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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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Grafen in alle Schulen der Grafschaft eingeführt
werden. Mein Vater widersetzte sich der Einfüh-
rung dieses elenden Wisches mit aller Gewalt, und
schrieb deswegen an den verstorbenen Herrn D.
Töllner nach Frankfurth an der Oder, der immer
sein Freund gewesen ist, wie auch an Herrn D.
Walch nach Göttingen. Diese Männer erklärten
den Wisch für das, was er war, für die Geburt
eines elenden Grützkopfs, die sich zum Schulunter-
richt durchaus nicht schicke. Mein Vater übergab
dem Grafen die Briefe seiner Freunde, legte ihm
die Mängel des Buches, dem der Verfasser den Na-
men Heilsordnung gegeben hatte -- deutlich
vor Augen; aber was halfs? Das Ding wurde
eingeführt, und von den Schulkindern auswendig
gelernt. -- Daß der Hofprediger von nun an meines
Vaters erklärter Feind wurde, versteht sich von
selbst.

Ich bin zwar nicht gewohnt, die Geistlichen
als Männer anzusehen, welche die menschlichen
Schwachheiten abgelegt haben, ja, wenn ich etwas
Skandalöses von einem Schwarzrok höre; so bin ich
allemal geneigt, es zu glauben: die Erfahrung hat
mich so weit gebracht. Doch bin ich überzeugt, daß
man meinem Vater Unrecht gethan hat, als man
ihn in puncto sexti beschuldigte. Man urtheile
selbst!


Grafen in alle Schulen der Grafſchaft eingefuͤhrt
werden. Mein Vater widerſetzte ſich der Einfuͤh-
rung dieſes elenden Wiſches mit aller Gewalt, und
ſchrieb deswegen an den verſtorbenen Herrn D.
Toͤllner nach Frankfurth an der Oder, der immer
ſein Freund geweſen iſt, wie auch an Herrn D.
Walch nach Goͤttingen. Dieſe Maͤnner erklaͤrten
den Wiſch fuͤr das, was er war, fuͤr die Geburt
eines elenden Gruͤtzkopfs, die ſich zum Schulunter-
richt durchaus nicht ſchicke. Mein Vater uͤbergab
dem Grafen die Briefe ſeiner Freunde, legte ihm
die Maͤngel des Buches, dem der Verfaſſer den Na-
men Heilsordnung gegeben hatte — deutlich
vor Augen; aber was halfs? Das Ding wurde
eingefuͤhrt, und von den Schulkindern auswendig
gelernt. — Daß der Hofprediger von nun an meines
Vaters erklaͤrter Feind wurde, verſteht ſich von
ſelbſt.

Ich bin zwar nicht gewohnt, die Geiſtlichen
als Maͤnner anzuſehen, welche die menſchlichen
Schwachheiten abgelegt haben, ja, wenn ich etwas
Skandaloͤſes von einem Schwarzrok hoͤre; ſo bin ich
allemal geneigt, es zu glauben: die Erfahrung hat
mich ſo weit gebracht. Doch bin ich uͤberzeugt, daß
man meinem Vater Unrecht gethan hat, als man
ihn in puncto ſexti beſchuldigte. Man urtheile
ſelbſt!


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[20/0034] Grafen in alle Schulen der Grafſchaft eingefuͤhrt werden. Mein Vater widerſetzte ſich der Einfuͤh- rung dieſes elenden Wiſches mit aller Gewalt, und ſchrieb deswegen an den verſtorbenen Herrn D. Toͤllner nach Frankfurth an der Oder, der immer ſein Freund geweſen iſt, wie auch an Herrn D. Walch nach Goͤttingen. Dieſe Maͤnner erklaͤrten den Wiſch fuͤr das, was er war, fuͤr die Geburt eines elenden Gruͤtzkopfs, die ſich zum Schulunter- richt durchaus nicht ſchicke. Mein Vater uͤbergab dem Grafen die Briefe ſeiner Freunde, legte ihm die Maͤngel des Buches, dem der Verfaſſer den Na- men Heilsordnung gegeben hatte — deutlich vor Augen; aber was halfs? Das Ding wurde eingefuͤhrt, und von den Schulkindern auswendig gelernt. — Daß der Hofprediger von nun an meines Vaters erklaͤrter Feind wurde, verſteht ſich von ſelbſt. Ich bin zwar nicht gewohnt, die Geiſtlichen als Maͤnner anzuſehen, welche die menſchlichen Schwachheiten abgelegt haben, ja, wenn ich etwas Skandaloͤſes von einem Schwarzrok hoͤre; ſo bin ich allemal geneigt, es zu glauben: die Erfahrung hat mich ſo weit gebracht. Doch bin ich uͤberzeugt, daß man meinem Vater Unrecht gethan hat, als man ihn in puncto ſexti beſchuldigte. Man urtheile ſelbſt!

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/34>, abgerufen am 25.04.2024.