Neuner hätte mir kein angemesseneres
Buch geben können. Neumeyer hat schön latein
und so verführerisch geschrieben, daß auch ein Mensch
ohne Interesse hätte irre dabei werden können. Ich
hatte niemals viel von theologischen Kontroversien
gehört, und verstand die Lehren meiner eignen Secte
nur so obenhin. Da überdies mein Vater sehr tole-
rant war; so hatte er mir auch keinen Haß gegen an-
dre Kirchensysteme eingeflößt. Auf diese Art war
also meine Seele des Eindrucks recht empfänglich,
welchen die Vorstellung von der Güte des Glaubens
meiner Geliebten auf sie erregte. Kaum hatte ich
demnach die Religio prudentum durchgelesen; so
bekannte ich mir selbst, daß das katholische Kirchen-
system besser, als das Meinige wäre, und wurde
recht ernstlich böse auf die Reformatoren, welche den
unseligen Kirchenspalt bewirkt hatten, der mir jetzt
mein ganzes Glück zu rauben drohte.

Mit aller Freude besuchte ich nun meinen lieben
Neuner -- denn damals schien er mir mein bester
Freund zu seyn -- und entdeckte ihm ohne Umschwei-
fe, daß die Religio prudentum mich auf ganz an-
dere Gedanken gebracht hätte: daß ich gestehen müß-
te, die katholische Kirche habe recht, unsre hingegen
unrecht. -- Neuner lächelte mit proselytensüchti-
ger Zufriedenheit; aber da er ein Jesuiterschüler war,
so konnte er mit einem so raschen Bekenntniß nicht

Herr Neuner haͤtte mir kein angemeſſeneres
Buch geben koͤnnen. Neumeyer hat ſchoͤn latein
und ſo verfuͤhreriſch geſchrieben, daß auch ein Menſch
ohne Intereſſe haͤtte irre dabei werden koͤnnen. Ich
hatte niemals viel von theologiſchen Kontroverſien
gehoͤrt, und verſtand die Lehren meiner eignen Secte
nur ſo obenhin. Da uͤberdies mein Vater ſehr tole-
rant war; ſo hatte er mir auch keinen Haß gegen an-
dre Kirchenſyſteme eingefloͤßt. Auf dieſe Art war
alſo meine Seele des Eindrucks recht empfaͤnglich,
welchen die Vorſtellung von der Guͤte des Glaubens
meiner Geliebten auf ſie erregte. Kaum hatte ich
demnach die Religio prudentum durchgeleſen; ſo
bekannte ich mir ſelbſt, daß das katholiſche Kirchen-
ſyſtem beſſer, als das Meinige waͤre, und wurde
recht ernſtlich boͤſe auf die Reformatoren, welche den
unſeligen Kirchenſpalt bewirkt hatten, der mir jetzt
mein ganzes Gluͤck zu rauben drohte.

Mit aller Freude beſuchte ich nun meinen lieben
Neuner — denn damals ſchien er mir mein beſter
Freund zu ſeyn — und entdeckte ihm ohne Umſchwei-
fe, daß die Religio prudentum mich auf ganz an-
dere Gedanken gebracht haͤtte: daß ich geſtehen muͤß-
te, die katholiſche Kirche habe recht, unſre hingegen
unrecht. — Neuner laͤchelte mit proſelytenſuͤchti-
ger Zufriedenheit; aber da er ein Jeſuiterſchuͤler war,
ſo konnte er mit einem ſo raſchen Bekenntniß nicht

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[54/0068] Herr Neuner haͤtte mir kein angemeſſeneres Buch geben koͤnnen. Neumeyer hat ſchoͤn latein und ſo verfuͤhreriſch geſchrieben, daß auch ein Menſch ohne Intereſſe haͤtte irre dabei werden koͤnnen. Ich hatte niemals viel von theologiſchen Kontroverſien gehoͤrt, und verſtand die Lehren meiner eignen Secte nur ſo obenhin. Da uͤberdies mein Vater ſehr tole- rant war; ſo hatte er mir auch keinen Haß gegen an- dre Kirchenſyſteme eingefloͤßt. Auf dieſe Art war alſo meine Seele des Eindrucks recht empfaͤnglich, welchen die Vorſtellung von der Guͤte des Glaubens meiner Geliebten auf ſie erregte. Kaum hatte ich demnach die Religio prudentum durchgeleſen; ſo bekannte ich mir ſelbſt, daß das katholiſche Kirchen- ſyſtem beſſer, als das Meinige waͤre, und wurde recht ernſtlich boͤſe auf die Reformatoren, welche den unſeligen Kirchenſpalt bewirkt hatten, der mir jetzt mein ganzes Gluͤck zu rauben drohte. Mit aller Freude beſuchte ich nun meinen lieben Neuner — denn damals ſchien er mir mein beſter Freund zu ſeyn — und entdeckte ihm ohne Umſchwei- fe, daß die Religio prudentum mich auf ganz an- dere Gedanken gebracht haͤtte: daß ich geſtehen muͤß- te, die katholiſche Kirche habe recht, unſre hingegen unrecht. — Neuner laͤchelte mit proſelytenſuͤchti- ger Zufriedenheit; aber da er ein Jeſuiterſchuͤler war, ſo konnte er mit einem ſo raſchen Bekenntniß nicht

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/68>, abgerufen am 21.11.2024.