Wir hielten uns über acht Tage in Mainz auf, wonach Lony in sein Vaterland, und ich zu meinem kranken Onkel nach Oppenheim, und von da über Darmstadt wieder nach Gießen zurückkehrte.
Die Universität zu Mainz hat nie viel getaugt. Man giebt zwar vor, daß mehrere Protestanten da- selbst studiren; aber das ist nicht wahr. Ich habe noch im verwichnen Sommer einen Studenten in Halle gesprochen, der von Mainz kam, und mich versicherte, es seyen gar keine Protestanten da. Vor drei Jahren wollte ein Vetter von mir, Herr Vi- triarius von Partenheim bei Mainz, der in Jena Medicin studirt hatte, daselbst Doctor werden: die medicinische Fakultät war es zufrieden; aber die The- ologen, besonders Herr Hettersdorf und Freund Goldhagen, der Exjesuit, widersprachen: "der "Eid rede ja -- gaben sie vor -- von der immacu- "lata conceptione B. Virginisp), und den könne "kein Protestant ablegen." So wurde denn Herr Vitriarius abgewiesen, und mußte in Gießen sich promoviren lassen. Das ist ein ganz neues Pröb- chen von der sonst hochgelobten Mainzer Toleranz!
p) Diesen frommen Glaubensartikel hat die Mainzer Uni- niversität angenommen, zum Beweise ihrer erbaulichen Herablassung zu den Galanterie-Grillen der Franzis- kaner über -- die liebe Maria!
Wir hielten uns uͤber acht Tage in Mainz auf, wonach Lony in ſein Vaterland, und ich zu meinem kranken Onkel nach Oppenheim, und von da uͤber Darmſtadt wieder nach Gießen zuruͤckkehrte.
Die Univerſitaͤt zu Mainz hat nie viel getaugt. Man giebt zwar vor, daß mehrere Proteſtanten da- ſelbſt ſtudiren; aber das iſt nicht wahr. Ich habe noch im verwichnen Sommer einen Studenten in Halle geſprochen, der von Mainz kam, und mich verſicherte, es ſeyen gar keine Proteſtanten da. Vor drei Jahren wollte ein Vetter von mir, Herr Vi- triarius von Partenheim bei Mainz, der in Jena Medicin ſtudirt hatte, daſelbſt Doctor werden: die mediciniſche Fakultaͤt war es zufrieden; aber die The- ologen, beſonders Herr Hettersdorf und Freund Goldhagen, der Exjeſuit, widerſprachen: „der „Eid rede ja — gaben ſie vor — von der immacu- „lata conceptione B. Virginisp), und den koͤnne „kein Proteſtant ablegen.“ So wurde denn Herr Vitriarius abgewieſen, und mußte in Gießen ſich promoviren laſſen. Das iſt ein ganz neues Proͤb- chen von der ſonſt hochgelobten Mainzer Toleranz!
p) Dieſen frommen Glaubensartikel hat die Mainzer Uni- niverſitaͤt angenommen, zum Beweiſe ihrer erbaulichen Herablaſſung zu den Galanterie-Grillen der Franzis- kaner uͤber — die liebe Maria!
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Wir hielten uns uͤber acht Tage in Mainz auf,
wonach Lony in ſein Vaterland, und ich zu meinem
kranken Onkel nach Oppenheim, und von da uͤber
Darmſtadt wieder nach Gießen zuruͤckkehrte.
Die Univerſitaͤt zu Mainz hat nie viel getaugt.
Man giebt zwar vor, daß mehrere Proteſtanten da-
ſelbſt ſtudiren; aber das iſt nicht wahr. Ich habe
noch im verwichnen Sommer einen Studenten in
Halle geſprochen, der von Mainz kam, und mich
verſicherte, es ſeyen gar keine Proteſtanten da. Vor
drei Jahren wollte ein Vetter von mir, Herr Vi-
triarius von Partenheim bei Mainz, der in Jena
Medicin ſtudirt hatte, daſelbſt Doctor werden: die
mediciniſche Fakultaͤt war es zufrieden; aber die The-
ologen, beſonders Herr Hettersdorf und Freund
Goldhagen, der Exjeſuit, widerſprachen: „der
„Eid rede ja — gaben ſie vor — von der immacu-
„lata conceptione B. Virginis p), und den koͤnne
„kein Proteſtant ablegen.“ So wurde denn Herr
Vitriarius abgewieſen, und mußte in Gießen ſich
promoviren laſſen. Das iſt ein ganz neues Proͤb-
chen von der ſonſt hochgelobten Mainzer Toleranz!
p) Dieſen frommen Glaubensartikel hat die Mainzer Uni-
niverſitaͤt angenommen, zum Beweiſe ihrer erbaulichen
Herablaſſung zu den Galanterie-Grillen der Franzis-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/237>, abgerufen am 21.11.2024.
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