Von den übrigen Professoren waren nur wenige dem guten Ouvrier geneigt, und so war er als Rec- tor nicht in der besten Lage.
Im Frühlinge dieses Jahres kam der Bruder des regierenden Herzogs von Würtenberg durch Gie- ßen, mit seiner Tochter, die für den Russischen Groß- fürsten zur Gemahlin bestimmt war. Der Herzog logirte über Nacht im Posthause. Die Studenten wußten das vorher, und machten Anstalt zu einer Serenade, so gut man dergleichen in Gießen haben kann. Die Gießer Hautboisten, die sich freilich un- ter Meister Wittichs Anführung, wenig über gemei- ne Bierfiedler erheben, wurden in Beschlag genom- men; und damit alles recht feierlich herginge, wur- den Pechfackeln bestellt, für jeden ein Paar. Der Herr Rector wußte um alles, und ließ uns machen, bis an dem Tage, für den die Serenade bestimmt war. Da erschien plötzlich des Nachmittags um drei Uhr ein Edict am schwarzen Bret unter dem Ru- brum: Rector Universitatis Ludovicianae cum Senatua), worin den Studenten durchaus verbo- then wurde, der Prinzessin von Würten-
a) Mir ist aus guten Gründen das cum Senatu immer als ein Schnitzer vorgekommen. Die Römer schrieben: Senatus Consule C Fannio et C. Messala. Doch man muß das nicht so genau nehmen.
Von den uͤbrigen Profeſſoren waren nur wenige dem guten Ouvrier geneigt, und ſo war er als Rec- tor nicht in der beſten Lage.
Im Fruͤhlinge dieſes Jahres kam der Bruder des regierenden Herzogs von Wuͤrtenberg durch Gie- ßen, mit ſeiner Tochter, die fuͤr den Ruſſiſchen Groß- fuͤrſten zur Gemahlin beſtimmt war. Der Herzog logirte uͤber Nacht im Poſthauſe. Die Studenten wußten das vorher, und machten Anſtalt zu einer Serenade, ſo gut man dergleichen in Gießen haben kann. Die Gießer Hautboiſten, die ſich freilich un- ter Meiſter Wittichs Anfuͤhrung, wenig uͤber gemei- ne Bierfiedler erheben, wurden in Beſchlag genom- men; und damit alles recht feierlich herginge, wur- den Pechfackeln beſtellt, fuͤr jeden ein Paar. Der Herr Rector wußte um alles, und ließ uns machen, bis an dem Tage, fuͤr den die Serenade beſtimmt war. Da erſchien ploͤtzlich des Nachmittags um drei Uhr ein Edict am ſchwarzen Bret unter dem Ru- brum: Rector Univerſitatis Ludovicianae cum Senatua), worin den Studenten durchaus verbo- then wurde, der Prinzeſſin von Wuͤrten-
a) Mir iſt aus guten Gruͤnden das cum Senatu immer als ein Schnitzer vorgekommen. Die Roͤmer ſchrieben: Senatus Conſule C Fannio et C. Meſſala. Doch man muß das nicht ſo genau nehmen.
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Von den uͤbrigen Profeſſoren waren nur wenige
dem guten Ouvrier geneigt, und ſo war er als Rec-
tor nicht in der beſten Lage.
Im Fruͤhlinge dieſes Jahres kam der Bruder
des regierenden Herzogs von Wuͤrtenberg durch Gie-
ßen, mit ſeiner Tochter, die fuͤr den Ruſſiſchen Groß-
fuͤrſten zur Gemahlin beſtimmt war. Der Herzog
logirte uͤber Nacht im Poſthauſe. Die Studenten
wußten das vorher, und machten Anſtalt zu einer
Serenade, ſo gut man dergleichen in Gießen haben
kann. Die Gießer Hautboiſten, die ſich freilich un-
ter Meiſter Wittichs Anfuͤhrung, wenig uͤber gemei-
ne Bierfiedler erheben, wurden in Beſchlag genom-
men; und damit alles recht feierlich herginge, wur-
den Pechfackeln beſtellt, fuͤr jeden ein Paar. Der
Herr Rector wußte um alles, und ließ uns machen,
bis an dem Tage, fuͤr den die Serenade beſtimmt
war. Da erſchien ploͤtzlich des Nachmittags um drei
Uhr ein Edict am ſchwarzen Bret unter dem Ru-
brum: Rector Univerſitatis Ludovicianae cum
Senatu a), worin den Studenten durchaus verbo-
then wurde, der Prinzeſſin von Wuͤrten-
a) Mir iſt aus guten Gruͤnden das cum Senatu immer
als ein Schnitzer vorgekommen. Die Roͤmer ſchrieben:
Senatus Conſule C Fannio et C. Meſſala. Doch man
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/193>, abgerufen am 17.09.2024.
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