auch die größte Empfänglichkeit herrschte; der neue Glaube müsse die Welt mit ihrem Sturm und Drange des sinnlichen Lebens nicht läugnen, sondern just auf den Fittigen derselben hindurchführen. Auch meine Frau hat er hier kennen gelernt und ihr sehr gut gefallen, er geht immer hellblau gekleidet, halb elegant, halb orientalisch, und in Ste Pelagie hält er sich nur auf, um Proselyten zu machen; Geld hat er hinreichend, da er einer großen wohl ver- sehenen Gesellschaft angehört. Wenn ich nicht bald befreit würde, so hat er mir versprochen, mich aus seinen Mitteln zu lösen.
Später.
Der wackre Lichtblaue hat Wort gehalten. Wir sind sogleich zu Very gegangen, und haben gut ge- speis't, dann haben wir mein Manuskript in die Druckerei seiner Gesellschaft gebracht, dann bin ich nach meiner Frau ausgewesen. Jener Verwandte war bei ihr, und wollte mich eine Zeit lang nicht in's Zimmer lassen -- unsre Ehe ist noch ein Ge- heimniß. Lilli war sehr aufgeräumt, obwohl sie mir
auch die groͤßte Empfaͤnglichkeit herrſchte; der neue Glaube muͤſſe die Welt mit ihrem Sturm und Drange des ſinnlichen Lebens nicht laͤugnen, ſondern juſt auf den Fittigen derſelben hindurchfuͤhren. Auch meine Frau hat er hier kennen gelernt und ihr ſehr gut gefallen, er geht immer hellblau gekleidet, halb elegant, halb orientaliſch, und in Ste Pélagie haͤlt er ſich nur auf, um Proſelyten zu machen; Geld hat er hinreichend, da er einer großen wohl ver- ſehenen Geſellſchaft angehoͤrt. Wenn ich nicht bald befreit wuͤrde, ſo hat er mir verſprochen, mich aus ſeinen Mitteln zu loͤſen.
Spaͤter.
Der wackre Lichtblaue hat Wort gehalten. Wir ſind ſogleich zu Véry gegangen, und haben gut ge- ſpeiſ’t, dann haben wir mein Manuſkript in die Druckerei ſeiner Geſellſchaft gebracht, dann bin ich nach meiner Frau ausgeweſen. Jener Verwandte war bei ihr, und wollte mich eine Zeit lang nicht in’s Zimmer laſſen — unſre Ehe iſt noch ein Ge- heimniß. Lilli war ſehr aufgeraͤumt, obwohl ſie mir
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0226"n="218"/>
auch die groͤßte Empfaͤnglichkeit herrſchte; der neue<lb/>
Glaube muͤſſe die Welt mit ihrem Sturm und<lb/>
Drange des ſinnlichen Lebens nicht laͤugnen, ſondern<lb/>
juſt auf den Fittigen derſelben hindurchfuͤhren. Auch<lb/>
meine Frau hat er hier kennen gelernt und ihr ſehr<lb/>
gut gefallen, er geht immer hellblau gekleidet, halb<lb/>
elegant, halb orientaliſch, und in <hirendition="#aq">Ste Pélagie</hi> haͤlt<lb/>
er ſich nur auf, um Proſelyten zu machen; Geld<lb/>
hat er hinreichend, da er einer großen wohl ver-<lb/>ſehenen Geſellſchaft angehoͤrt. Wenn ich nicht bald<lb/>
befreit wuͤrde, ſo hat er mir verſprochen, mich aus<lb/>ſeinen Mitteln zu loͤſen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#et">Spaͤter.</hi></p><lb/><p>Der wackre Lichtblaue hat Wort gehalten. Wir<lb/>ſind ſogleich zu V<hirendition="#aq">é</hi>ry gegangen, und haben gut ge-<lb/>ſpeiſ’t, dann haben wir mein Manuſkript in die<lb/>
Druckerei ſeiner Geſellſchaft gebracht, dann bin ich<lb/>
nach meiner Frau ausgeweſen. Jener Verwandte<lb/>
war bei ihr, und wollte mich eine Zeit lang nicht<lb/>
in’s Zimmer laſſen — unſre Ehe iſt noch ein Ge-<lb/>
heimniß. Lilli war ſehr aufgeraͤumt, obwohl ſie mir<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[218/0226]
auch die groͤßte Empfaͤnglichkeit herrſchte; der neue
Glaube muͤſſe die Welt mit ihrem Sturm und
Drange des ſinnlichen Lebens nicht laͤugnen, ſondern
juſt auf den Fittigen derſelben hindurchfuͤhren. Auch
meine Frau hat er hier kennen gelernt und ihr ſehr
gut gefallen, er geht immer hellblau gekleidet, halb
elegant, halb orientaliſch, und in Ste Pélagie haͤlt
er ſich nur auf, um Proſelyten zu machen; Geld
hat er hinreichend, da er einer großen wohl ver-
ſehenen Geſellſchaft angehoͤrt. Wenn ich nicht bald
befreit wuͤrde, ſo hat er mir verſprochen, mich aus
ſeinen Mitteln zu loͤſen.
Spaͤter.
Der wackre Lichtblaue hat Wort gehalten. Wir
ſind ſogleich zu Véry gegangen, und haben gut ge-
ſpeiſ’t, dann haben wir mein Manuſkript in die
Druckerei ſeiner Geſellſchaft gebracht, dann bin ich
nach meiner Frau ausgeweſen. Jener Verwandte
war bei ihr, und wollte mich eine Zeit lang nicht
in’s Zimmer laſſen — unſre Ehe iſt noch ein Ge-
heimniß. Lilli war ſehr aufgeraͤumt, obwohl ſie mir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/226>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.