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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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aus den Augen, sie fällt der Tante um den Hals
und bittet sie, beschwört sie um Erlaubniß, auf's
Theater zu gehen. Die überraschte Tante, welche
auf die Herzensbewegungen des Mädchens nicht so
sorgfältig Acht gegeben hatte, sagt Ja, Maria mel-
det sich, Jaspis studirt ihr ein Paar Rollen ein, das
Mädchen wogt in Glück und Bewegung, sie küßt
ihm die Hand, man findet, daß sie eine geborne
Schauspielerin sei. Sie tritt auf; das wunderbare
Mädchen, mit dem unwiderstehlichen tiefsten Aus-
drucke des Auges, mit dem feinen, schönen Körper,
mit den zarten, halb verschämten, halb herausdrän-
genden Bewegungen, mit einer Stimme, worin die
Seele selber klingt, macht Furore. Nun erst wird
Jaspis aufmerksam, er rechnet Alles zu einander,
und sieht es nun erst, daß eine tiefe Neigung für
ihn existire. Es rührt ihn, und bei der nächsten
Begegnung nimmt er Maria in den Arm, und küßt
sie auf die Stirne -- das Mädchen erbebt und zit-
tert am ganzen Leibe. Solche Scene wiederholt sich
im Verlaufe der nächsten Zeit noch zwei Mal, Jas-
pis spricht aber nie ein erklärendes Wort dazu, noch
weniger spricht er direkt etwas aus, was ein Verhält-

aus den Augen, ſie faͤllt der Tante um den Hals
und bittet ſie, beſchwoͤrt ſie um Erlaubniß, auf’s
Theater zu gehen. Die uͤberraſchte Tante, welche
auf die Herzensbewegungen des Maͤdchens nicht ſo
ſorgfaͤltig Acht gegeben hatte, ſagt Ja, Maria mel-
det ſich, Jaspis ſtudirt ihr ein Paar Rollen ein, das
Maͤdchen wogt in Gluͤck und Bewegung, ſie kuͤßt
ihm die Hand, man findet, daß ſie eine geborne
Schauſpielerin ſei. Sie tritt auf; das wunderbare
Maͤdchen, mit dem unwiderſtehlichen tiefſten Aus-
drucke des Auges, mit dem feinen, ſchoͤnen Koͤrper,
mit den zarten, halb verſchaͤmten, halb herausdraͤn-
genden Bewegungen, mit einer Stimme, worin die
Seele ſelber klingt, macht Furore. Nun erſt wird
Jaspis aufmerkſam, er rechnet Alles zu einander,
und ſieht es nun erſt, daß eine tiefe Neigung fuͤr
ihn exiſtire. Es ruͤhrt ihn, und bei der naͤchſten
Begegnung nimmt er Maria in den Arm, und kuͤßt
ſie auf die Stirne — das Maͤdchen erbebt und zit-
tert am ganzen Leibe. Solche Scene wiederholt ſich
im Verlaufe der naͤchſten Zeit noch zwei Mal, Jas-
pis ſpricht aber nie ein erklaͤrendes Wort dazu, noch
weniger ſpricht er direkt etwas aus, was ein Verhaͤlt-

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[191/0199] aus den Augen, ſie faͤllt der Tante um den Hals und bittet ſie, beſchwoͤrt ſie um Erlaubniß, auf’s Theater zu gehen. Die uͤberraſchte Tante, welche auf die Herzensbewegungen des Maͤdchens nicht ſo ſorgfaͤltig Acht gegeben hatte, ſagt Ja, Maria mel- det ſich, Jaspis ſtudirt ihr ein Paar Rollen ein, das Maͤdchen wogt in Gluͤck und Bewegung, ſie kuͤßt ihm die Hand, man findet, daß ſie eine geborne Schauſpielerin ſei. Sie tritt auf; das wunderbare Maͤdchen, mit dem unwiderſtehlichen tiefſten Aus- drucke des Auges, mit dem feinen, ſchoͤnen Koͤrper, mit den zarten, halb verſchaͤmten, halb herausdraͤn- genden Bewegungen, mit einer Stimme, worin die Seele ſelber klingt, macht Furore. Nun erſt wird Jaspis aufmerkſam, er rechnet Alles zu einander, und ſieht es nun erſt, daß eine tiefe Neigung fuͤr ihn exiſtire. Es ruͤhrt ihn, und bei der naͤchſten Begegnung nimmt er Maria in den Arm, und kuͤßt ſie auf die Stirne — das Maͤdchen erbebt und zit- tert am ganzen Leibe. Solche Scene wiederholt ſich im Verlaufe der naͤchſten Zeit noch zwei Mal, Jas- pis ſpricht aber nie ein erklaͤrendes Wort dazu, noch weniger ſpricht er direkt etwas aus, was ein Verhaͤlt-

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/199>, abgerufen am 03.05.2024.