predigte Moral, und nicht vom Satan oder vom Blut Jesu Christi, das uns rein macht von allen Sünden. Genug die Bauern und die Bürger hörten, wo ich auftrat, etwas neues. Ich bin nie ein Red- ner gewesen; allein in der Pfalz braucht man nur eine reine Aussprache zu haben, und nicht abzulesen, um des Beifalls beim Predigen sicher zu seyn. Da die Herren Prediger auch da, wie überall, kommode sind, und gern für sich kanzeln lassen; so hatte ich überflüssig Gelegenheit, mich im Kanzelvortrage zu üben, und that es auch. Besonders predigte ich gern für den Pfarrer Stuber zu Flonheim, der mein wahrer Freund, auch in meinen Mühseligkeiten gewesen ist. Herr Stuber gehört unter die wenigen Kirchenlehrer in der Pfalz, die man, ohne daß es einem übel wird, nennen kann, wenn man sie kennt.
Ich kam bald in Bekanntschaft mit dem Amt- mann Schröder in Grehweiler, einem Manne von seltner Ehrlichkeit, und nicht gemeinen Kennt- nissen; der aber, weil er sich mit dem faselhaften Kammerrath Fabel und andern dieses Gesichters nicht vertragen, das heißt, dieser Herren Schleich- wege nicht billigen konnte, tausend Verdrüßlichkei- ten ausstehen mußte. Herr Schröder öffnete mir seine wohlversehene Bibliothek, und da las ich in- nerhalb einigen Jahren fast alle Werke des Vol-
predigte Moral, und nicht vom Satan oder vom Blut Jeſu Chriſti, das uns rein macht von allen Suͤnden. Genug die Bauern und die Buͤrger hoͤrten, wo ich auftrat, etwas neues. Ich bin nie ein Red- ner geweſen; allein in der Pfalz braucht man nur eine reine Ausſprache zu haben, und nicht abzuleſen, um des Beifalls beim Predigen ſicher zu ſeyn. Da die Herren Prediger auch da, wie uͤberall, kommode ſind, und gern fuͤr ſich kanzeln laſſen; ſo hatte ich uͤberfluͤſſig Gelegenheit, mich im Kanzelvortrage zu uͤben, und that es auch. Beſonders predigte ich gern fuͤr den Pfarrer Stuber zu Flonheim, der mein wahrer Freund, auch in meinen Muͤhſeligkeiten geweſen iſt. Herr Stuber gehoͤrt unter die wenigen Kirchenlehrer in der Pfalz, die man, ohne daß es einem uͤbel wird, nennen kann, wenn man ſie kennt.
Ich kam bald in Bekanntſchaft mit dem Amt- mann Schroͤder in Grehweiler, einem Manne von ſeltner Ehrlichkeit, und nicht gemeinen Kennt- niſſen; der aber, weil er ſich mit dem faſelhaften Kammerrath Fabel und andern dieſes Geſichters nicht vertragen, das heißt, dieſer Herren Schleich- wege nicht billigen konnte, tauſend Verdruͤßlichkei- ten ausſtehen mußte. Herr Schroͤder oͤffnete mir ſeine wohlverſehene Bibliothek, und da las ich in- nerhalb einigen Jahren faſt alle Werke des Vol-
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predigte Moral, und nicht vom Satan oder vom
Blut Jeſu Chriſti, das uns rein macht von allen
Suͤnden. Genug die Bauern und die Buͤrger hoͤrten,
wo ich auftrat, etwas neues. Ich bin nie ein Red-
ner geweſen; allein in der Pfalz braucht man nur
eine reine Ausſprache zu haben, und nicht abzuleſen,
um des Beifalls beim Predigen ſicher zu ſeyn. Da
die Herren Prediger auch da, wie uͤberall, kommode
ſind, und gern fuͤr ſich kanzeln laſſen; ſo hatte ich
uͤberfluͤſſig Gelegenheit, mich im Kanzelvortrage zu
uͤben, und that es auch. Beſonders predigte ich
gern fuͤr den Pfarrer Stuber zu Flonheim, der
mein wahrer Freund, auch in meinen Muͤhſeligkeiten
geweſen iſt. Herr Stuber gehoͤrt unter die wenigen
Kirchenlehrer in der Pfalz, die man, ohne daß es
einem uͤbel wird, nennen kann, wenn man ſie
kennt.
Ich kam bald in Bekanntſchaft mit dem Amt-
mann Schroͤder in Grehweiler, einem Manne
von ſeltner Ehrlichkeit, und nicht gemeinen Kennt-
niſſen; der aber, weil er ſich mit dem faſelhaften
Kammerrath Fabel und andern dieſes Geſichters
nicht vertragen, das heißt, dieſer Herren Schleich-
wege nicht billigen konnte, tauſend Verdruͤßlichkei-
ten ausſtehen mußte. Herr Schroͤder oͤffnete mir
ſeine wohlverſehene Bibliothek, und da las ich in-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/281>, abgerufen am 22.11.2024.
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