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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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Ich gab soviel von meiner Baarschaft her, als
ich entbehren konnte. Ich sprach in allen Hessischen
Schenken ein, und hörte da nichts als Klagen und
Verwünschungen. Ich stehe dafür, wenn ein Fürst
zu Fuße und unbekannt eine Reise durch seine Länder
vornähme: es würde manches geändert werden;
aber so sitzen die guten Herren in Schlössern und in
Zirkeln, wo Noth und Armuth fremde Namen sind;
und da lernen sie die Beulen und Wunden nicht
kennen, an denen ihre armen Unterthanen krank
liegen.

Ganz anders sieht es im Gothaischen und Wei-
marschen aus und noch besser im Erfurthischen. Zu
Erfurth selbst lernte ich einige Studenten kennen,
welche aber meinem damaligen Geschmack weit weni-
ger entsprachen als die Marburger. Ich hospitirte
auch in den Vorlesungen zweier Professoren, des
Paters Grant -- nicht le Grand, wie Herr D.
Bahrdt schreibt -- und des Professors Froriep,
welcher damals schon allerlei Specktackel und Hän-
del machte. Herr Grant hat mir sehr gefallen: er
las Physik. -- Der Herr Froriep behagte mir gar
nicht. Gern hätte ich auch einen katholischen Theo-
logen hören mögen; aber da war niemand, der mich
in ein solches Auditorium hätte führen können, oder
wollen. Das Hospitiren ist überhaupt in den katho-
lischen Theologischen Hörsälen gar nicht Mode.


Ich gab ſoviel von meiner Baarſchaft her, als
ich entbehren konnte. Ich ſprach in allen Heſſiſchen
Schenken ein, und hoͤrte da nichts als Klagen und
Verwuͤnſchungen. Ich ſtehe dafuͤr, wenn ein Fuͤrſt
zu Fuße und unbekannt eine Reiſe durch ſeine Laͤnder
vornaͤhme: es wuͤrde manches geaͤndert werden;
aber ſo ſitzen die guten Herren in Schloͤſſern und in
Zirkeln, wo Noth und Armuth fremde Namen ſind;
und da lernen ſie die Beulen und Wunden nicht
kennen, an denen ihre armen Unterthanen krank
liegen.

Ganz anders ſieht es im Gothaiſchen und Wei-
marſchen aus und noch beſſer im Erfurthiſchen. Zu
Erfurth ſelbſt lernte ich einige Studenten kennen,
welche aber meinem damaligen Geſchmack weit weni-
ger entſprachen als die Marburger. Ich hoſpitirte
auch in den Vorleſungen zweier Profeſſoren, des
Paters Grant — nicht le Grand, wie Herr D.
Bahrdt ſchreibt — und des Profeſſors Froriep,
welcher damals ſchon allerlei Specktackel und Haͤn-
del machte. Herr Grant hat mir ſehr gefallen: er
las Phyſik. — Der Herr Froriep behagte mir gar
nicht. Gern haͤtte ich auch einen katholiſchen Theo-
logen hoͤren moͤgen; aber da war niemand, der mich
in ein ſolches Auditorium haͤtte fuͤhren koͤnnen, oder
wollen. Das Hoſpitiren iſt uͤberhaupt in den katho-
liſchen Theologiſchen Hoͤrſaͤlen gar nicht Mode.


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[189/0203] Ich gab ſoviel von meiner Baarſchaft her, als ich entbehren konnte. Ich ſprach in allen Heſſiſchen Schenken ein, und hoͤrte da nichts als Klagen und Verwuͤnſchungen. Ich ſtehe dafuͤr, wenn ein Fuͤrſt zu Fuße und unbekannt eine Reiſe durch ſeine Laͤnder vornaͤhme: es wuͤrde manches geaͤndert werden; aber ſo ſitzen die guten Herren in Schloͤſſern und in Zirkeln, wo Noth und Armuth fremde Namen ſind; und da lernen ſie die Beulen und Wunden nicht kennen, an denen ihre armen Unterthanen krank liegen. Ganz anders ſieht es im Gothaiſchen und Wei- marſchen aus und noch beſſer im Erfurthiſchen. Zu Erfurth ſelbſt lernte ich einige Studenten kennen, welche aber meinem damaligen Geſchmack weit weni- ger entſprachen als die Marburger. Ich hoſpitirte auch in den Vorleſungen zweier Profeſſoren, des Paters Grant — nicht le Grand, wie Herr D. Bahrdt ſchreibt — und des Profeſſors Froriep, welcher damals ſchon allerlei Specktackel und Haͤn- del machte. Herr Grant hat mir ſehr gefallen: er las Phyſik. — Der Herr Froriep behagte mir gar nicht. Gern haͤtte ich auch einen katholiſchen Theo- logen hoͤren moͤgen; aber da war niemand, der mich in ein ſolches Auditorium haͤtte fuͤhren koͤnnen, oder wollen. Das Hoſpitiren iſt uͤberhaupt in den katho- liſchen Theologiſchen Hoͤrſaͤlen gar nicht Mode.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/203>, abgerufen am 03.05.2024.