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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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Ich besuchte, auf Herrn Stauchs Rath, auch
den Feldprobst Venator, einen erzorthodoxen düstern
Kopf, der mir alsobald auf den Zahn fühlte, und
mich aus einen dogmatischen Kapitel examinirte. Ich
hielt Farbe und behauptete das absurdeste Zeug
mit allen Gründen, die ich aus dem Kompendium
behalten hatte. Das behagte dem guten Herrn,
welcher über die einreissende Ketzerei heftig klagte,
und mich ermahnte, die Bücher des David Hollaz
fleissig zu lesen: Hollaz habe das System recht aufs
reine gebracht u. s. w. Uebrigens konnte Venator
bei dem Landgrafen viel ausrichten, und wer daher
etwas zu suchen hatte, durfte es mit ihm nicht ver-
derben. Er war des Landgrafen geistlicher Konsu-
lent, und mußte seine geistlichen Grillen aufs reine
bringen. Der Landgraf hatte dergleichen mehrere.
Z. B. wenn er des Nachts nicht schlafen konnte;
so dachte er an dies und jenes, und wenn ihm etwas
einfiel, worin er sich nicht zu finden wußte; so ließ
er jemanden holen, der ihm ein kompetenter Richter
zu seyn schien, und sollte es auch Mitternacht seyn.
In geistlichen Sachen war Herr Venator sein gehei-
me Rath und sein Orakel.

Zum Beispiel mag folgendes dienen, das mir
Herr Venator selbst erzählt hat. Dem Landgrafen
fiel einst die wichtige Frage ein: ob der hohe Prie-
ster im alten Testament mit bedecktem oder unbedeck-

Ich beſuchte, auf Herrn Stauchs Rath, auch
den Feldprobſt Venator, einen erzorthodoxen duͤſtern
Kopf, der mir alſobald auf den Zahn fuͤhlte, und
mich aus einen dogmatiſchen Kapitel examinirte. Ich
hielt Farbe und behauptete das abſurdeſte Zeug
mit allen Gruͤnden, die ich aus dem Kompendium
behalten hatte. Das behagte dem guten Herrn,
welcher uͤber die einreiſſende Ketzerei heftig klagte,
und mich ermahnte, die Buͤcher des David Hollaz
fleiſſig zu leſen: Hollaz habe das Syſtem recht aufs
reine gebracht u. ſ. w. Uebrigens konnte Venator
bei dem Landgrafen viel ausrichten, und wer daher
etwas zu ſuchen hatte, durfte es mit ihm nicht ver-
derben. Er war des Landgrafen geiſtlicher Konſu-
lent, und mußte ſeine geiſtlichen Grillen aufs reine
bringen. Der Landgraf hatte dergleichen mehrere.
Z. B. wenn er des Nachts nicht ſchlafen konnte;
ſo dachte er an dies und jenes, und wenn ihm etwas
einfiel, worin er ſich nicht zu finden wußte; ſo ließ
er jemanden holen, der ihm ein kompetenter Richter
zu ſeyn ſchien, und ſollte es auch Mitternacht ſeyn.
In geiſtlichen Sachen war Herr Venator ſein gehei-
me Rath und ſein Orakel.

Zum Beiſpiel mag folgendes dienen, das mir
Herr Venator ſelbſt erzaͤhlt hat. Dem Landgrafen
fiel einſt die wichtige Frage ein: ob der hohe Prie-
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[314/0328] Ich beſuchte, auf Herrn Stauchs Rath, auch den Feldprobſt Venator, einen erzorthodoxen duͤſtern Kopf, der mir alſobald auf den Zahn fuͤhlte, und mich aus einen dogmatiſchen Kapitel examinirte. Ich hielt Farbe und behauptete das abſurdeſte Zeug mit allen Gruͤnden, die ich aus dem Kompendium behalten hatte. Das behagte dem guten Herrn, welcher uͤber die einreiſſende Ketzerei heftig klagte, und mich ermahnte, die Buͤcher des David Hollaz fleiſſig zu leſen: Hollaz habe das Syſtem recht aufs reine gebracht u. ſ. w. Uebrigens konnte Venator bei dem Landgrafen viel ausrichten, und wer daher etwas zu ſuchen hatte, durfte es mit ihm nicht ver- derben. Er war des Landgrafen geiſtlicher Konſu- lent, und mußte ſeine geiſtlichen Grillen aufs reine bringen. Der Landgraf hatte dergleichen mehrere. Z. B. wenn er des Nachts nicht ſchlafen konnte; ſo dachte er an dies und jenes, und wenn ihm etwas einfiel, worin er ſich nicht zu finden wußte; ſo ließ er jemanden holen, der ihm ein kompetenter Richter zu ſeyn ſchien, und ſollte es auch Mitternacht ſeyn. In geiſtlichen Sachen war Herr Venator ſein gehei- me Rath und ſein Orakel. Zum Beiſpiel mag folgendes dienen, das mir Herr Venator ſelbſt erzaͤhlt hat. Dem Landgrafen fiel einſt die wichtige Frage ein: ob der hohe Prie- ſter im alten Teſtament mit bedecktem oder unbedeck-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/328>, abgerufen am 28.11.2024.