stören: da müßte sonst der Henker drein sitzen u. s. w. Sogleich sollte ich antworten, und den Verlauf mei- ner Reise aufrichtig und ohne Umschweife erzählen: er wisse doch schon alles, und wenn ich nicht aufrich- tig wäre; so würde er selbst nach Gießen kommen, und mich nach Koppenhagen hinführen -- in eigner Person.
Diese Drohung schlug mich gewaltig nieder: denn ich fürchtete nichts so sehr, als nach Dänemark geschickt zu werden. Um also diesem Uebel vorzu- beugen, antwortete ich, daß ich zwar in Manheim gewesen, aber blos mit einem guten Freunde dahin gereiset sey, der im Elsaß zu Hause wäre, und zu Gießen studiert hätte. Ich leugnete geradezu, The- resen gesehen zu haben: ich wüßte ja nicht einmal, daß sie sich in Manheim aufhielte! Uebrigens räum- te ich ein, einen erzbummen Streich gemacht zu ha- ben; versprach aber, mich zu bessern, und bat um Verzeihung. Ich hatte meinen Brief lateinisch ge- schrieben und brav mit griechischen Stellen ausstaf- firt, welches meinem Vater denn dergestalt behagte, daß er mir verzieh, und mich nur noch zum Gehor- sam anwieß.
Nun war ich wieder getröstet! Aber der an- gelobte Gehorsam blieb aus: ich wechselte von der Zeit an beständig mit Mamsell Thereschen Briefe, und schrieb auch von Zeit zu Zeit an den Pastor
ſtoͤren: da muͤßte ſonſt der Henker drein ſitzen u. ſ. w. Sogleich ſollte ich antworten, und den Verlauf mei- ner Reiſe aufrichtig und ohne Umſchweife erzaͤhlen: er wiſſe doch ſchon alles, und wenn ich nicht aufrich- tig waͤre; ſo wuͤrde er ſelbſt nach Gießen kommen, und mich nach Koppenhagen hinfuͤhren — in eigner Perſon.
Dieſe Drohung ſchlug mich gewaltig nieder: denn ich fuͤrchtete nichts ſo ſehr, als nach Daͤnemark geſchickt zu werden. Um alſo dieſem Uebel vorzu- beugen, antwortete ich, daß ich zwar in Manheim geweſen, aber blos mit einem guten Freunde dahin gereiſet ſey, der im Elſaß zu Hauſe waͤre, und zu Gießen ſtudiert haͤtte. Ich leugnete geradezu, The- reſen geſehen zu haben: ich wuͤßte ja nicht einmal, daß ſie ſich in Manheim aufhielte! Uebrigens raͤum- te ich ein, einen erzbummen Streich gemacht zu ha- ben; verſprach aber, mich zu beſſern, und bat um Verzeihung. Ich hatte meinen Brief lateiniſch ge- ſchrieben und brav mit griechiſchen Stellen ausſtaf- firt, welches meinem Vater denn dergeſtalt behagte, daß er mir verzieh, und mich nur noch zum Gehor- ſam anwieß.
Nun war ich wieder getroͤſtet! Aber der an- gelobte Gehorſam blieb aus: ich wechſelte von der Zeit an beſtaͤndig mit Mamſell Thereschen Briefe, und ſchrieb auch von Zeit zu Zeit an den Paſtor
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0141"n="127"/>ſtoͤren: da muͤßte ſonſt der Henker drein ſitzen u. ſ. w.<lb/>
Sogleich ſollte ich antworten, und den Verlauf mei-<lb/>
ner Reiſe aufrichtig und ohne Umſchweife erzaͤhlen:<lb/>
er wiſſe doch ſchon alles, und wenn ich nicht aufrich-<lb/>
tig waͤre; ſo wuͤrde er ſelbſt nach Gießen kommen,<lb/>
und mich nach Koppenhagen hinfuͤhren — in eigner<lb/>
Perſon.</p><lb/><p>Dieſe Drohung ſchlug mich gewaltig nieder:<lb/>
denn ich fuͤrchtete nichts ſo ſehr, als nach Daͤnemark<lb/>
geſchickt zu werden. Um alſo dieſem Uebel vorzu-<lb/>
beugen, antwortete ich, daß ich zwar in Manheim<lb/>
geweſen, aber blos mit einem guten Freunde dahin<lb/>
gereiſet ſey, der im Elſaß zu Hauſe waͤre, und zu<lb/>
Gießen ſtudiert haͤtte. Ich leugnete geradezu, The-<lb/>
reſen geſehen zu haben: ich wuͤßte ja nicht einmal,<lb/>
daß ſie ſich in Manheim aufhielte! Uebrigens raͤum-<lb/>
te ich ein, einen erzbummen Streich gemacht zu ha-<lb/>
ben; verſprach aber, mich zu beſſern, und bat um<lb/>
Verzeihung. Ich hatte meinen Brief lateiniſch ge-<lb/>ſchrieben und brav mit griechiſchen Stellen ausſtaf-<lb/>
firt, welches meinem Vater denn dergeſtalt behagte,<lb/>
daß er mir verzieh, und mich nur noch zum Gehor-<lb/>ſam anwieß.</p><lb/><p>Nun war ich wieder getroͤſtet! Aber der an-<lb/>
gelobte Gehorſam blieb aus: ich wechſelte von der<lb/>
Zeit an beſtaͤndig mit Mamſell Thereschen Briefe,<lb/>
und ſchrieb auch von Zeit zu Zeit an den Paſtor<lb/></p></div></body></text></TEI>
[127/0141]
ſtoͤren: da muͤßte ſonſt der Henker drein ſitzen u. ſ. w.
Sogleich ſollte ich antworten, und den Verlauf mei-
ner Reiſe aufrichtig und ohne Umſchweife erzaͤhlen:
er wiſſe doch ſchon alles, und wenn ich nicht aufrich-
tig waͤre; ſo wuͤrde er ſelbſt nach Gießen kommen,
und mich nach Koppenhagen hinfuͤhren — in eigner
Perſon.
Dieſe Drohung ſchlug mich gewaltig nieder:
denn ich fuͤrchtete nichts ſo ſehr, als nach Daͤnemark
geſchickt zu werden. Um alſo dieſem Uebel vorzu-
beugen, antwortete ich, daß ich zwar in Manheim
geweſen, aber blos mit einem guten Freunde dahin
gereiſet ſey, der im Elſaß zu Hauſe waͤre, und zu
Gießen ſtudiert haͤtte. Ich leugnete geradezu, The-
reſen geſehen zu haben: ich wuͤßte ja nicht einmal,
daß ſie ſich in Manheim aufhielte! Uebrigens raͤum-
te ich ein, einen erzbummen Streich gemacht zu ha-
ben; verſprach aber, mich zu beſſern, und bat um
Verzeihung. Ich hatte meinen Brief lateiniſch ge-
ſchrieben und brav mit griechiſchen Stellen ausſtaf-
firt, welches meinem Vater denn dergeſtalt behagte,
daß er mir verzieh, und mich nur noch zum Gehor-
ſam anwieß.
Nun war ich wieder getroͤſtet! Aber der an-
gelobte Gehorſam blieb aus: ich wechſelte von der
Zeit an beſtaͤndig mit Mamſell Thereschen Briefe,
und ſchrieb auch von Zeit zu Zeit an den Paſtor
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/141>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.