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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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wo ich des Tags eine kleine Stunde in den Hof
kam, und mitunter einen andern Menschen sah,
als den Wärter. Denke, welch ein Reichthum war
Folgendes: Jn jenem Gefängnisse wurden auch die
leichtsinnigen Mädchen der Straßenromantik einge-
sperrt, welche in ihrer gesetzlichen Gesetzlosigkeit etwas
versehen, und sich hatten aufgreifen lassen; diese
leichten Kinder, welche zu Zwanzigen in einem gro-
ßen Gemache kampirten, wo allerlei anderes Weibs-
bild, das sich irgendwo im Netz der Vorschriften
verirrt haben mochte, zusammentraf, sangen und
tändelten in ihrem Käfig, wie es ihnen die Lange-
weile eingab, und so lange es der Schließer gestat-
tete, dessen Verbot und Anrede allerdings unange-
nehm war. Zuweilen nun, wenn ich in die Frei-
stunde geführt wurde, und an diesem Terrain vor-
überkam, stand die Thür offen, weil ausgefegt oder
eine der Heldinnen abgerufen ward, die unter den
stark aufmunternden Worten des Schließers ihre
Toilette beendigte. Jch hatte dann einen vollen
Blick in dies Serail; sie lagen zum Theil halb
entkleidet wegen der Wärme in allen Positionen
umher, oder saßen, oder kauerten, oder versuchten

wo ich des Tags eine kleine Stunde in den Hof
kam, und mitunter einen andern Menſchen ſah,
als den Wärter. Denke, welch ein Reichthum war
Folgendes: Jn jenem Gefängniſſe wurden auch die
leichtſinnigen Mädchen der Straßenromantik einge-
ſperrt, welche in ihrer geſetzlichen Geſetzloſigkeit etwas
verſehen, und ſich hatten aufgreifen laſſen; dieſe
leichten Kinder, welche zu Zwanzigen in einem gro-
ßen Gemache kampirten, wo allerlei anderes Weibs-
bild, das ſich irgendwo im Netz der Vorſchriften
verirrt haben mochte, zuſammentraf, ſangen und
tändelten in ihrem Käfig, wie es ihnen die Lange-
weile eingab, und ſo lange es der Schließer geſtat-
tete, deſſen Verbot und Anrede allerdings unange-
nehm war. Zuweilen nun, wenn ich in die Frei-
ſtunde geführt wurde, und an dieſem Terrain vor-
überkam, ſtand die Thür offen, weil ausgefegt oder
eine der Heldinnen abgerufen ward, die unter den
ſtark aufmunternden Worten des Schließers ihre
Toilette beendigte. Jch hatte dann einen vollen
Blick in dies Serail; ſie lagen zum Theil halb
entkleidet wegen der Wärme in allen Poſitionen
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[87/0095] wo ich des Tags eine kleine Stunde in den Hof kam, und mitunter einen andern Menſchen ſah, als den Wärter. Denke, welch ein Reichthum war Folgendes: Jn jenem Gefängniſſe wurden auch die leichtſinnigen Mädchen der Straßenromantik einge- ſperrt, welche in ihrer geſetzlichen Geſetzloſigkeit etwas verſehen, und ſich hatten aufgreifen laſſen; dieſe leichten Kinder, welche zu Zwanzigen in einem gro- ßen Gemache kampirten, wo allerlei anderes Weibs- bild, das ſich irgendwo im Netz der Vorſchriften verirrt haben mochte, zuſammentraf, ſangen und tändelten in ihrem Käfig, wie es ihnen die Lange- weile eingab, und ſo lange es der Schließer geſtat- tete, deſſen Verbot und Anrede allerdings unange- nehm war. Zuweilen nun, wenn ich in die Frei- ſtunde geführt wurde, und an dieſem Terrain vor- überkam, ſtand die Thür offen, weil ausgefegt oder eine der Heldinnen abgerufen ward, die unter den ſtark aufmunternden Worten des Schließers ihre Toilette beendigte. Jch hatte dann einen vollen Blick in dies Serail; ſie lagen zum Theil halb entkleidet wegen der Wärme in allen Poſitionen umher, oder ſaßen, oder kauerten, oder verſuchten

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/95>, abgerufen am 26.11.2024.