Darben habe ich mir einige Kreuzer abgespart an der Rechnung, welche der Wärter führt, und mir ein Stückchen Kuchen kaufen lassen, weil bei mir zu Hause Kuchen etwas Sonntägliches, Feiertägli- ches ist, und ich gern einmal solch einen Eindruck des Besonderen, des Festlichen haben möchte. Ne- benher -- nun, es ist gelungen, und ich will mir den Platz nicht verringern durch Erzählung der klei- nen Jntrigue: der Kuchen war in Papier einge- schlagen, was ich jetzt benütze. Du glaubst nicht, wie viel ich Schmerz habe bei Beschreibung jener ersten Gefängnißzeit, weil sie mir jetzt so bunt und reich vorkommt gegen die jetzige, weil ich mich dar- nach zurücksehne, wie nach einem Eldorado. So giebt es auch unter den Bettlern Reichthum und Armuth, und über den glücklichern Genossen geht des Darbenden Wunsch nicht hinaus; ich bin so weit gedrückt, daß ich das Berauschende einer tota- len Freiheit gar nicht mehr hoffe, nur nach jenem Zustande schmachte, wo keine Blende vor dem Fen- ster ist, wo ich rauchen, lesen, am Ende gar schrei- ben durfte, schreiben mit ordentlicher Dinte, wirk- lichen Federn und auf ganz reines weißes Papier;
Darben habe ich mir einige Kreuzer abgeſpart an der Rechnung, welche der Wärter führt, und mir ein Stückchen Kuchen kaufen laſſen, weil bei mir zu Hauſe Kuchen etwas Sonntägliches, Feiertägli- ches iſt, und ich gern einmal ſolch einen Eindruck des Beſonderen, des Feſtlichen haben möchte. Ne- benher — nun, es iſt gelungen, und ich will mir den Platz nicht verringern durch Erzählung der klei- nen Jntrigue: der Kuchen war in Papier einge- ſchlagen, was ich jetzt benütze. Du glaubſt nicht, wie viel ich Schmerz habe bei Beſchreibung jener erſten Gefängnißzeit, weil ſie mir jetzt ſo bunt und reich vorkommt gegen die jetzige, weil ich mich dar- nach zurückſehne, wie nach einem Eldorado. So giebt es auch unter den Bettlern Reichthum und Armuth, und über den glücklichern Genoſſen geht des Darbenden Wunſch nicht hinaus; ich bin ſo weit gedrückt, daß ich das Berauſchende einer tota- len Freiheit gar nicht mehr hoffe, nur nach jenem Zuſtande ſchmachte, wo keine Blende vor dem Fen- ſter iſt, wo ich rauchen, leſen, am Ende gar ſchrei- ben durfte, ſchreiben mit ordentlicher Dinte, wirk- lichen Federn und auf ganz reines weißes Papier;
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0094"n="86"/>
Darben habe ich mir einige Kreuzer abgeſpart an<lb/>
der Rechnung, welche der Wärter führt, und mir<lb/>
ein Stückchen Kuchen kaufen laſſen, weil bei mir<lb/>
zu Hauſe Kuchen etwas Sonntägliches, Feiertägli-<lb/>
ches iſt, und ich gern einmal ſolch einen Eindruck<lb/>
des Beſonderen, des Feſtlichen haben möchte. Ne-<lb/>
benher — nun, es iſt gelungen, und ich will mir<lb/>
den Platz nicht verringern durch Erzählung der klei-<lb/>
nen Jntrigue: der Kuchen war in Papier einge-<lb/>ſchlagen, was ich jetzt benütze. Du glaubſt nicht,<lb/>
wie viel ich Schmerz habe bei Beſchreibung jener<lb/>
erſten Gefängnißzeit, weil ſie mir jetzt ſo bunt und<lb/>
reich vorkommt gegen die jetzige, weil ich mich dar-<lb/>
nach zurückſehne, wie nach einem Eldorado. So<lb/>
giebt es auch unter den Bettlern Reichthum und<lb/>
Armuth, und über den glücklichern Genoſſen geht<lb/>
des Darbenden Wunſch nicht hinaus; ich bin ſo<lb/>
weit gedrückt, daß ich das Berauſchende einer tota-<lb/>
len Freiheit gar nicht mehr hoffe, nur nach jenem<lb/>
Zuſtande ſchmachte, wo keine Blende vor dem Fen-<lb/>ſter iſt, wo ich rauchen, leſen, am Ende gar ſchrei-<lb/>
ben durfte, ſchreiben mit ordentlicher Dinte, wirk-<lb/>
lichen Federn und auf ganz reines weißes Papier;<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[86/0094]
Darben habe ich mir einige Kreuzer abgeſpart an
der Rechnung, welche der Wärter führt, und mir
ein Stückchen Kuchen kaufen laſſen, weil bei mir
zu Hauſe Kuchen etwas Sonntägliches, Feiertägli-
ches iſt, und ich gern einmal ſolch einen Eindruck
des Beſonderen, des Feſtlichen haben möchte. Ne-
benher — nun, es iſt gelungen, und ich will mir
den Platz nicht verringern durch Erzählung der klei-
nen Jntrigue: der Kuchen war in Papier einge-
ſchlagen, was ich jetzt benütze. Du glaubſt nicht,
wie viel ich Schmerz habe bei Beſchreibung jener
erſten Gefängnißzeit, weil ſie mir jetzt ſo bunt und
reich vorkommt gegen die jetzige, weil ich mich dar-
nach zurückſehne, wie nach einem Eldorado. So
giebt es auch unter den Bettlern Reichthum und
Armuth, und über den glücklichern Genoſſen geht
des Darbenden Wunſch nicht hinaus; ich bin ſo
weit gedrückt, daß ich das Berauſchende einer tota-
len Freiheit gar nicht mehr hoffe, nur nach jenem
Zuſtande ſchmachte, wo keine Blende vor dem Fen-
ſter iſt, wo ich rauchen, leſen, am Ende gar ſchrei-
ben durfte, ſchreiben mit ordentlicher Dinte, wirk-
lichen Federn und auf ganz reines weißes Papier;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/94>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.