Orthodoxie schon damals sehr verdächtig roch, gewiß in dieser rechtgläubig Stadt nicht angekommen seyn. Allein da der Erbprinz darauf drang, weil er eben, wie Herr Stark, ein Freimaurer ist, so hatten die Herrn Räthe das Herz nicht, zu widersprechen, und der neue Hofprediger wurde eingeführt.
Herr Stark hat mir gar nicht gefallen: ich wollte ihn sprechen, mußte aber viermal wiederkom- men, ehe Seine Hochwürden mich vorliessen. End- lich kam ich vor, und erblickte eine Physionomie, die mich gleich zurückscheuchte: ich fand auch nicht einen Zug im ganzen Gesicht, der etwas gutes verspro- chen hätte. Die Unterhaltung war äusserst kalt, und von Seiten des Herrn Stark sehr nachlässig. Ich lenkte mit Fleiß das Gespräch auf den Hephästio; aber Herr Stark wollte mir nicht Rede stehen: er sagte blos, daß man ihn in Königsberg widerrechtlich gedrückt und verfolgt hätte; doch gehorche er der Vorsehung, und hoffe auf bessere Zeiten. -- Ich bat ihn, da ich einige deistische Schriften gelesen hätte, mir eine gute Widerlegung des deistischen Systems vorzuschlagen; -- und Herr Stark, der große Litterator, empfahl mir -- Nonnotte's Er- reurs de Ms. de Voltaire. Ich staunte, dieses Buch, als eine gute Widerlegung der Deisten von einem Manne nennen zu hören, den ich für sehr aufgeklärt hielt, und gab ihm zu verstehen, daß Non-
Orthodoxie ſchon damals ſehr verdaͤchtig roch, gewiß in dieſer rechtglaͤubig Stadt nicht angekommen ſeyn. Allein da der Erbprinz darauf drang, weil er eben, wie Herr Stark, ein Freimaurer iſt, ſo hatten die Herrn Raͤthe das Herz nicht, zu widerſprechen, und der neue Hofprediger wurde eingefuͤhrt.
Herr Stark hat mir gar nicht gefallen: ich wollte ihn ſprechen, mußte aber viermal wiederkom- men, ehe Seine Hochwuͤrden mich vorlieſſen. End- lich kam ich vor, und erblickte eine Phyſionomie, die mich gleich zuruͤckſcheuchte: ich fand auch nicht einen Zug im ganzen Geſicht, der etwas gutes verſpro- chen haͤtte. Die Unterhaltung war aͤuſſerſt kalt, und von Seiten des Herrn Stark ſehr nachlaͤſſig. Ich lenkte mit Fleiß das Geſpraͤch auf den Hephaͤſtio; aber Herr Stark wollte mir nicht Rede ſtehen: er ſagte blos, daß man ihn in Koͤnigsberg widerrechtlich gedruͤckt und verfolgt haͤtte; doch gehorche er der Vorſehung, und hoffe auf beſſere Zeiten. — Ich bat ihn, da ich einige deiſtiſche Schriften geleſen haͤtte, mir eine gute Widerlegung des deiſtiſchen Syſtems vorzuſchlagen; — und Herr Stark, der große Litterator, empfahl mir — Nonnotte's Er- reurs de Ms. de Voltaire. Ich ſtaunte, dieſes Buch, als eine gute Widerlegung der Deiſten von einem Manne nennen zu hoͤren, den ich fuͤr ſehr aufgeklaͤrt hielt, und gab ihm zu verſtehen, daß Non-
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Orthodoxie ſchon damals ſehr verdaͤchtig roch, gewiß
in dieſer rechtglaͤubig Stadt nicht angekommen ſeyn.
Allein da der Erbprinz darauf drang, weil er eben,
wie Herr Stark, ein Freimaurer iſt, ſo hatten die
Herrn Raͤthe das Herz nicht, zu widerſprechen,
und der neue Hofprediger wurde eingefuͤhrt.
Herr Stark hat mir gar nicht gefallen: ich
wollte ihn ſprechen, mußte aber viermal wiederkom-
men, ehe Seine Hochwuͤrden mich vorlieſſen. End-
lich kam ich vor, und erblickte eine Phyſionomie, die
mich gleich zuruͤckſcheuchte: ich fand auch nicht einen
Zug im ganzen Geſicht, der etwas gutes verſpro-
chen haͤtte. Die Unterhaltung war aͤuſſerſt kalt, und
von Seiten des Herrn Stark ſehr nachlaͤſſig. Ich
lenkte mit Fleiß das Geſpraͤch auf den Hephaͤſtio;
aber Herr Stark wollte mir nicht Rede ſtehen: er
ſagte blos, daß man ihn in Koͤnigsberg widerrechtlich
gedruͤckt und verfolgt haͤtte; doch gehorche er der
Vorſehung, und hoffe auf beſſere Zeiten. — Ich
bat ihn, da ich einige deiſtiſche Schriften geleſen
haͤtte, mir eine gute Widerlegung des deiſtiſchen
Syſtems vorzuſchlagen; — und Herr Stark, der
große Litterator, empfahl mir — Nonnotte's Er-
reurs de Ms. de Voltaire. Ich ſtaunte, dieſes
Buch, als eine gute Widerlegung der Deiſten von
einem Manne nennen zu hoͤren, den ich fuͤr ſehr
aufgeklaͤrt hielt, und gab ihm zu verſtehen, daß Non-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/331>, abgerufen am 24.11.2024.
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