Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

sehe und höre, das grins't mich an mit todtem,
gläsernem Auge.



Der Wind streicht frisch aus Europa in unsern
Rücken, er ist meinem Herzen günstig. Heute
morgen sind wir bei der großen Bank angekommen,
welche sich viele hundert Seemeilen nach Nordnordost
hinaufzieht, und den Amerikaseglern Gefahr droht.
Es walten hier die dichten Nebel, wir fahren dahin
in halber Nacht -- giebt's einen einsameren, groß-
artigeren Tod? Jn der Dunkelheit mitten im Welt-
meere verschwindet man wie ein Atom. O kläg-
licher, kläglicher Zustand eines Menschen! Ein
tyrannischer, weit fordernder, weit greifender Geist
ist ihm gegeben, und ein Wechsel des Ortes reicht
hin, daß dies Geschöpf verschwindet, jach und un-
bemerkt!

Betrachte, wie unsere Welt verarmt ist! Das
Mittelalter hatte seinen Teufel, seinen lieben Teufel,
zu welchem die sogenannte Frechheit flüchtete; die
Thorheit und die Klugheit glaubte ihn zu sehn, er
war ein Hilfsmittel, wenn die bekannte Welt mit
ihren Gedanken und Kräften nicht mehr zureichen

ſehe und höre, das grinſ’t mich an mit todtem,
gläſernem Auge.



Der Wind ſtreicht friſch aus Europa in unſern
Rücken, er iſt meinem Herzen günſtig. Heute
morgen ſind wir bei der großen Bank angekommen,
welche ſich viele hundert Seemeilen nach Nordnordoſt
hinaufzieht, und den Amerikaſeglern Gefahr droht.
Es walten hier die dichten Nebel, wir fahren dahin
in halber Nacht — giebt’s einen einſameren, groß-
artigeren Tod? Jn der Dunkelheit mitten im Welt-
meere verſchwindet man wie ein Atom. O kläg-
licher, kläglicher Zuſtand eines Menſchen! Ein
tyranniſcher, weit fordernder, weit greifender Geiſt
iſt ihm gegeben, und ein Wechſel des Ortes reicht
hin, daß dies Geſchöpf verſchwindet, jach und un-
bemerkt!

Betrachte, wie unſere Welt verarmt iſt! Das
Mittelalter hatte ſeinen Teufel, ſeinen lieben Teufel,
zu welchem die ſogenannte Frechheit flüchtete; die
Thorheit und die Klugheit glaubte ihn zu ſehn, er
war ein Hilfsmittel, wenn die bekannte Welt mit
ihren Gedanken und Kräften nicht mehr zureichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0279" n="271"/>
&#x017F;ehe und höre, das grin&#x017F;&#x2019;t mich an mit todtem,<lb/>
glä&#x017F;ernem Auge.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Der Wind &#x017F;treicht fri&#x017F;ch aus Europa in un&#x017F;ern<lb/>
Rücken, er i&#x017F;t meinem Herzen gün&#x017F;tig. Heute<lb/>
morgen &#x017F;ind wir bei der großen Bank angekommen,<lb/>
welche &#x017F;ich viele hundert Seemeilen nach Nordnordo&#x017F;t<lb/>
hinaufzieht, und den Amerika&#x017F;eglern Gefahr droht.<lb/>
Es walten hier die dichten Nebel, wir fahren dahin<lb/>
in halber Nacht &#x2014; giebt&#x2019;s einen ein&#x017F;ameren, groß-<lb/>
artigeren Tod? Jn der Dunkelheit mitten im Welt-<lb/>
meere ver&#x017F;chwindet man wie ein Atom. O kläg-<lb/>
licher, kläglicher Zu&#x017F;tand eines Men&#x017F;chen! Ein<lb/>
tyranni&#x017F;cher, weit fordernder, weit greifender Gei&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t ihm gegeben, und ein Wech&#x017F;el des Ortes reicht<lb/>
hin, daß dies Ge&#x017F;chöpf ver&#x017F;chwindet, jach und un-<lb/>
bemerkt!</p><lb/>
          <p>Betrachte, wie un&#x017F;ere Welt verarmt i&#x017F;t! Das<lb/>
Mittelalter hatte &#x017F;einen Teufel, &#x017F;einen lieben Teufel,<lb/>
zu welchem die &#x017F;ogenannte Frechheit flüchtete; die<lb/>
Thorheit und die Klugheit glaubte ihn zu &#x017F;ehn, er<lb/>
war ein Hilfsmittel, wenn die bekannte Welt mit<lb/>
ihren Gedanken und Kräften nicht mehr zureichen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0279] ſehe und höre, das grinſ’t mich an mit todtem, gläſernem Auge. Der Wind ſtreicht friſch aus Europa in unſern Rücken, er iſt meinem Herzen günſtig. Heute morgen ſind wir bei der großen Bank angekommen, welche ſich viele hundert Seemeilen nach Nordnordoſt hinaufzieht, und den Amerikaſeglern Gefahr droht. Es walten hier die dichten Nebel, wir fahren dahin in halber Nacht — giebt’s einen einſameren, groß- artigeren Tod? Jn der Dunkelheit mitten im Welt- meere verſchwindet man wie ein Atom. O kläg- licher, kläglicher Zuſtand eines Menſchen! Ein tyranniſcher, weit fordernder, weit greifender Geiſt iſt ihm gegeben, und ein Wechſel des Ortes reicht hin, daß dies Geſchöpf verſchwindet, jach und un- bemerkt! Betrachte, wie unſere Welt verarmt iſt! Das Mittelalter hatte ſeinen Teufel, ſeinen lieben Teufel, zu welchem die ſogenannte Frechheit flüchtete; die Thorheit und die Klugheit glaubte ihn zu ſehn, er war ein Hilfsmittel, wenn die bekannte Welt mit ihren Gedanken und Kräften nicht mehr zureichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/279
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/279>, abgerufen am 17.05.2024.