Grafen in alle Schulen der Grafschaft eingeführt werden. Mein Vater widersetzte sich der Einfüh- rung dieses elenden Wisches mit aller Gewalt, und schrieb deswegen an den verstorbenen Herrn D. Töllner nach Frankfurth an der Oder, der immer sein Freund gewesen ist, wie auch an Herrn D. Walch nach Göttingen. Diese Männer erklärten den Wisch für das, was er war, für die Geburt eines elenden Grützkopfs, die sich zum Schulunter- richt durchaus nicht schicke. Mein Vater übergab dem Grafen die Briefe seiner Freunde, legte ihm die Mängel des Buches, dem der Verfasser den Na- men Heilsordnung gegeben hatte -- deutlich vor Augen; aber was halfs? Das Ding wurde eingeführt, und von den Schulkindern auswendig gelernt. -- Daß der Hofprediger von nun an meines Vaters erklärter Feind wurde, versteht sich von selbst.
Ich bin zwar nicht gewohnt, die Geistlichen als Männer anzusehen, welche die menschlichen Schwachheiten abgelegt haben, ja, wenn ich etwas Skandalöses von einem Schwarzrok höre; so bin ich allemal geneigt, es zu glauben: die Erfahrung hat mich so weit gebracht. Doch bin ich überzeugt, daß man meinem Vater Unrecht gethan hat, als man ihn in puncto sexti beschuldigte. Man urtheile selbst!
Grafen in alle Schulen der Grafſchaft eingefuͤhrt werden. Mein Vater widerſetzte ſich der Einfuͤh- rung dieſes elenden Wiſches mit aller Gewalt, und ſchrieb deswegen an den verſtorbenen Herrn D. Toͤllner nach Frankfurth an der Oder, der immer ſein Freund geweſen iſt, wie auch an Herrn D. Walch nach Goͤttingen. Dieſe Maͤnner erklaͤrten den Wiſch fuͤr das, was er war, fuͤr die Geburt eines elenden Gruͤtzkopfs, die ſich zum Schulunter- richt durchaus nicht ſchicke. Mein Vater uͤbergab dem Grafen die Briefe ſeiner Freunde, legte ihm die Maͤngel des Buches, dem der Verfaſſer den Na- men Heilsordnung gegeben hatte — deutlich vor Augen; aber was halfs? Das Ding wurde eingefuͤhrt, und von den Schulkindern auswendig gelernt. — Daß der Hofprediger von nun an meines Vaters erklaͤrter Feind wurde, verſteht ſich von ſelbſt.
Ich bin zwar nicht gewohnt, die Geiſtlichen als Maͤnner anzuſehen, welche die menſchlichen Schwachheiten abgelegt haben, ja, wenn ich etwas Skandaloͤſes von einem Schwarzrok hoͤre; ſo bin ich allemal geneigt, es zu glauben: die Erfahrung hat mich ſo weit gebracht. Doch bin ich uͤberzeugt, daß man meinem Vater Unrecht gethan hat, als man ihn in puncto ſexti beſchuldigte. Man urtheile ſelbſt!
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0034"n="20"/>
Grafen in alle Schulen der Grafſchaft eingefuͤhrt<lb/>
werden. Mein Vater widerſetzte ſich der Einfuͤh-<lb/>
rung dieſes elenden Wiſches mit aller Gewalt, und<lb/>ſchrieb deswegen an den verſtorbenen Herrn D.<lb/><hirendition="#g">Toͤllner</hi> nach Frankfurth an der Oder, der immer<lb/>ſein Freund geweſen iſt, wie auch an Herrn D.<lb/><hirendition="#g">Walch</hi> nach Goͤttingen. Dieſe Maͤnner erklaͤrten<lb/>
den Wiſch fuͤr das, was er war, fuͤr die Geburt<lb/>
eines elenden Gruͤtzkopfs, die ſich zum Schulunter-<lb/>
richt durchaus nicht ſchicke. Mein Vater uͤbergab<lb/>
dem Grafen die Briefe ſeiner Freunde, legte ihm<lb/>
die Maͤngel des Buches, dem der Verfaſſer den Na-<lb/>
men <hirendition="#g">Heilsordnung</hi> gegeben hatte — deutlich<lb/>
vor Augen; aber was halfs? Das Ding wurde<lb/>
eingefuͤhrt, und von den Schulkindern auswendig<lb/>
gelernt. — Daß der Hofprediger von nun an meines<lb/>
Vaters erklaͤrter Feind wurde, verſteht ſich von<lb/>ſelbſt.</p><lb/><p>Ich bin zwar nicht gewohnt, die Geiſtlichen<lb/>
als Maͤnner anzuſehen, welche die menſchlichen<lb/>
Schwachheiten abgelegt haben, ja, wenn ich etwas<lb/>
Skandaloͤſes von einem Schwarzrok hoͤre; ſo bin ich<lb/>
allemal geneigt, es zu glauben: die Erfahrung hat<lb/>
mich ſo weit gebracht. Doch bin ich uͤberzeugt, daß<lb/>
man meinem Vater Unrecht gethan hat, als man<lb/>
ihn <hirendition="#aq">in puncto ſexti</hi> beſchuldigte. Man urtheile<lb/>ſelbſt!</p><lb/></div></body></text></TEI>
[20/0034]
Grafen in alle Schulen der Grafſchaft eingefuͤhrt
werden. Mein Vater widerſetzte ſich der Einfuͤh-
rung dieſes elenden Wiſches mit aller Gewalt, und
ſchrieb deswegen an den verſtorbenen Herrn D.
Toͤllner nach Frankfurth an der Oder, der immer
ſein Freund geweſen iſt, wie auch an Herrn D.
Walch nach Goͤttingen. Dieſe Maͤnner erklaͤrten
den Wiſch fuͤr das, was er war, fuͤr die Geburt
eines elenden Gruͤtzkopfs, die ſich zum Schulunter-
richt durchaus nicht ſchicke. Mein Vater uͤbergab
dem Grafen die Briefe ſeiner Freunde, legte ihm
die Maͤngel des Buches, dem der Verfaſſer den Na-
men Heilsordnung gegeben hatte — deutlich
vor Augen; aber was halfs? Das Ding wurde
eingefuͤhrt, und von den Schulkindern auswendig
gelernt. — Daß der Hofprediger von nun an meines
Vaters erklaͤrter Feind wurde, verſteht ſich von
ſelbſt.
Ich bin zwar nicht gewohnt, die Geiſtlichen
als Maͤnner anzuſehen, welche die menſchlichen
Schwachheiten abgelegt haben, ja, wenn ich etwas
Skandaloͤſes von einem Schwarzrok hoͤre; ſo bin ich
allemal geneigt, es zu glauben: die Erfahrung hat
mich ſo weit gebracht. Doch bin ich uͤberzeugt, daß
man meinem Vater Unrecht gethan hat, als man
ihn in puncto ſexti beſchuldigte. Man urtheile
ſelbſt!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/34>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.