tem Haupte ins Allerheiligste eingegangen sey? Dar- über konnte er sich nun nicht finden, und Venator muste herbei des Nachts zwischen zwölf und eins, um ihm diese wichtige Frage auseinander zu setzen. Bei einer solchen nächtlichen Consultation ergriff auch ein- mal Venator die Gelegenheit, den D. Bahrdt, der von 1771 bis 1775 in Gießen Professor war, dem Landgrafen als einen Socinianer verdächtig zu machen, und so -- orthodox zu stürzen.
Mir schien Venator gewogen zu seyn: warum? weis ich selbst nicht: der Auditeur Reinhard gab mir von weitem zu verstehen, daß der Herr Feld- probst eine Absicht mit mir im Sinne hätte. Es kann seyn, daß das wahr war: aber da aus der ganzen Sache nichts geworden ist: so hab ich niemals erfahren können, was das für eine Absicht gewesen sey.
Meine Supplike an den Landgrafen wurde von Herrn Stauch so gut unterstützt, daß ich 14 Tage nach meiner Zurückkunft, ein Dekret erhielt, darin mir Versorgung versprochen wurde, wenn ich mich in Darmstadt examiniren ließe, und bestünde. Ich schrieb deswegen an den Hofprediger Kremer und an den Superintendenten Olf. Beide antworteten mir, und bestimmten mir einen Tag, wo sie einen Kandidaten-Examen halten würden. Ich erschien, und wurde in der besten Form examinirt. Es waren
tem Haupte ins Allerheiligſte eingegangen ſey? Dar- uͤber konnte er ſich nun nicht finden, und Venator muſte herbei des Nachts zwiſchen zwoͤlf und eins, um ihm dieſe wichtige Frage auseinander zu ſetzen. Bei einer ſolchen naͤchtlichen Conſultation ergriff auch ein- mal Venator die Gelegenheit, den D. Bahrdt, der von 1771 bis 1775 in Gießen Profeſſor war, dem Landgrafen als einen Socinianer verdaͤchtig zu machen, und ſo — orthodox zu ſtuͤrzen.
Mir ſchien Venator gewogen zu ſeyn: warum? weis ich ſelbſt nicht: der Auditeur Reinhard gab mir von weitem zu verſtehen, daß der Herr Feld- probſt eine Abſicht mit mir im Sinne haͤtte. Es kann ſeyn, daß das wahr war: aber da aus der ganzen Sache nichts geworden iſt: ſo hab ich niemals erfahren koͤnnen, was das fuͤr eine Abſicht geweſen ſey.
Meine Supplike an den Landgrafen wurde von Herrn Stauch ſo gut unterſtuͤtzt, daß ich 14 Tage nach meiner Zuruͤckkunft, ein Dekret erhielt, darin mir Verſorgung verſprochen wurde, wenn ich mich in Darmſtadt examiniren ließe, und beſtuͤnde. Ich ſchrieb deswegen an den Hofprediger Kremer und an den Superintendenten Olf. Beide antworteten mir, und beſtimmten mir einen Tag, wo ſie einen Kandidaten-Examen halten wuͤrden. Ich erſchien, und wurde in der beſten Form examinirt. Es waren
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tem Haupte ins Allerheiligſte eingegangen ſey? Dar-
uͤber konnte er ſich nun nicht finden, und Venator
muſte herbei des Nachts zwiſchen zwoͤlf und eins, um
ihm dieſe wichtige Frage auseinander zu ſetzen. Bei
einer ſolchen naͤchtlichen Conſultation ergriff auch ein-
mal Venator die Gelegenheit, den D. Bahrdt, der
von 1771 bis 1775 in Gießen Profeſſor war, dem
Landgrafen als einen Socinianer verdaͤchtig zu machen,
und ſo — orthodox zu ſtuͤrzen.
Mir ſchien Venator gewogen zu ſeyn: warum?
weis ich ſelbſt nicht: der Auditeur Reinhard gab
mir von weitem zu verſtehen, daß der Herr Feld-
probſt eine Abſicht mit mir im Sinne haͤtte. Es
kann ſeyn, daß das wahr war: aber da aus der
ganzen Sache nichts geworden iſt: ſo hab ich niemals
erfahren koͤnnen, was das fuͤr eine Abſicht geweſen
ſey.
Meine Supplike an den Landgrafen wurde von
Herrn Stauch ſo gut unterſtuͤtzt, daß ich 14 Tage
nach meiner Zuruͤckkunft, ein Dekret erhielt, darin
mir Verſorgung verſprochen wurde, wenn ich mich
in Darmſtadt examiniren ließe, und beſtuͤnde. Ich
ſchrieb deswegen an den Hofprediger Kremer und
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/329>, abgerufen am 28.11.2024.
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