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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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andern, trieb Dinge, worunter auch wirkli-
che gröbere Vergehungen sind, bis ich endlich
aus Noth und Verzweiflung an allem Er-
denglück die blaue Uniform anzog. --

Wenn nun ein Erzieher, ein Vater, oder
auch ein Jüngling meine Begebenheiten liest:
muß er da nicht manche Regel für sich und
für seinen Zögling abstrahiren? Muß er
nicht oft stutzen und sich selbst auf unrechtem
Wege finden? Wird er dann nicht, wenn
er klug ist, einen andern und bessern Weg
einschlagen? Muß er nicht aufmerksamer
auf die Folgen seines Denkens und Handelns
werden, und folglich mehr Harmonie und Kon-
sequenz in sein Leben zu bringen suchen? --
Meine Unglücksfälle sind nicht aus der Luft
gerissen, wie man sie in Romanen liest: sie
haben sich in der wirklichen Welt zugetragen,
haben alle ihre wirklichen Ursachen gehabt,
und lehren, daß es jedem eben so gehen kann,
der es so treibt, - wie ich.

Ich glaube daher mit Recht, daß mein
Buch einen nicht unebnen Beitrag zur prak-
tischen Pädagogik darbietet, und daß niemand
ohne reellen Nutzen dasselbe durchlesen wird:
und das ist doch nach meiner Meinung sehr
viel. Auf diese Art werde ich, der ich durch
meine Handlungen mein ganzes Glück verdor-
ben habe, doch durch Erzählung derselben ge-
meinnützig, und das sey denn eine Art von
Entschädigung für mich.


andern, trieb Dinge, worunter auch wirkli-
che groͤbere Vergehungen ſind, bis ich endlich
aus Noth und Verzweiflung an allem Er-
dengluͤck die blaue Uniform anzog. —

Wenn nun ein Erzieher, ein Vater, oder
auch ein Juͤngling meine Begebenheiten lieſt:
muß er da nicht manche Regel fuͤr ſich und
fuͤr ſeinen Zoͤgling abſtrahiren? Muß er
nicht oft ſtutzen und ſich ſelbſt auf unrechtem
Wege finden? Wird er dann nicht, wenn
er klug iſt, einen andern und beſſern Weg
einſchlagen? Muß er nicht aufmerkſamer
auf die Folgen ſeines Denkens und Handelns
werden, und folglich mehr Harmonie und Kon-
ſequenz in ſein Leben zu bringen ſuchen? —
Meine Ungluͤcksfaͤlle ſind nicht aus der Luft
geriſſen, wie man ſie in Romanen lieſt: ſie
haben ſich in der wirklichen Welt zugetragen,
haben alle ihre wirklichen Urſachen gehabt,
und lehren, daß es jedem eben ſo gehen kann,
der es ſo treibt, ‒ wie ich.

Ich glaube daher mit Recht, daß mein
Buch einen nicht unebnen Beitrag zur prak-
tiſchen Paͤdagogik darbietet, und daß niemand
ohne reellen Nutzen daſſelbe durchleſen wird:
und das iſt doch nach meiner Meinung ſehr
viel. Auf dieſe Art werde ich, der ich durch
meine Handlungen mein ganzes Gluͤck verdor-
ben habe, doch durch Erzaͤhlung derſelben ge-
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[XII/0010] andern, trieb Dinge, worunter auch wirkli- che groͤbere Vergehungen ſind, bis ich endlich aus Noth und Verzweiflung an allem Er- dengluͤck die blaue Uniform anzog. — Wenn nun ein Erzieher, ein Vater, oder auch ein Juͤngling meine Begebenheiten lieſt: muß er da nicht manche Regel fuͤr ſich und fuͤr ſeinen Zoͤgling abſtrahiren? Muß er nicht oft ſtutzen und ſich ſelbſt auf unrechtem Wege finden? Wird er dann nicht, wenn er klug iſt, einen andern und beſſern Weg einſchlagen? Muß er nicht aufmerkſamer auf die Folgen ſeines Denkens und Handelns werden, und folglich mehr Harmonie und Kon- ſequenz in ſein Leben zu bringen ſuchen? — Meine Ungluͤcksfaͤlle ſind nicht aus der Luft geriſſen, wie man ſie in Romanen lieſt: ſie haben ſich in der wirklichen Welt zugetragen, haben alle ihre wirklichen Urſachen gehabt, und lehren, daß es jedem eben ſo gehen kann, der es ſo treibt, ‒ wie ich. Ich glaube daher mit Recht, daß mein Buch einen nicht unebnen Beitrag zur prak- tiſchen Paͤdagogik darbietet, und daß niemand ohne reellen Nutzen daſſelbe durchleſen wird: und das iſt doch nach meiner Meinung ſehr viel. Auf dieſe Art werde ich, der ich durch meine Handlungen mein ganzes Gluͤck verdor- ben habe, doch durch Erzaͤhlung derſelben ge- meinnuͤtzig, und das ſey denn eine Art von Entſchaͤdigung fuͤr mich.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/10>, abgerufen am 21.11.2024.