Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

wie ich denn überhaupt bei dergleichen Versprechun-
gen niemals wortbrüchig geworden bin. Wäre ich
nur in andern Dingen auch so genau gewesen!! Ich
hielt Wort, und perirte den Eulerkapper gleich am
folgenden Abend, und warf ihm die Fenster ein.
Aber das Unglück wollte, daß ich erkannt und beim
Prorector angegeben wurde. Dieser dictirte mir
zwei Tage Karcer, und die Unkosten für die einge-
worfenen Fensterscheiben. Einige andre Freunde,
welche den Eulerkapper auch perirt hatten, kamen
gleichfalls aufs Karcer, oder wie man in Gießen spricht,
nach Cordanopolis s). Darüber ergrimmte die ganze
Burschenschaft, und schwur dem Eulerkapper den
Tod.

Schacht indicirte nun ein Parlament, wel-
ches sich im Rappen versammelte, und ein Urtheil
über den Eulerkapper sprechen sollte. Das Parla-
ment kam zusammen, Schacht redete, nachdem jeder
seinen Bierkrug vor sich, und seine Pfeiffe angesteckt
hatte, die Versammlung an, und stellte ihr vor,
wie Euler, der Mädchenschulmeister, bisher Ursache
gewesen sey, daß so manche brave honorige Bursche

s) Der damalige Karcerknecht -- eine recht gute Anstalt
ist das mit dem Gießer Karcerknecht! -- hieß Conrad.
Diesen Namen veränderten die Studenten in Corda-
nus, und das Karcer hieß daher, und heißt noch Cor-
danopolis.

wie ich denn uͤberhaupt bei dergleichen Verſprechun-
gen niemals wortbruͤchig geworden bin. Waͤre ich
nur in andern Dingen auch ſo genau geweſen!! Ich
hielt Wort, und perirte den Eulerkapper gleich am
folgenden Abend, und warf ihm die Fenſter ein.
Aber das Ungluͤck wollte, daß ich erkannt und beim
Prorector angegeben wurde. Dieſer dictirte mir
zwei Tage Karcer, und die Unkoſten fuͤr die einge-
worfenen Fenſterſcheiben. Einige andre Freunde,
welche den Eulerkapper auch perirt hatten, kamen
gleichfalls aufs Karcer, oder wie man in Gießen ſpricht,
nach Cordanopolis s). Daruͤber ergrimmte die ganze
Burſchenſchaft, und ſchwur dem Eulerkapper den
Tod.

Schacht indicirte nun ein Parlament, wel-
ches ſich im Rappen verſammelte, und ein Urtheil
uͤber den Eulerkapper ſprechen ſollte. Das Parla-
ment kam zuſammen, Schacht redete, nachdem jeder
ſeinen Bierkrug vor ſich, und ſeine Pfeiffe angeſteckt
hatte, die Verſammlung an, und ſtellte ihr vor,
wie Euler, der Maͤdchenſchulmeiſter, bisher Urſache
geweſen ſey, daß ſo manche brave honorige Burſche

s) Der damalige Karcerknecht — eine recht gute Anſtalt
iſt das mit dem Gießer Karcerknecht! — hieß Conrad.
Dieſen Namen veraͤnderten die Studenten in Corda-
nus, und das Karcer hieß daher, und heißt noch Cor-
danopolis.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0145" n="131"/>
wie ich denn u&#x0364;berhaupt bei dergleichen Ver&#x017F;prechun-<lb/>
gen niemals wortbru&#x0364;chig geworden bin. Wa&#x0364;re ich<lb/>
nur in andern Dingen auch &#x017F;o genau gewe&#x017F;en!! Ich<lb/>
hielt Wort, und perirte den Eulerkapper gleich am<lb/>
folgenden Abend, und warf ihm die Fen&#x017F;ter ein.<lb/>
Aber das Unglu&#x0364;ck wollte, daß ich erkannt und beim<lb/>
Prorector angegeben wurde. Die&#x017F;er dictirte mir<lb/>
zwei Tage Karcer, und die Unko&#x017F;ten fu&#x0364;r die einge-<lb/>
worfenen Fen&#x017F;ter&#x017F;cheiben. Einige andre Freunde,<lb/>
welche den Eulerkapper auch perirt hatten, kamen<lb/>
gleichfalls aufs Karcer, oder wie man in Gießen &#x017F;pricht,<lb/>
nach Cordanopolis <note place="foot" n="s)">Der damalige Karcerknecht &#x2014; eine recht gute An&#x017F;talt<lb/>
i&#x017F;t das mit dem Gießer Karcerknecht! &#x2014; hieß Conrad.<lb/>
Die&#x017F;en Namen vera&#x0364;nderten die Studenten in Corda-<lb/>
nus, und das Karcer hieß daher, und heißt noch Cor-<lb/>
danopolis.</note>. Daru&#x0364;ber ergrimmte die ganze<lb/>
Bur&#x017F;chen&#x017F;chaft, und &#x017F;chwur dem Eulerkapper den<lb/>
Tod.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Schacht</hi> indicirte nun ein Parlament, wel-<lb/>
ches &#x017F;ich im Rappen ver&#x017F;ammelte, und ein Urtheil<lb/>
u&#x0364;ber den Eulerkapper &#x017F;prechen &#x017F;ollte. Das Parla-<lb/>
ment kam zu&#x017F;ammen, Schacht redete, nachdem jeder<lb/>
&#x017F;einen Bierkrug vor &#x017F;ich, und &#x017F;eine Pfeiffe ange&#x017F;teckt<lb/>
hatte, die Ver&#x017F;ammlung an, und &#x017F;tellte ihr vor,<lb/>
wie Euler, der Ma&#x0364;dchen&#x017F;chulmei&#x017F;ter, bisher Ur&#x017F;ache<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;ey, daß &#x017F;o manche brave honorige Bur&#x017F;che<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0145] wie ich denn uͤberhaupt bei dergleichen Verſprechun- gen niemals wortbruͤchig geworden bin. Waͤre ich nur in andern Dingen auch ſo genau geweſen!! Ich hielt Wort, und perirte den Eulerkapper gleich am folgenden Abend, und warf ihm die Fenſter ein. Aber das Ungluͤck wollte, daß ich erkannt und beim Prorector angegeben wurde. Dieſer dictirte mir zwei Tage Karcer, und die Unkoſten fuͤr die einge- worfenen Fenſterſcheiben. Einige andre Freunde, welche den Eulerkapper auch perirt hatten, kamen gleichfalls aufs Karcer, oder wie man in Gießen ſpricht, nach Cordanopolis s). Daruͤber ergrimmte die ganze Burſchenſchaft, und ſchwur dem Eulerkapper den Tod. Schacht indicirte nun ein Parlament, wel- ches ſich im Rappen verſammelte, und ein Urtheil uͤber den Eulerkapper ſprechen ſollte. Das Parla- ment kam zuſammen, Schacht redete, nachdem jeder ſeinen Bierkrug vor ſich, und ſeine Pfeiffe angeſteckt hatte, die Verſammlung an, und ſtellte ihr vor, wie Euler, der Maͤdchenſchulmeiſter, bisher Urſache geweſen ſey, daß ſo manche brave honorige Burſche s) Der damalige Karcerknecht — eine recht gute Anſtalt iſt das mit dem Gießer Karcerknecht! — hieß Conrad. Dieſen Namen veraͤnderten die Studenten in Corda- nus, und das Karcer hieß daher, und heißt noch Cor- danopolis.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/145
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/145>, abgerufen am 04.05.2024.