Die Studenten haben zu meiner Zeit auch ei- nen Krieg mit den Schneidern geführt, der aber ausging, wie alle Studentenkriege. Es sind Lappe- reien, worüber der gescheute Mann -- der man lei- der als Akademist so selten ist -- die Achsel zuckt. Bei Gelegenheit dieses Krieges kamen auch verschie- dene Schriften heraus, wie vor einigen Jahren zu Halle wegen der berühmten Fensterkanonade. Es wurde auch ein schönes Lobgedicht auf die Schneider komponirt, und einige Zeit über von den Studen- ten auf den Straßen abgesungen.
In Göttingen konnte ich bei weitem die Figur nicht spielen, welche ich in Gießen gespielt hatte: dazu hatte ich nicht Geld genug. Mein Vater gab mir zwar so viel, als ich brauchte, um ordentlich zu leben, und nicht nöthig zu haben, Wasser zu trin- ken, wie er sagte: aber ich könnte doch nicht aus- reuten, ausfahren, nach Kassel reisen, alle [ - 4 Zeichen fehlen] en Wichs erscheinen, wie so viel andre, welche G[ - 3 Zeichen fehlen] hatten. Daher blieb ich immer im Dunkeln, und war blos meinen Freunden näher bekannt. Ich will nicht sagen, daß ich mich geärgert hätte, daß ich kei- ne Rolle spielen konnte: ich stand damals in den Ge- danken, daß Concerte, Bälle, Assambieen, Spatzier- fahrten u. d. g. gar nicht zum Wesen des Studen- ten gehörten: daß der Bursch eben nicht gerade im Briefwechsel mit Mamsell Philippine G -- -- --
Die Studenten haben zu meiner Zeit auch ei- nen Krieg mit den Schneidern gefuͤhrt, der aber ausging, wie alle Studentenkriege. Es ſind Lappe- reien, woruͤber der geſcheute Mann — der man lei- der als Akademiſt ſo ſelten iſt — die Achſel zuckt. Bei Gelegenheit dieſes Krieges kamen auch verſchie- dene Schriften heraus, wie vor einigen Jahren zu Halle wegen der beruͤhmten Fenſterkanonade. Es wurde auch ein ſchoͤnes Lobgedicht auf die Schneider komponirt, und einige Zeit uͤber von den Studen- ten auf den Straßen abgeſungen.
In Goͤttingen konnte ich bei weitem die Figur nicht ſpielen, welche ich in Gießen geſpielt hatte: dazu hatte ich nicht Geld genug. Mein Vater gab mir zwar ſo viel, als ich brauchte, um ordentlich zu leben, und nicht noͤthig zu haben, Waſſer zu trin- ken, wie er ſagte: aber ich koͤnnte doch nicht aus- reuten, ausfahren, nach Kaſſel reiſen, alle [ – 4 Zeichen fehlen] en Wichs erſcheinen, wie ſo viel andre, welche G[ – 3 Zeichen fehlen] hatten. Daher blieb ich immer im Dunkeln, und war blos meinen Freunden naͤher bekannt. Ich will nicht ſagen, daß ich mich geaͤrgert haͤtte, daß ich kei- ne Rolle ſpielen konnte: ich ſtand damals in den Ge- danken, daß Concerte, Baͤlle, Aſſambieen, Spatzier- fahrten u. d. g. gar nicht zum Weſen des Studen- ten gehoͤrten: daß der Burſch eben nicht gerade im Briefwechſel mit Mamſell Philippine G — — —
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Die Studenten haben zu meiner Zeit auch ei-
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ausging, wie alle Studentenkriege. Es ſind Lappe-
reien, woruͤber der geſcheute Mann — der man lei-
der als Akademiſt ſo ſelten iſt — die Achſel zuckt.
Bei Gelegenheit dieſes Krieges kamen auch verſchie-
dene Schriften heraus, wie vor einigen Jahren zu
Halle wegen der beruͤhmten Fenſterkanonade. Es
wurde auch ein ſchoͤnes Lobgedicht auf die Schneider
komponirt, und einige Zeit uͤber von den Studen-
ten auf den Straßen abgeſungen.
In Goͤttingen konnte ich bei weitem die Figur
nicht ſpielen, welche ich in Gießen geſpielt hatte:
dazu hatte ich nicht Geld genug. Mein Vater gab
mir zwar ſo viel, als ich brauchte, um ordentlich zu
leben, und nicht noͤthig zu haben, Waſſer zu trin-
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hatten. Daher blieb ich immer im Dunkeln, und
war blos meinen Freunden naͤher bekannt. Ich will
nicht ſagen, daß ich mich geaͤrgert haͤtte, daß ich kei-
ne Rolle ſpielen konnte: ich ſtand damals in den Ge-
danken, daß Concerte, Baͤlle, Aſſambieen, Spatzier-
fahrten u. d. g. gar nicht zum Weſen des Studen-
ten gehoͤrten: daß der Burſch eben nicht gerade im
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/276>, abgerufen am 24.11.2024.
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