sie empfohlen sind, vorschlägt, und hören dann zu. Hefte werden in Heidelberg bei den Reformirten gar nicht geschrieben: bei den Katholiken aber wird alles Vorgesagte von den Zuhörern schriftlich aufgezeichnet. Wenn ein Student zehn Stunden wöchentlich zu hö- ren hat, so denkt er wunder, welche Arbeit er habe! Nach drei Jahren zieht er wieder ab, läßt sich exa- miniren, und zwar bei seinen Lehrern, die ihn dann freilich nicht abweisen, und er wird mit der Zeit Pastor, Schaffner, Amtmann, Doktor oder sonst etwas.
Der Komment ist zu Heidelberg elend, auch nur wenn man ihn nach eingeführten akademischen Regeln mißt. Die Studenten unterscheiden sich in Absicht ihrer Aufführung wenig von Gymnasiasten: es fehlt ihnen allen das sonst bei Studenten gewöhn- liche freie unbefangene Wesen. Doch saufen die Leut- chen wie die Bürstenbinder, denn der Wein ist sehr wohlfeil da. Schlägereien sind gar nicht Mode, ob- gleich den Studenten erlaubt ist, Degen zu tragen. Aber en Revanche nehmen die Herren allerhand Zeug vor, welches sonst Schüler aus Muthwillen oder Langerweile zu thun pflegen: sie spielen Ball, gehen auf Stelzen, suchen Vogelnester, spielen mit Weinschrotern, welche sie zusammenjochen, und an ein kleines Wägelchen spannen u. d. g. Das Pasquil- liren ist auch ihnen gar gewöhnlich.
ſie empfohlen ſind, vorſchlaͤgt, und hoͤren dann zu. Hefte werden in Heidelberg bei den Reformirten gar nicht geſchrieben: bei den Katholiken aber wird alles Vorgeſagte von den Zuhoͤrern ſchriftlich aufgezeichnet. Wenn ein Student zehn Stunden woͤchentlich zu hoͤ- ren hat, ſo denkt er wunder, welche Arbeit er habe! Nach drei Jahren zieht er wieder ab, laͤßt ſich exa- miniren, und zwar bei ſeinen Lehrern, die ihn dann freilich nicht abweiſen, und er wird mit der Zeit Paſtor, Schaffner, Amtmann, Doktor oder ſonſt etwas.
Der Komment iſt zu Heidelberg elend, auch nur wenn man ihn nach eingefuͤhrten akademiſchen Regeln mißt. Die Studenten unterſcheiden ſich in Abſicht ihrer Auffuͤhrung wenig von Gymnaſiaſten: es fehlt ihnen allen das ſonſt bei Studenten gewoͤhn- liche freie unbefangene Weſen. Doch ſaufen die Leut- chen wie die Buͤrſtenbinder, denn der Wein iſt ſehr wohlfeil da. Schlaͤgereien ſind gar nicht Mode, ob- gleich den Studenten erlaubt iſt, Degen zu tragen. Aber en Revanche nehmen die Herren allerhand Zeug vor, welches ſonſt Schuͤler aus Muthwillen oder Langerweile zu thun pflegen: ſie ſpielen Ball, gehen auf Stelzen, ſuchen Vogelneſter, ſpielen mit Weinſchrotern, welche ſie zuſammenjochen, und an ein kleines Waͤgelchen ſpannen u. d. g. Das Pasquil- liren iſt auch ihnen gar gewoͤhnlich.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0309"n="295"/>ſie empfohlen ſind, vorſchlaͤgt, und hoͤren dann zu.<lb/>
Hefte werden in Heidelberg bei den Reformirten gar<lb/>
nicht geſchrieben: bei den Katholiken aber wird alles<lb/>
Vorgeſagte von den Zuhoͤrern ſchriftlich aufgezeichnet.<lb/>
Wenn ein Student zehn Stunden woͤchentlich zu hoͤ-<lb/>
ren hat, ſo denkt er wunder, welche Arbeit er habe!<lb/>
Nach drei Jahren zieht er wieder ab, laͤßt ſich exa-<lb/>
miniren, und zwar bei ſeinen Lehrern, die ihn dann<lb/>
freilich nicht abweiſen, und er wird mit der Zeit<lb/>
Paſtor, Schaffner, Amtmann, Doktor oder ſonſt<lb/>
etwas.</p><lb/><p>Der Komment iſt zu Heidelberg elend, auch<lb/>
nur wenn man ihn nach eingefuͤhrten akademiſchen<lb/>
Regeln mißt. Die Studenten unterſcheiden ſich in<lb/>
Abſicht ihrer Auffuͤhrung wenig von Gymnaſiaſten:<lb/>
es fehlt ihnen allen das ſonſt bei Studenten gewoͤhn-<lb/>
liche freie unbefangene Weſen. Doch ſaufen die Leut-<lb/>
chen wie die Buͤrſtenbinder, denn der Wein iſt ſehr<lb/>
wohlfeil da. Schlaͤgereien ſind gar nicht Mode, ob-<lb/>
gleich den Studenten erlaubt iſt, Degen zu tragen.<lb/>
Aber <hirendition="#aq">en Revanche</hi> nehmen die Herren allerhand<lb/>
Zeug vor, welches ſonſt Schuͤler aus Muthwillen<lb/>
oder Langerweile zu thun pflegen: ſie ſpielen Ball,<lb/>
gehen auf Stelzen, ſuchen Vogelneſter, ſpielen mit<lb/>
Weinſchrotern, welche ſie zuſammenjochen, und an<lb/>
ein kleines Waͤgelchen ſpannen u. d. g. Das Pasquil-<lb/>
liren iſt auch ihnen gar gewoͤhnlich.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[295/0309]
ſie empfohlen ſind, vorſchlaͤgt, und hoͤren dann zu.
Hefte werden in Heidelberg bei den Reformirten gar
nicht geſchrieben: bei den Katholiken aber wird alles
Vorgeſagte von den Zuhoͤrern ſchriftlich aufgezeichnet.
Wenn ein Student zehn Stunden woͤchentlich zu hoͤ-
ren hat, ſo denkt er wunder, welche Arbeit er habe!
Nach drei Jahren zieht er wieder ab, laͤßt ſich exa-
miniren, und zwar bei ſeinen Lehrern, die ihn dann
freilich nicht abweiſen, und er wird mit der Zeit
Paſtor, Schaffner, Amtmann, Doktor oder ſonſt
etwas.
Der Komment iſt zu Heidelberg elend, auch
nur wenn man ihn nach eingefuͤhrten akademiſchen
Regeln mißt. Die Studenten unterſcheiden ſich in
Abſicht ihrer Auffuͤhrung wenig von Gymnaſiaſten:
es fehlt ihnen allen das ſonſt bei Studenten gewoͤhn-
liche freie unbefangene Weſen. Doch ſaufen die Leut-
chen wie die Buͤrſtenbinder, denn der Wein iſt ſehr
wohlfeil da. Schlaͤgereien ſind gar nicht Mode, ob-
gleich den Studenten erlaubt iſt, Degen zu tragen.
Aber en Revanche nehmen die Herren allerhand
Zeug vor, welches ſonſt Schuͤler aus Muthwillen
oder Langerweile zu thun pflegen: ſie ſpielen Ball,
gehen auf Stelzen, ſuchen Vogelneſter, ſpielen mit
Weinſchrotern, welche ſie zuſammenjochen, und an
ein kleines Waͤgelchen ſpannen u. d. g. Das Pasquil-
liren iſt auch ihnen gar gewoͤhnlich.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/309>, abgerufen am 05.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.