den Reisegeld auszuhelfen. Der ehrliche Mann that es gern, und erst vier Jahre hernach ist er be- zahlt worden, weil er nicht mahnte, und ich mei- nem Vater von dieser Schuld nichts sagen, aber auch, wenn ich Geld hatte, von dem Meinigen nicht bezahlen wollte.
Nun nahm ich mir im Ernste vor, den andern Tag Frankfurt zu verlassen; doch sollte den Abend Madam Agrikola noch einmal besucht werden. Ich ging zeitig hin, und erklärte, daß ich morgen abrei- sein würde. Ein gewisser Mensch von etwa dreissig Jahren, den ich einigemal in diesem berufenen Loche gesehen hatte, war zugegen, und fragte mich, ob ich über Darmstadt oder Mainz gehen würde? Ich antwortete ihm: daß ich über Mainz müste, weil ich dahin meinen Koffer von Gießen aus geschickt hätte. "So wären wir ja Reisegefährten: ich gehe Morgen auch dahin," sagte er, und trank mir zu. Ich freute mich, jemanden zu haben, mit dem ich unterwegs auf dem Marktschiffe vom Jubel in Frankfurt schwa- tzen könnte, und drängte mich näher an den -- Spitzbuben.
Gegen neun Uhr wollte ich fort. Mein saube- rer Kumpan begleitete mich: ich hatte schon eine Schnurre, und so wars ihm leicht, mich noch ein- mal in ein Wirthshaus zu verführen. Er sagte mir, da gäb es herrlichen Wein, und wohlfeilen, und
den Reiſegeld auszuhelfen. Der ehrliche Mann that es gern, und erſt vier Jahre hernach iſt er be- zahlt worden, weil er nicht mahnte, und ich mei- nem Vater von dieſer Schuld nichts ſagen, aber auch, wenn ich Geld hatte, von dem Meinigen nicht bezahlen wollte.
Nun nahm ich mir im Ernſte vor, den andern Tag Frankfurt zu verlaſſen; doch ſollte den Abend Madam Agrikola noch einmal beſucht werden. Ich ging zeitig hin, und erklaͤrte, daß ich morgen abrei- ſein wuͤrde. Ein gewiſſer Menſch von etwa dreiſſig Jahren, den ich einigemal in dieſem berufenen Loche geſehen hatte, war zugegen, und fragte mich, ob ich uͤber Darmſtadt oder Mainz gehen wuͤrde? Ich antwortete ihm: daß ich uͤber Mainz muͤſte, weil ich dahin meinen Koffer von Gießen aus geſchickt haͤtte. „So waͤren wir ja Reiſegefaͤhrten: ich gehe Morgen auch dahin,“ ſagte er, und trank mir zu. Ich freute mich, jemanden zu haben, mit dem ich unterwegs auf dem Marktſchiffe vom Jubel in Frankfurt ſchwa- tzen koͤnnte, und draͤngte mich naͤher an den — Spitzbuben.
Gegen neun Uhr wollte ich fort. Mein ſaube- rer Kumpan begleitete mich: ich hatte ſchon eine Schnurre, und ſo wars ihm leicht, mich noch ein- mal in ein Wirthshaus zu verfuͤhren. Er ſagte mir, da gaͤb es herrlichen Wein, und wohlfeilen, und
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den Reiſegeld auszuhelfen. Der ehrliche Mann that
es gern, und erſt vier Jahre hernach iſt er be-
zahlt worden, weil er nicht mahnte, und ich mei-
nem Vater von dieſer Schuld nichts ſagen, aber
auch, wenn ich Geld hatte, von dem Meinigen
nicht bezahlen wollte.
Nun nahm ich mir im Ernſte vor, den andern
Tag Frankfurt zu verlaſſen; doch ſollte den Abend
Madam Agrikola noch einmal beſucht werden. Ich
ging zeitig hin, und erklaͤrte, daß ich morgen abrei-
ſein wuͤrde. Ein gewiſſer Menſch von etwa dreiſſig
Jahren, den ich einigemal in dieſem berufenen Loche
geſehen hatte, war zugegen, und fragte mich, ob
ich uͤber Darmſtadt oder Mainz gehen wuͤrde? Ich
antwortete ihm: daß ich uͤber Mainz muͤſte, weil ich
dahin meinen Koffer von Gießen aus geſchickt haͤtte.
„So waͤren wir ja Reiſegefaͤhrten: ich gehe Morgen
auch dahin,“ ſagte er, und trank mir zu. Ich freute
mich, jemanden zu haben, mit dem ich unterwegs
auf dem Marktſchiffe vom Jubel in Frankfurt ſchwa-
tzen koͤnnte, und draͤngte mich naͤher an den —
Spitzbuben.
Gegen neun Uhr wollte ich fort. Mein ſaube-
rer Kumpan begleitete mich: ich hatte ſchon eine
Schnurre, und ſo wars ihm leicht, mich noch ein-
mal in ein Wirthshaus zu verfuͤhren. Er ſagte mir,
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/251>, abgerufen am 24.11.2024.
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