die Mädchenschule in Gießen angenommen, war da- bei Leichenbitter, Kantor in der Zuchthauskirche, und Klingelbeutelträger in der Stadtkirche. Dieser Euler, oder nach dem Eckelnamen, den ihm die Studenten gegeben hatten, Eulerkapper, war ein äußerst lächerlicher Mensch: seine Minen, sein An- zug, sein Gang, kurz, alles war so auffallend beschaf- fen, daß ihn niemand ansehen konnte, ohne über- laut zu lachen. Er war eben darum der allgemeine Gegenstand für die Neckereien der Gießer Studenten: und diese Neckereien nannte man -- Eulerkap- pereien. Was man alles mit ihm vorgenommen hat, lehrt unter andern folgendes.
Neben Eulerkappern wohnte ein Student, welcher aus seinem Kammerfenster gerade in dessen Putzstube sehen konnte. Der Student nahm einmal den Zeitpunkt in Acht, als das Fenster dieser Putz- stube offen stand, befestigte seinen Kammertopf an eine Stange, langte dieselbe hinüber und leerte den Topf -- es war Unrath von verschiedener Gattung darin -- in der Putzstube aus. Euler mußte das Ding bald erfahren, mußte auf den Urheber schließen, und nun war es ganz natürlich, daß er ihn beim Rector verklagte.
Der Student wurde vorgefordert, er lehnte aber die Beschuldigung von sich ab, durch Vorgeben:
Erster Theil. I
die Maͤdchenſchule in Gießen angenommen, war da- bei Leichenbitter, Kantor in der Zuchthauskirche, und Klingelbeuteltraͤger in der Stadtkirche. Dieſer Euler, oder nach dem Eckelnamen, den ihm die Studenten gegeben hatten, Eulerkapper, war ein aͤußerſt laͤcherlicher Menſch: ſeine Minen, ſein An- zug, ſein Gang, kurz, alles war ſo auffallend beſchaf- fen, daß ihn niemand anſehen konnte, ohne uͤber- laut zu lachen. Er war eben darum der allgemeine Gegenſtand fuͤr die Neckereien der Gießer Studenten: und dieſe Neckereien nannte man — Eulerkap- pereien. Was man alles mit ihm vorgenommen hat, lehrt unter andern folgendes.
Neben Eulerkappern wohnte ein Student, welcher aus ſeinem Kammerfenſter gerade in deſſen Putzſtube ſehen konnte. Der Student nahm einmal den Zeitpunkt in Acht, als das Fenſter dieſer Putz- ſtube offen ſtand, befeſtigte ſeinen Kammertopf an eine Stange, langte dieſelbe hinuͤber und leerte den Topf — es war Unrath von verſchiedener Gattung darin — in der Putzſtube aus. Euler mußte das Ding bald erfahren, mußte auf den Urheber ſchließen, und nun war es ganz natuͤrlich, daß er ihn beim Rector verklagte.
Der Student wurde vorgefordert, er lehnte aber die Beſchuldigung von ſich ab, durch Vorgeben:
Erſter Theil. I
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die Maͤdchenſchule in Gießen angenommen, war da-
bei Leichenbitter, Kantor in der Zuchthauskirche,
und Klingelbeuteltraͤger in der Stadtkirche. Dieſer
Euler, oder nach dem Eckelnamen, den ihm die
Studenten gegeben hatten, Eulerkapper, war ein
aͤußerſt laͤcherlicher Menſch: ſeine Minen, ſein An-
zug, ſein Gang, kurz, alles war ſo auffallend beſchaf-
fen, daß ihn niemand anſehen konnte, ohne uͤber-
laut zu lachen. Er war eben darum der allgemeine
Gegenſtand fuͤr die Neckereien der Gießer Studenten:
und dieſe Neckereien nannte man — Eulerkap-
pereien. Was man alles mit ihm vorgenommen
hat, lehrt unter andern folgendes.
Neben Eulerkappern wohnte ein Student,
welcher aus ſeinem Kammerfenſter gerade in deſſen
Putzſtube ſehen konnte. Der Student nahm einmal
den Zeitpunkt in Acht, als das Fenſter dieſer Putz-
ſtube offen ſtand, befeſtigte ſeinen Kammertopf an
eine Stange, langte dieſelbe hinuͤber und leerte den
Topf — es war Unrath von verſchiedener Gattung
darin — in der Putzſtube aus. Euler mußte das
Ding bald erfahren, mußte auf den Urheber ſchließen,
und nun war es ganz natuͤrlich, daß er ihn beim
Rector verklagte.
Der Student wurde vorgefordert, er lehnte
aber die Beſchuldigung von ſich ab, durch Vorgeben:
Erſter Theil. I
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/143>, abgerufen am 04.05.2024.
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