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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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denn es möchte ihnen in einem Lande schaden, wo
man so inquisitorisch denkt, wie in der Pfalz. Es
waren übrigens Leute von ziemlich guter Aufführung,
unter welchen ich -- zu meiner Schande muß ichs
gestehen! -- wegen meiner Sauferei der liederlichste
war. Die übrigen tranken zwar auch, wie alle
Pfälzer, und wurden oft schnurrig: ich aber, vom
Gießer Komment und Commers ganz und gar ver-
wöhnt, trieb die Sache weit stärker, als die andern.
Unsre Disputationen wurden meistens beim Wein-
glase geführt, und da disputirt sichs freilich ganz
allerliebst.

Ob wir gleich unsre Sache ziemlich geheim an-
fangs hielten; so waren doch verschiedene Pfaffen
auf unsre Spur gekommen, und hatten uns, beson-
ders mich und meinen ehrlichen Haag, als Erzfrei-
geister ausgeschrieen. Um diesem üblen Gerüchte zu
entgehen, fertigte ich auf Anrathen meines Vaters eine
kleine Schrift aus, und ließ sie im Manuskript zirku-
liren. Das Ding war lateinisch und hieß: Disser-
tatiuncula de veritate Religionis Christ. argu-
mentum morale.
Es enthielt die gewöhnlichen
moralischen Beweise für die Wahrheit der christlichen
Religion, und that ziemlich gute Würkung. In
meinen Zirkeln widerlegte ich, nach Art so man-
ches andern gezwungenen Schriftstellers, mein eignes
Schriftchen, und machte es lächerlich.


denn es moͤchte ihnen in einem Lande ſchaden, wo
man ſo inquiſitoriſch denkt, wie in der Pfalz. Es
waren uͤbrigens Leute von ziemlich guter Auffuͤhrung,
unter welchen ich — zu meiner Schande muß ichs
geſtehen! — wegen meiner Sauferei der liederlichſte
war. Die uͤbrigen tranken zwar auch, wie alle
Pfaͤlzer, und wurden oft ſchnurrig: ich aber, vom
Gießer Komment und Commers ganz und gar ver-
woͤhnt, trieb die Sache weit ſtaͤrker, als die andern.
Unſre Diſputationen wurden meiſtens beim Wein-
glaſe gefuͤhrt, und da diſputirt ſichs freilich ganz
allerliebſt.

Ob wir gleich unſre Sache ziemlich geheim an-
fangs hielten; ſo waren doch verſchiedene Pfaffen
auf unſre Spur gekommen, und hatten uns, beſon-
ders mich und meinen ehrlichen Haag, als Erzfrei-
geiſter ausgeſchrieen. Um dieſem uͤblen Geruͤchte zu
entgehen, fertigte ich auf Anrathen meines Vaters eine
kleine Schrift aus, und ließ ſie im Manuſkript zirku-
liren. Das Ding war lateiniſch und hieß: Diſſer-
tatiuncula de veritate Religionis Chriſt. argu-
mentum morale.
Es enthielt die gewoͤhnlichen
moraliſchen Beweiſe fuͤr die Wahrheit der chriſtlichen
Religion, und that ziemlich gute Wuͤrkung. In
meinen Zirkeln widerlegte ich, nach Art ſo man-
ches andern gezwungenen Schriftſtellers, mein eignes
Schriftchen, und machte es laͤcherlich.


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[301/0315] denn es moͤchte ihnen in einem Lande ſchaden, wo man ſo inquiſitoriſch denkt, wie in der Pfalz. Es waren uͤbrigens Leute von ziemlich guter Auffuͤhrung, unter welchen ich — zu meiner Schande muß ichs geſtehen! — wegen meiner Sauferei der liederlichſte war. Die uͤbrigen tranken zwar auch, wie alle Pfaͤlzer, und wurden oft ſchnurrig: ich aber, vom Gießer Komment und Commers ganz und gar ver- woͤhnt, trieb die Sache weit ſtaͤrker, als die andern. Unſre Diſputationen wurden meiſtens beim Wein- glaſe gefuͤhrt, und da diſputirt ſichs freilich ganz allerliebſt. Ob wir gleich unſre Sache ziemlich geheim an- fangs hielten; ſo waren doch verſchiedene Pfaffen auf unſre Spur gekommen, und hatten uns, beſon- ders mich und meinen ehrlichen Haag, als Erzfrei- geiſter ausgeſchrieen. Um dieſem uͤblen Geruͤchte zu entgehen, fertigte ich auf Anrathen meines Vaters eine kleine Schrift aus, und ließ ſie im Manuſkript zirku- liren. Das Ding war lateiniſch und hieß: Diſſer- tatiuncula de veritate Religionis Chriſt. argu- mentum morale. Es enthielt die gewoͤhnlichen moraliſchen Beweiſe fuͤr die Wahrheit der chriſtlichen Religion, und that ziemlich gute Wuͤrkung. In meinen Zirkeln widerlegte ich, nach Art ſo man- ches andern gezwungenen Schriftſtellers, mein eignes Schriftchen, und machte es laͤcherlich.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/315>, abgerufen am 24.11.2024.