Recht, über alle intellectuelle Dinge völlig frei zu urtheilen, und seine Gedanken dar- über zu entdecken. Wenn ich also die Pro- fessoren zu Mainz, Heidelberg und sonstige Meister als intolerante Leute beschreibe, wel- che gern Inquisitoren werden, und den hei- ligen Bonifacius, oder jenen abscheulichen Menschen, den Abschaum aller Bösewichter, den Erfinder der Inqusition und Hexenpro- zesse, ich meine den Pabst Innocentius III. nachmachen möchten: thu ich dann Unrecht, da die Sache sich durch Thaten bestätiget? Vielleicht schämen sich andre, und werden toleranter, und wäre das nicht herrlich? Hätte ich da nicht mehr Gutes gestiftet, als mancher Verfasser dicker Bände von Predig- ten und andern theologischen, philosophischen oder juristischen Unsinn?
Ferner, sagen Sie sichs selbst, lieber Leser, ob ich recht habe: darf ich den nicht beschreiben, der mir wehe that? Rache schreien zwar die Moralisten (in ihren Theorien) sey überhaupt ein schändliches Laster, dem kein Weiser nachgeben müsse: ja, ich sage irgendwo selbst, daß sie größtentheils unter der Würde der Menschheit sey. Allein ich gestehe es, daß ich ihr Gebot nicht ganz ein- sehe; ich bin ein Mensch, so gut wie der Pabst und der Fürst: ich hab' auch meine Galle, und es kränkt mich auch, wenn man mir unrecht thut, und mich armen ohnmäch-
Recht, uͤber alle intellectuelle Dinge voͤllig frei zu urtheilen, und ſeine Gedanken dar- uͤber zu entdecken. Wenn ich alſo die Pro- feſſoren zu Mainz, Heidelberg und ſonſtige Meiſter als intolerante Leute beſchreibe, wel- che gern Inquiſitoren werden, und den hei- ligen Bonifacius, oder jenen abſcheulichen Menſchen, den Abſchaum aller Boͤſewichter, den Erfinder der Inquſition und Hexenpro- zeſſe, ich meine den Pabſt Innocentius III. nachmachen moͤchten: thu ich dann Unrecht, da die Sache ſich durch Thaten beſtaͤtiget? Vielleicht ſchaͤmen ſich andre, und werden toleranter, und waͤre das nicht herrlich? Haͤtte ich da nicht mehr Gutes geſtiftet, als mancher Verfaſſer dicker Baͤnde von Predig- ten und andern theologiſchen, philoſophiſchen oder juriſtiſchen Unſinn?
Ferner, ſagen Sie ſichs ſelbſt, lieber Leſer, ob ich recht habe: darf ich den nicht beſchreiben, der mir wehe that? Rache ſchreien zwar die Moraliſten (in ihren Theorien) ſey uͤberhaupt ein ſchaͤndliches Laſter, dem kein Weiſer nachgeben muͤſſe: ja, ich ſage irgendwo ſelbſt, daß ſie groͤßtentheils unter der Wuͤrde der Menſchheit ſey. Allein ich geſtehe es, daß ich ihr Gebot nicht ganz ein- ſehe; ich bin ein Menſch, ſo gut wie der Pabſt und der Fuͤrſt: ich hab' auch meine Galle, und es kraͤnkt mich auch, wenn man mir unrecht thut, und mich armen ohnmaͤch-
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[XIV/0012]
Recht, uͤber alle intellectuelle Dinge voͤllig
frei zu urtheilen, und ſeine Gedanken dar-
uͤber zu entdecken. Wenn ich alſo die Pro-
feſſoren zu Mainz, Heidelberg und ſonſtige
Meiſter als intolerante Leute beſchreibe, wel-
che gern Inquiſitoren werden, und den hei-
ligen Bonifacius, oder jenen abſcheulichen
Menſchen, den Abſchaum aller Boͤſewichter,
den Erfinder der Inquſition und Hexenpro-
zeſſe, ich meine den Pabſt Innocentius III.
nachmachen moͤchten: thu ich dann Unrecht,
da die Sache ſich durch Thaten beſtaͤtiget?
Vielleicht ſchaͤmen ſich andre, und werden
toleranter, und waͤre das nicht herrlich?
Haͤtte ich da nicht mehr Gutes geſtiftet, als
mancher Verfaſſer dicker Baͤnde von Predig-
ten und andern theologiſchen, philoſophiſchen
oder juriſtiſchen Unſinn?
Ferner, ſagen Sie ſichs ſelbſt, lieber
Leſer, ob ich recht habe: darf ich den nicht
beſchreiben, der mir wehe that? Rache ſchreien
zwar die Moraliſten (in ihren Theorien) ſey
uͤberhaupt ein ſchaͤndliches Laſter, dem
kein Weiſer nachgeben muͤſſe: ja, ich ſage
irgendwo ſelbſt, daß ſie groͤßtentheils unter
der Wuͤrde der Menſchheit ſey. Allein ich
geſtehe es, daß ich ihr Gebot nicht ganz ein-
ſehe; ich bin ein Menſch, ſo gut wie der
Pabſt und der Fuͤrſt: ich hab' auch meine
Galle, und es kraͤnkt mich auch, wenn man
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. XIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/12>, abgerufen am 24.11.2024.
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