zog mit der Serenade auf. Er schien mit dieser Ach- tung gegen ihn ausserordentlich zufrieden zu seyn, und dankte nebst der Prinzessin sehr höflich. Auch ließ er im Posthause so viel Wein auftischen, als uns zu trinken beliebte. Da die meisten ohnehin schon bei- nahe zu viel hatten; so kam es jetzt dahin, daß der ganze Haufen sehr bezecht wieder abzog.
Auf dem Kirchenplatz wurden die übrigen Fak- keln und Fackelstummel verbrannt, der akademischen Freiheit ein Vivat und den Unterdrückern derselben ein helles Pereat geschrieen. Sofort wurde das schwarze Bret, woran das Edict geheftet war, her- abgerissen, in Stücken zerschlagen und ins Fackel- feuer geworfen. Das war nun das völlige Signal zum Tumulte. Die ganze Nacht ging der Spektakel nach Panduren Art fort, bis an den hellen Tag: der arme Eulerkapper mußte schrecklich herhalten: dem Schuster Wannich d) wurde das Haus gestürmt, und alle Fenster eingeschmissen. Dem Rector er- scholl manches wilde Pereat.
Den andern Tag früh setzten sich die Hauptan- führer Lang und Bohy zu Pferde, und ritten nach
d) Das war ein sogenannter Pietist oder Separatist in Gießen, der immer betete; aber auch alle Jahr wenig- stens ein Hurenkind fabricirte. Die Studenten züch- tigten ihn aber auch dafür ganz separat.
zog mit der Serenade auf. Er ſchien mit dieſer Ach- tung gegen ihn auſſerordentlich zufrieden zu ſeyn, und dankte nebſt der Prinzeſſin ſehr hoͤflich. Auch ließ er im Poſthauſe ſo viel Wein auftiſchen, als uns zu trinken beliebte. Da die meiſten ohnehin ſchon bei- nahe zu viel hatten; ſo kam es jetzt dahin, daß der ganze Haufen ſehr bezecht wieder abzog.
Auf dem Kirchenplatz wurden die uͤbrigen Fak- keln und Fackelſtummel verbrannt, der akademiſchen Freiheit ein Vivat und den Unterdruͤckern derſelben ein helles Pereat geſchrieen. Sofort wurde das ſchwarze Bret, woran das Edict geheftet war, her- abgeriſſen, in Stuͤcken zerſchlagen und ins Fackel- feuer geworfen. Das war nun das voͤllige Signal zum Tumulte. Die ganze Nacht ging der Spektakel nach Panduren Art fort, bis an den hellen Tag: der arme Eulerkapper mußte ſchrecklich herhalten: dem Schuſter Wannich d) wurde das Haus geſtuͤrmt, und alle Fenſter eingeſchmiſſen. Dem Rector er- ſcholl manches wilde Pereat.
Den andern Tag fruͤh ſetzten ſich die Hauptan- fuͤhrer Lang und Bohy zu Pferde, und ritten nach
d) Das war ein ſogenannter Pietiſt oder Separatiſt in Gießen, der immer betete; aber auch alle Jahr wenig- ſtens ein Hurenkind fabricirte. Die Studenten zuͤch- tigten ihn aber auch dafuͤr ganz ſeparat.
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zog mit der Serenade auf. Er ſchien mit dieſer Ach-
tung gegen ihn auſſerordentlich zufrieden zu ſeyn, und
dankte nebſt der Prinzeſſin ſehr hoͤflich. Auch ließ
er im Poſthauſe ſo viel Wein auftiſchen, als uns zu
trinken beliebte. Da die meiſten ohnehin ſchon bei-
nahe zu viel hatten; ſo kam es jetzt dahin, daß der
ganze Haufen ſehr bezecht wieder abzog.
Auf dem Kirchenplatz wurden die uͤbrigen Fak-
keln und Fackelſtummel verbrannt, der akademiſchen
Freiheit ein Vivat und den Unterdruͤckern derſelben
ein helles Pereat geſchrieen. Sofort wurde das
ſchwarze Bret, woran das Edict geheftet war, her-
abgeriſſen, in Stuͤcken zerſchlagen und ins Fackel-
feuer geworfen. Das war nun das voͤllige Signal
zum Tumulte. Die ganze Nacht ging der Spektakel
nach Panduren Art fort, bis an den hellen Tag: der
arme Eulerkapper mußte ſchrecklich herhalten: dem
Schuſter Wannich d) wurde das Haus geſtuͤrmt,
und alle Fenſter eingeſchmiſſen. Dem Rector er-
ſcholl manches wilde Pereat.
Den andern Tag fruͤh ſetzten ſich die Hauptan-
fuͤhrer Lang und Bohy zu Pferde, und ritten nach
d) Das war ein ſogenannter Pietiſt oder Separatiſt in
Gießen, der immer betete; aber auch alle Jahr wenig-
ſtens ein Hurenkind fabricirte. Die Studenten zuͤch-
tigten ihn aber auch dafuͤr ganz ſeparat.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/195>, abgerufen am 03.05.2024.
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