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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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In die deutsche Schule zum Katechismus oder
zum Religionsunterricht, wollte mich mein Vater
aus guten Gründen nicht schicken. Er war, wie
meine Leser schon wissen, ein Pantheist, mußte folg-
lich die Art, wie man Kindern in den Schulen von
der Religion vorschwazt, von Herzen verabscheuen:
ich durfte also den Katechismus nicht lernen, und
habe ihn auch nie gelernt. Erst in Gießen, als ich
D. Benners Vorlesungen über die Symbolik
hörte, las ich den Katechismus Lutheri mit allem
Ernst.

Dagegen wurde schon in meinen frühern Jah-
ren das Latein mit mir angefangen, und zwar aus
Amos Comenius bekanntem Buche, dem Orbis
pictus
g). Ich muß gestehen, daß ich diesem Buche
vieles verdanke: es ist das beste Buch, welches ich
kenne, um Kindern eine Menge Vokabeln und latei-
nische Redensarten spielend und ohne allen Eckel bei-
zubringen. Ein Knabe, der den Orbis pictus

g) Herr Adelung hat das Leben des braven Comme-
nius seiner Geschichte der menschlichen Narrheit ein-
verleibt. Das hätte er nicht thun sollen: Comme-
nius hatte Verdienste, und war wenigstens kein Narr.
Aber Herr Adelung hat auch andere Männer in die
Klasse der Narren gebracht, die es nicht verdienten,
z. B. den Jordan Brunus, wobei ihm das Bailtsche
Wörterbuch hätte aushelfen können.
Erster Theil. B

In die deutſche Schule zum Katechismus oder
zum Religionsunterricht, wollte mich mein Vater
aus guten Gruͤnden nicht ſchicken. Er war, wie
meine Leſer ſchon wiſſen, ein Pantheiſt, mußte folg-
lich die Art, wie man Kindern in den Schulen von
der Religion vorſchwazt, von Herzen verabſcheuen:
ich durfte alſo den Katechismus nicht lernen, und
habe ihn auch nie gelernt. Erſt in Gießen, als ich
D. Benners Vorleſungen uͤber die Symbolik
hoͤrte, las ich den Katechismus Lutheri mit allem
Ernſt.

Dagegen wurde ſchon in meinen fruͤhern Jah-
ren das Latein mit mir angefangen, und zwar aus
Amos Comenius bekanntem Buche, dem Orbis
pictus
g). Ich muß geſtehen, daß ich dieſem Buche
vieles verdanke: es iſt das beſte Buch, welches ich
kenne, um Kindern eine Menge Vokabeln und latei-
niſche Redensarten ſpielend und ohne allen Eckel bei-
zubringen. Ein Knabe, der den Orbis pictus

g) Herr Adelung hat das Leben des braven Comme-
nius ſeiner Geſchichte der menſchlichen Narrheit ein-
verleibt. Das haͤtte er nicht thun ſollen: Comme-
nius hatte Verdienſte, und war wenigſtens kein Narr.
Aber Herr Adelung hat auch andere Maͤnner in die
Klaſſe der Narren gebracht, die es nicht verdienten,
z. B. den Jordan Brunus, wobei ihm das Bailtſche
Woͤrterbuch haͤtte aushelfen koͤnnen.
Erſter Theil. B
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[17/0031] In die deutſche Schule zum Katechismus oder zum Religionsunterricht, wollte mich mein Vater aus guten Gruͤnden nicht ſchicken. Er war, wie meine Leſer ſchon wiſſen, ein Pantheiſt, mußte folg- lich die Art, wie man Kindern in den Schulen von der Religion vorſchwazt, von Herzen verabſcheuen: ich durfte alſo den Katechismus nicht lernen, und habe ihn auch nie gelernt. Erſt in Gießen, als ich D. Benners Vorleſungen uͤber die Symbolik hoͤrte, las ich den Katechismus Lutheri mit allem Ernſt. Dagegen wurde ſchon in meinen fruͤhern Jah- ren das Latein mit mir angefangen, und zwar aus Amos Comenius bekanntem Buche, dem Orbis pictus g). Ich muß geſtehen, daß ich dieſem Buche vieles verdanke: es iſt das beſte Buch, welches ich kenne, um Kindern eine Menge Vokabeln und latei- niſche Redensarten ſpielend und ohne allen Eckel bei- zubringen. Ein Knabe, der den Orbis pictus g) Herr Adelung hat das Leben des braven Comme- nius ſeiner Geſchichte der menſchlichen Narrheit ein- verleibt. Das haͤtte er nicht thun ſollen: Comme- nius hatte Verdienſte, und war wenigſtens kein Narr. Aber Herr Adelung hat auch andere Maͤnner in die Klaſſe der Narren gebracht, die es nicht verdienten, z. B. den Jordan Brunus, wobei ihm das Bailtſche Woͤrterbuch haͤtte aushelfen koͤnnen. Erſter Theil. B

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/31>, abgerufen am 28.03.2024.