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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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diese Schnitzer nicht so grell, als die, welche Herr
Deinet in dem Ouvrierschen Exercitium korrigirt
hat; aber für einen Professor der heiligen Eloquenz
sind sie doch immer grell genug.

Eben dieser Herr Schmid erklärte auch dann
und wann einen lateinischen Classiker; da war aber
nichts von dem Geist, der in den Vorlesungen eines
Heyne zu Göttingen oder eines Wolfs zu Halle
sichtbar ist: da wurden die Anmerkungen Anderer
z. B. die des Baxters und Geßners über den Horatz,
und Lubini notae zum Juvenal -- geritten, daß
es eine Art hatte. Wer den Baxter hatte, konnte
Herr Schmids Lectionen gar wohl entbehren.

Ueber griechische Skribenten wurde vollends gar
nicht gelesen, auch nicht über einen einzigen. Da
hieß es, und es heißt vielleicht noch so in Gießen:
graeca sunt: non leguntur. Der jetzige Profes-
sor Roos las damals, als Student, für sich den
Homer und andre Griechen: und die Studenten
sahen ihn als ein Monstrum der Gelehrsamkeit an.
Eben so ging es mir, weil ich Xenophons Kyropädie
und den Anakreon las. -- Aber wer hätte auch da-
mals Griechische Autoren erklären sollen! Benner
verstand wohl Griechisch, wie man aus seinen recht
guten Anmerkungen zu Lucians somnium de lon-
graevis
sieht; aber der war zu alt und zu stolz dazu:
alle andre waren nicht weiter gekommen, als ans

dieſe Schnitzer nicht ſo grell, als die, welche Herr
Deinet in dem Ouvrierſchen Exercitium korrigirt
hat; aber fuͤr einen Profeſſor der heiligen Eloquenz
ſind ſie doch immer grell genug.

Eben dieſer Herr Schmid erklaͤrte auch dann
und wann einen lateiniſchen Claſſiker; da war aber
nichts von dem Geiſt, der in den Vorleſungen eines
Heyne zu Goͤttingen oder eines Wolfs zu Halle
ſichtbar iſt: da wurden die Anmerkungen Anderer
z. B. die des Baxters und Geßners uͤber den Horatz,
und Lubini notae zum Juvenal — geritten, daß
es eine Art hatte. Wer den Baxter hatte, konnte
Herr Schmids Lectionen gar wohl entbehren.

Ueber griechiſche Skribenten wurde vollends gar
nicht geleſen, auch nicht uͤber einen einzigen. Da
hieß es, und es heißt vielleicht noch ſo in Gießen:
graeca ſunt: non leguntur. Der jetzige Profeſ-
ſor Roos las damals, als Student, fuͤr ſich den
Homer und andre Griechen: und die Studenten
ſahen ihn als ein Monſtrum der Gelehrſamkeit an.
Eben ſo ging es mir, weil ich Xenophons Kyropaͤdie
und den Anakreon las. — Aber wer haͤtte auch da-
mals Griechiſche Autoren erklaͤren ſollen! Benner
verſtand wohl Griechiſch, wie man aus ſeinen recht
guten Anmerkungen zu Lucians ſomnium de lon-
graevis
ſieht; aber der war zu alt und zu ſtolz dazu:
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[91/0105] dieſe Schnitzer nicht ſo grell, als die, welche Herr Deinet in dem Ouvrierſchen Exercitium korrigirt hat; aber fuͤr einen Profeſſor der heiligen Eloquenz ſind ſie doch immer grell genug. Eben dieſer Herr Schmid erklaͤrte auch dann und wann einen lateiniſchen Claſſiker; da war aber nichts von dem Geiſt, der in den Vorleſungen eines Heyne zu Goͤttingen oder eines Wolfs zu Halle ſichtbar iſt: da wurden die Anmerkungen Anderer z. B. die des Baxters und Geßners uͤber den Horatz, und Lubini notae zum Juvenal — geritten, daß es eine Art hatte. Wer den Baxter hatte, konnte Herr Schmids Lectionen gar wohl entbehren. Ueber griechiſche Skribenten wurde vollends gar nicht geleſen, auch nicht uͤber einen einzigen. Da hieß es, und es heißt vielleicht noch ſo in Gießen: graeca ſunt: non leguntur. Der jetzige Profeſ- ſor Roos las damals, als Student, fuͤr ſich den Homer und andre Griechen: und die Studenten ſahen ihn als ein Monſtrum der Gelehrſamkeit an. Eben ſo ging es mir, weil ich Xenophons Kyropaͤdie und den Anakreon las. — Aber wer haͤtte auch da- mals Griechiſche Autoren erklaͤren ſollen! Benner verſtand wohl Griechiſch, wie man aus ſeinen recht guten Anmerkungen zu Lucians ſomnium de lon- graevis ſieht; aber der war zu alt und zu ſtolz dazu: alle andre waren nicht weiter gekommen, als ans

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/105>, abgerufen am 21.11.2024.